Passierschein, bitte!. Nancy Aris

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Passierschein, bitte! - Nancy Aris

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anbieten sollte. Aber was würde sie zu Band 4 des Fernöstlichen Archiv-Boten sagen? Ich lasse ihnen meinen Platz und gehe ins Kino, wo ich mich ohnehin gleich mit Irina treffen will.

       Capuccino am Meer. Die Putzfrau macht im Hintergrund ein Päuschen, bevor sie wieder um meine Beine rumwischen wird.

       Kinokarte vom Komödienspaß

      Wir sind in einem Singapur-Restaurant verabredet, essen aber doch nichts, sondern setzen uns raus auf eine Parkbank. Irina erzählt und erzählt. Es ist unglaublich, eine Geschichte nach der anderen, sie hat lauter Ideen für mein Buch. Im Prinzip reicht ihr die Kunst-&-Albers-Geschichte nicht. Sie hätte gern, dass ich nach den Verbindungslinien suche. Ich soll all die schillernden Gestalten, die das Wladiwostok der Jahrhundertwende so bunt gemacht haben – Brynner, Langelütje, Jankowskij, Eleonor Pray und andere – zusammenbringen. Sie ist so begeistert von meinem Aufenthalt, dass sie mich schon in der Gorkij-Bibliothek, im Deutschen Lesesaal, für eine Autorenlesung und zum Austausch mit interessierten Lesern angekündigt hat. Für sie bin ich DIE Schriftstellerin aus Deutschland, die ein Buch über Wladiwostok schreibt. Wenn sie wüsste, dass sich in Deutschland kaum ein Verlag dafür zu interessieren scheint, was ich schreibe … Ich begleite sie zum Kinosaal, wo sie mit ihrer Familie verabredet ist. Auf dem Weg dorthin treffen wir ständig alte Bekannte. Ich werde jedem als junge deutsche Schriftstellerin, die ein Buch über Wladiwostok schreiben will, vorgestellt. Ich bin 43. Irina rattert jedes Mal den gesamten Inhalt meiner Buchidee runter. Ihre Kolleginnen befinden, dass zwei Wochen in Wladiwostok dafür nicht reichen. Einer befreundeten Journalistin hingegen fällt noch ein anderer interessanter Aspekt ein, den ich auch unbedingt berücksichtigen sollte. In meinem Kopf dreht sich bereits alles. Dann kommen Irinas Mann, ihre Tochter und ihr Schwiegersohn. Ihre Tochter fragt, ob ich schon wisse, dass die alten Fenster bei Kunst & Albers ausgebaut, aber nicht restauriert werden. Mich wundert das nicht. Bevor alle ins Kino verschwinden, wollen wir ein weiteres Treffen verabreden. Irina hat die nächsten Tage bereits verplant. Am Mittwoch habe sie frei, da könnten wir ins Museum, zur Ausstellung von Karl Schulz. Ich sage nicht zu, denn am Mittwoch wollte Manfred Brockmann schon mit mir wandern gehen, auf der Peschchanyj-Halbinsel. Von ihm hatte ich heute früh eine Mail bekommen. Der Film fange gleich an, mahnt eine Lautsprecheransage auf Russisch und Englisch. Nein, ich will nicht den Film »Judas« mit anschauen. »Ein schwerer Film … «, seufzt Irina mit bedeutungsvoller Miene. Ich war gestern in »So sieht Liebe aus«, eine Komödie. Irina und ihre Kolleginnen haben davon gehört. Abwertendes Kopfschütteln. So ein seichter Unterhaltungsfilm. Nein, das sei doch nichts. Ich fand ihn großartig.

      Setze mich nach dem Treffen noch einmal ans Meer und wandere dann bei Sonnenuntergang und einsetzender Dämmerung nach Hause. Unterwegs kaufe ich ein, alles teuer. Ich weiß nicht, wie die Leute das hier mit ihren teilweise dürftigen Gehältern stemmen.

       Mein Etagenflur: Nur selten begegnet man einem Nachbarn, trotzdem sind sie ständig zu hören

      Im Wohnzimmer erlege ich eine Kakerlake, diesmal eine große. Das Internet funktioniert überhaupt nicht mehr, ich bräuchte einen Code, um mich als Nastenka anzumelden … Schaue einen Film, der offenbar in den Achtzigerjahren spielen soll. Eine Heldin trägt unter ihrem Nachthemd einen Tanga – gab es so etwas zu Sowjetzeiten? Solche Filmausstatter hätte es jedenfalls nicht gegeben …

      Draußen vor meiner Tür herrscht ständiges Begängnis. Alles ist so hellhörig, dass ich mich wundere, dass meine Nachbarn nicht in meinem Bett liegen. Hinter meinem Kopf zwei Löcher in der Wand aus Spanplatte. Dahinter ist die Dusche. In der Nacht werden sie sicher kommen, die Kakerlakenbrüder – Gute Nacht!

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