Emsgrab. Wolfgang Santjer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Emsgrab - Wolfgang Santjer страница 10
»Noch nichts von No-blame-atmosphere gehört?«, fragte Ferdinand Diekmann lachend. Die Anspannung ließ nach, und die Besatzung des Polizeibootes kehrte zu den üblichen Frotzeleien zurück.
»Was meint ihr eigentlich?«, fragte Hans Schulz verwirrt.
»Die neuen Vorgaben für die Untersuchung von Seeunfällen«, erklärte Elzinga. »Wir arbeiten für die neue Bundesstelle, die die Seeunfälle ähnlich wie Flugunfälle untersucht. Bei der ersten Aufnahme soll für eine entspannte Atmosphäre gesorgt werden.«
»Wie soll das denn gehen? Der Schiffer weiß doch ganz genau, was auf ihn zukommt«, meinte Hans Schulz.
Diekmann nickte. »Hat sich was mit Entspannung, wenn ein Verfahren wegen Verkehrsgefährdung droht!«
»Wir sollten uns wohl lieber auf unseren Kurs konzentrieren, sonst dürfen nachher wir in einer entspannten Atmosphäre peinliche Fragen beantworten«, grinste Elzinga.
*
Außenhafen Emden
Sie beobachteten, wie der Tanker mit der Backbordseite am Anleger festgemacht wurde.
Diekmann öffnete die Ruderhaustür und rief Elzinga zu: »Fender an Steuerbord und auf dem Mittelpoller eindampfen?«
Elzinga nickte. »Ja, ich leg mit der Steuerbordseite direkt vor dem Tanker an.«
Diekmann und Schulz machten die Fender und Festmacher an der Steuerbordseite klar und Elzinga manövrierte das Boot an den Anleger.
Die Kollegen an Deck waren noch mit dem Festmachen beschäftigt, als ein Streifenwagen auf dem Anleger in Höhe des Dienstbootes anhielt.
»Hansen persönlich!«, bemerkte Ferdinand Diekmann.
»Der will sicher die Lage peilen«, meinte Hans Schulz. »Find ich auch gut, dass er sich vor Ort sehen lässt.«
»Hauptsache, er fällt uns nicht aufs Deck.« Sie sahen zu, wie Hansen die Leiter herunterkletterte.
»Moin, Kollegen! Erzählt mal, was war denn nun?«
Die Bootsbesatzung erklärte ihrem Chef, was sie bis jetzt wussten.
»So«, beendete Elzinga seinen Bericht, »und Hans soll schon mal an Bord des Tankers und Ferdinand und ich wollen nur noch das Boot ordentlich festmachen und ihm dann helfen.«
»Äh, ich weiß, aber … ich hätte da noch einen kleinen Auftrag für euch beide, und wir müssen umdisponieren.« Hansen hielt beschwichtigend die Hände hoch. »Einen Gefangentransport von Borkum bis Emden. Es ist wichtig, sonst würde ich euch nicht fragen. Und nein, bevor ihr fragt: Fähre ist nicht möglich.« Hansen kletterte über die Reling und griff nach der ersten Sprosse der Leiter. »Ich werde Hans beim Seeunfall selbst unterstützen, und ihr beide könnt jetzt mit dem letzten Strom nach Borkum fahren. Die zwei Kollegen, die den Gefangenen überführen sollen, werden euch im Schutzhafen erwarten.«
Hans Schulz griff sich seine Tasche und sah Elzinga und Diekmann verzweifelt an. »Das fehlt mir noch«, sagte er leise. »Der Chef zugegen bei der Unfallaufnahme …!«
Elzinga und Diekmann sahen vom Streifenboot aus zu, wie die Kollegen an Bord des Tankers gingen. »Das ist ja nun mal blöd gelaufen«, sagte Elzinga. »Hans war schon nervös und jetzt hat er auch noch Hansen im Genick.«
»Tja, typisch Hansens Überfalltaktik«, bemerkte Diekmann. »Zum Protest kamen wir gar nicht.«
»Das, Kollege, war sicher so gewollt! – Wann ist Niedrigwasser in Emden … Das wird eng«, meinte Elzinga. »Dann man lego.«
*
Auf der Fahrt von Emden zur Insel Borkum
Kurz darauf meldete sich Elzinga über Schiffsfunk bei der Verkehrszentrale an der Knock, gab Auslaufsignal und das Boot nahm Kurs auf Borkum. Mit dem Ebbstrom kamen sie zügig voran. Über den Geisedamm an der linken Seite konnte Onno auf die Weite des Dollarts blicken. Vor ihnen lag nun die Flusskurve an der Knock. Diese verlief in einem weiten Bogen nach rechts. Bei Hochwasser konnte man dem inneren Kurvenverlauf folgen, dem sogenannten K.-Weg. Diese Abkürzung war aber bei Niedrigwasser riskant, weil in diesem Bereich die Wassertiefe stark abnahm. Kein schönes Gefühl, wenn der elektronische Tiefenanzeiger plötzlich immer weniger Wasser unter dem Kiel anzeigte. Elzinga zog es deshalb vor, den sicheren weiten Bogen zu fahren.
