SchattenSchnee. Nané Lénard

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SchattenSchnee - Nané Lénard

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zu frösteln. Wenn man sich nicht richtig bewegen konnte, kroch die Kälte noch schneller überallhin.

      Was musste sein Sohn Niklas gefroren haben, dachte Wolf, als er knapp 14 Tage in diesem Regenwasserschacht auf der Wiese gefangen gewesen war. Nur mit Boxershorts bekleidet hatte er mal in mehr oder weniger Wasser gestanden und zuletzt gelegen. Es war ganz knapp gewesen. In allerletzter Sekunde war er dem Tod von der Schippe gesprungen, weil eine aufmerksame Nachbarin von Gaby ihn gehört hatte. Und auch Christel war zunächst davon überzeugt gewesen, sich zu irren. Wie konnte da jemand auf der Heuwiese rufen, wenn keiner zu sehen war? Doch als sie am Nachmittag noch einmal durch ihren Garten gegangen war, stutzte sie wieder. Tatsächlich, da rief jemand. Zwar fast unhörbar leise, aber nun war sie sicher, dass sie sich das nicht einbildete.

      Doch wo kam es her?

      Wolf, der inzwischen zu zittern begann, fiel wieder ein, dass er selbst damals Christels Anruf entgegengenommen hatte. Er erinnerte sich: Sie war extra auf die Wiese gegangen, weil ihr plötzlich der tiefe Schacht wieder eingefallen war und hatte dort nachgesehen, damit sie sich nicht zum Affen machte, falls es doch nur ein Pfeifen im hohlen Baum gewesen sein sollte. Da säße jemand im Höppenfeld nackt in einer Betongrube, hatte sie kurze Zeit später atemlos in den Hörer gerufen und Wolf, dessen Hoffnungsschimmer bereits dabei gewesen war zu verblassen, hatte sofort gewusst, dass es sich bei dem jungen Mann nur um seinen Sohn Niklas handeln konnte.

      Seitdem waren Monate vergangen. Monate voller Angst und Zuversicht, von denen er selbst etliche verpassen sollte. Beide Gefühle hatten einander ständig die Hand gereicht und sich abgewechselt, da Wolf bei der Organtransplantation einen Schlaganfall erlitten hatte und ins Koma gefallen war. Ein Martyrium für Moni, eine Selbstverständlichkeit für ihn. Auch heute fand er den Preis noch angemessen: Sein Leben für das seines Sohnes, falls es dazu gekommen wäre, aber glücklicherweise hatten sie beide überlebt.

      Im Gegensatz zu ihm war Niklas längst wieder hergestellt und im Dienst. Gesundes Essen, Sport sowie eine liebende Frau an seiner Seite, hatten ihn ruckzuck zu alter Form zurückfinden lassen. Natürlich musste man auch sein jugendliches Alter bedenken. Da wurde man einfach schneller wieder fit. Vielleicht war er durch die Tortur etwas ernster geworden, aber das schadete nicht. Und Nadine, die anfänglich an seinem Bett gewacht hatte, tat es auch jetzt noch mit Argusaugen. Wolf schmunzelte. Sie hatte ihn auf positive Art im Griff. Um seinen Sohn musste er sich keine Sorgen mehr machen, was den Alltag anging. Der Erziehungsauftrag war beendet.

      „Mann, Mann, Mann, ist das lausig kalt hier draußen, richtig schattig“, schimpfte Peter, der seinen Kollegen Detlef beneidete, weil er mit Lammfell gefütterte Stiefel trug. Er beschloss, sich auch welche zuzulegen. Warum nur zu Hause Lammfellpuschen tragen?

      „Moin, Wolf, du siehst auch schon ganz schön verfroren aus, fast wie die Schönheit im Schnee“, begrüßte Detlef ihn.

      „Kein Wunder, ihr kommt aus dem Warmen, und ich sitze schon seit Längerem hier“, sagte Wolf.

      „SpuSi und Rechtsmedizin sind auch gleich da“, kündigte Peter an. „Krasse Nummer.“ Er zeigte auf die Tote.

      Detlef betrachtete sie, als suche er irgendetwas. „Hmm, ich kann gar keine Verletzung erkennen. Das viele Blut. Wo kommt es her? Wirkt wie ein Muster oder so. Komisch.“

      „Ja, das ist mir auch schon aufgefallen“, erwiderte Wolf. „Ich kann mir allerdings keinen Reim drauf machen, aber es geht mich im Grunde gar nichts an.“

      Peter stöhnte. „Jetzt komm mir nicht mit der Mitleidsnummer. Nur weil du im Moment im Rolli sitzt …“

      „Schön, wenn es nur ein Moment wäre“, wandte Wolf mit bitterer Stimme ein.