Die Sicht war mäßig und je weiter sie Richtung See fuhren, desto mehr vergrößerte sich der Abstand der Fahrwassertonnen. Das UKW-Funkgerät wurde regelmäßig auf die jeweiligen Verkehrskanäle umgeschaltet. Sie passierten Eemshaven und die Ems wurde immer breiter und – was Onno besonders freute – immer sauberer. Der Bug des Bootes teilte klares Wasser. Die Bootsmotoren dröhnten und die salzige Meeresluft strömte durch die zur Leeseite geöffnete Ruderhaustür. Diekmann hatte Tee gemacht und beide hielten eine Tasse in der Hand und sahen zu, wie der Horizont immer weiter wurde. Jeder war kurz in seiner eigenen Traumwelt gefangen.
»Einfach schön!«, seufzte Ferdinand Diekmann schließlich. »Was meinst du, wir fahren einfach immer weiter raus bis nach England und noch weiter.«
»Schön wär’s … Aber du weißt ja: Fischerbalje und dann Kursänderung nach Steuerbord. Vorbei der Traum von der großen Seefahrt.« Onno Elzinga trank die Tasse leer und nickte Diekmann zu. »Ich kann gut verstehen, dass unsere Touristen immer wiederkommen.«
An der Fischerbalje legte Elzinga das Ruder hart Steuerbord und nahm Kurs auf den Schutzhafen von Borkum. Er meldete sich bei Borkum Radar und als sie den Sportboothafen passierten, gab er das Einlaufsignal. Als Liegeplatz wurde ihnen Brücke 2 zugeteilt. Diekmann machte Fender und Festmacher klar und Elzinga legte vorsichtig mit der Steuerbordseite an.
*
Schutzhafen der Insel Borkum
An der Landseite stand ein Streifenwagen, ein alter Bulli. Ein uniformierter Kollege und zwei Zivilpersonen stiegen aus und kamen über den abschüssigen und quietschenden Anleger zum Dienstboot herüber.
»Der in der Mitte hat die Acht um«, sagte Ferdinand Diekmann. »Der in Uniform ist Kollege Lütters und den andern, den in Zivil, den kenn ich nicht.«
»Ich glaube, das ist der Broning.« Als die drei näher heran waren, öffnete Elzinga die Relingspforte. »Moin, Kollegen! Kommt an Bord und passt auf, bei der Eingangstür ist eine tiefe Stufe.«
Im Ruderhaus gaben sich die Kollegen die Hand. »Mein Kollege Ferdinand Diekmann«, stellte Elzinga vor, »und ich bin Onno Elzinga.«
Der Kollege in Zivil trug eine alte Lederjacke. Die dunkle Cargohose und das helle Bauwollhemd sahen so aus, als hätten sie lange kein Bügeleisen mehr gesehen. Er sah Elzinga an. »Gesehen haben wir uns schon mal, glaube ich zumindest, aber trotzdem: Jan Broning, 1. FK Kripo Leer, und das hier ist Kollege Lütters von der Station Borkum.«
Elzinga verkniff sich ein Grinsen. Größer hätten die Gegensätze zwischen den beiden Männern, die vor ihm standen, nicht sein können. Elzinga schätzte Bronings Körpergröße auf einsneunzig. Er hatte breite Schultern, aber auch einen leichten Bauchansatz. Haare und Bart sahen ungepflegt aus. Lütters war klein und dick. Seine Uniformhose und das Hemd präsentierten