      „Unterbrich mich nicht“, meckerte Peter. „Nur weil du also zeitweise im Rollstuhl sitzt, muss doch dein Hirn nicht auch geschoben werden, oder? Das wird ja wohl intakt sein. Falls nicht, lass es mich wissen. Vielleicht hat dir der Schlag ja die grauen Zellen zerdeppert. Ich glaube aber eher, das ist der miese Versuch, uns deutlich zu machen, dass wir bei diesem Fall auf deine Mithilfe nicht zu hoffen brauchen.“

      „Ja, aber, äh …“, begann Wolf. „Ich bin doch nicht im Dienst und werde auch längere Zeit ausfallen, wenn ich überhaupt wiederkommen kann.“

      „Und wen interessiert das jetzt?“, fragte Peter. „Hier liegt jetzt eine Tote. Glaubst du, wir wollen auf deine langjährige Erfahrung verzichten?“ Er sah Detlef an.

      Der schüttelte den Kopf. „Wollen wir keineswegs!“

      „Zumindest inoffiziell möchten wir dich an unserer Seite wissen“, bohrte Peter weiter. „Können wir mit deiner Unterstützung rechnen?“

      „Klar könnt ihr mich jederzeit fragen“, antwortete Wolf gerührt.

      „Ich spreche nicht nur vom Fragen, sondern davon, dass wir die Teambesprechungen gelegentlich in dem Seniorenknast abhalten können, wenn du nicht runter in die Ulmenallee rollen kannst oder möchtest“, erklärte Peter.

      „Vergesst nicht, dass ich krankgeschrieben bin“, erinnerte Wolf die beiden.

      Peter verdrehte die Augen. „Schon klar, du kommst uns dann nur besuchen, Mann. Wie ein einsamer, alter Krüppel, der sich nach der Gesellschaft seiner ehemaligen Kollegen sehnt.“

      „Arschloch“, zischte Wolf. „Du machst aus mir einen bedauernswerten Tattergreis.“

      „Wenn du dich so benimmst“, sagte Peter und zuckte mit den Schultern. „Wo ist dein Biss, Alter? Der Ehrgeiz, der dich immer angetrieben hat? Klar, du hast in der letzten Zeit viel Scheiße erlebt. Ja, und? Kopf in den Sand stecken, oder was? Das passt doch gar nicht zu dir. Reiß dich gefälligst zusammen.“

      Wolf schwieg.

      Auch Peter begann langsam zu frösteln. „Mann, brauchen die lange!“ Er stapfte auf der Stelle herum. „Meine Füße sind langsam Eiszapfen.“

      „Musst du Lammfellstiefel anziehen“, schlug Detlef vor und grinste.

      „Gleich haue ich dir was hinter die Löffel, du Klugscheißer“, lachte Peter.

      „Hast du zu Hause nicht diese überdimensionalen Puschen?“

      Peter brummte nur und freute sich, als er Nadja durch den Torbogen am seitlichen Eingang des Parks kommen sah. Ihr folgte, einen Koffer an jeder Seite, Joseph von der Lancken, auch Seppi genannt.

      „Hi. Schön, dich zu sehen, Wolf. Endlich wieder unter den Lebenden.“ Sie zwinkerte Hetzer zu. „Seppi und ich haben uns bei den Parkbuchten getroffen“, sagte Nadja. „Na, dann zeigt uns mal euer Engelchen!“ Sie trat näher. „Oh“, sagte sie und reckte den Hals. „Jetzt hätte ich gerne eine Drohne oder zumindest eine Leiter.“

      „Wozu das denn?“, wollte Peter wissen.

      „Na ja, weil ich glaube, dass da jemand was mit Blut in den Schnee geschrieben hat. Und ich bin zwar groß, aber fliegen kann ich nicht“, erklärte Nadja.

      „Ich könnte dich auf die Schultern nehmen“, schlug Peter vor.

      „Damit ich hinterher deinen Bandscheibenvorfall pflege?“, konterte sie. „Kommt nicht infrage.“

      „Räuberleiter?“, versuchte Peter weiter.

      „Wie wär’s denn, wenn ihr einfach

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