Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher
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Die dreiundzwanzigjährige Bauerntochter stellte die Kaffeekanne auf den Tisch. Sie nickte.
»Hast recht, Mutter, der Tobias ist sonst die Pünktlichkeit in Person. Da stimmt was net.«
Sie verließ die Küche, eilte durch die Diele zur Haustür und überquerte rasch den Hof. Rechts vom Bauernhaus lag das Gesindehaus. Früher hatte es mehr, als nur einen Knecht gegeben, da hatten zuweilen bis zu acht Knechte und Mägde auf dem Hof gearbeitet. Doch im Laufe der Jahre war vieles anders geworden. Jetzt war nur noch der alte Tobias übriggeblieben, der schon seit mehr als vierzig Jahren auf dem Brandtnerhof lebte. Der Vater des jetzigen Bauern hatte ihn noch damals eingestellt.
Daran dachte die hübsche, dunkelhaarige Andrea aber nicht, als sie an die Tür zur Kammer klopfte, die der Knecht bewohnte.
»Tobias«, rief sie. »Bist’ wach?«
Lauschend legte das Madel den Kopf an die Tür und erschrak. Von drinnen war ein leises Stöhnen zu vernehmen.
»Tobias?«
Das Stöhnen wurde lauter. Kurz entschlossen drückte Andrea die Klinke herunter und trat ein. Der Knecht lag in seinem Bett. Er hatte die Augen halb geschlossen. Kreidebleich war er, und auf seiner Stirn standen Schweißperlen. Die Bauerntochter beugte sich über ihn. Mit fiebrigem Blick starrte er sie an.
»Himmel, was ist mit dir?« fragte sie entsetzt. »Du siehst ja schlimm aus.«
»Mein Bauch«, klagte Tobias. »Er tut so fürchterlich weh.«
»Warte«, sagte Andrea. »Ich hole die Mutter, und am besten rufen wir den Doktor an.«
»Nein, nein, net den Doktor«, grantelte Tobias. »Vielleicht tut’s ja auch eine Wärmflasche.«
Das Madel schüttelte den Kopf und lief ins Haus zurück.
»Was ist denn los?« wollte der Bauer wissen.
»Ich weiß net«, erwiderte die Tochter. »Es geht ihm sehr schlecht, aber er will keinen Arzt.«
»Natürlich rufen wir den Doktor«, entschied ihre Mutter und eilte ans Telefon.
Die Nummer des Dorfarztes stand auf einem Block, der gleich daneben lag. Maria Brandtner wählte mit fliegenden Fingern. Trotz der frühen Stunde wurde nach dem zweiten Klingeln abgenommen, und Dr. Wiesinger meldete sich. Die Bäuerin schilderte den Notfall.
»Ich fahr’ sofort los«, versprach der Arzt.
»Soll ich dem Tobias einen Kamillentee kochen?« fragte Andrea.
»Besser net«, erwiderte ihre Mutter mit einem energischen Kopfschütteln. »Wenn er womöglich ins Krankenhaus muß, dann darf er nix essen und trinken, falls er operiert werden muß.«
»Krankenhaus? Operieren?«
Der Brandtnerbauer sah seine Frau entsetzt an.
»Nun mal bloß net den Teufel an die Wand«, sagte er. »Das fehlt gerad’ noch, daß der Tobias ins Krankenhaus muß und für Wochen ausfällt. Wo soll ich denn jetzt so schnell Ersatz hernehmen?«
»Also, Mann!«
Deutlich war die Empörung in der Stimme seiner Frau zu hören.
»Wenn das deine einz’ge Sorge ist! Dann mußt’ eben seh’n, daß du einen Knecht einstellst. Es ist ja wohl wichtiger, daß der Tobias wieder gesund wird.«
»Du bist gut«, antwortete ihr Mann. »Es ist Erntezeit. Da sind die guten Kräfte längst alle irgendwo untergekommen. Wer jetzt noch keine Arbeit hat, ist ein Hallodri und taugt nix. Und ausgerechnet jetzt ist der Bub net da.«
Alois Brandtner meinte seinen Sohn Wolfgang, der seit einem halben Jahr bei der Bundeswehr war und seinen Wehrdienst ableistete. Leider oben in Norddeutschland, weshalb auch nicht damit zu rechnen war, daß er an den Wochenenden nach Hause kam und mithalf.
Der Bauer strich sich über den Bart, eisgrau war er schon, und das Gesicht sonnengebrannt. Alois Brandtner war zwar erst Anfang fünfzig, sah aber älter aus. So ganz unrecht hatte er nicht mit dem, was er sagte. Seine Frau wußte das natürlich. Sie klopfte ihm auf die Schulter.
»Dann müssen wir eben alle mehr mit anpacken«, meinte sie. »Dann schaffen wir’s schon. Aber laß uns erstmal abwarten, was der Doktor sagt.«
Toni Wiesinger konnte Marias Vermutung indes nur bestätigen. Kaum zehn Minuten nach dem Anruf fuhr der Arzt auf den Hof. Andrea zeigte ihm die Kammer, dann wartete sie mit ihren Eltern nervös vor dem Haus.
Es dauerte kaum fünf Minuten, bis Dr. Wiesinger wieder herauskam. Seine ernste Miene verhieß nichts Gutes.
»Tobias muß ins Krankenhaus und sofort operiert werden«, sagte er. »Kann ich mal telefonieren?«
»In der Diele«, antwortete die Brandtnerbäuerin und lief mit ihm ins Bauernhaus. »Was hat er denn?«
»Der Blinddarm«, erwiderte der Arzt, während er die Nummer der Rettungsleitzentrale wählte. »Ich hoff’ nur, daß es noch kein Durchbruch ist.«
»Ich pack’ rasch ein paar Sachen zusammen«, rief Maria.
Sie eilte wieder hinaus. Im Laufen rief sie ihrem Mann und der Tochter die Diagnose des Arztes zu. Andrea schlug entsetzt die Hand vor den Mund.
»Ich pack’ ihm das Nötigste ein«, erklärte ihre Mutter und verschwand im Gesindehaus.
Tobias Pahlhuber lag still in seinem Bett. Als die Bäuerin eintrat, hob er den Kopf.
»Ich will net ins Krankenhaus«, sagte er mit schwacher Stimme. »Wenn sie einen erstmal hineingebracht haben, dann kommt man net wieder hinaus!«
»Unsinn!« entgegnete Maria ärgerlich. »Da wird dir geholfen. Der Krankenwagen ist gleich da, und heut’ nachmittag komm’
ich mit der Andrea und besuch dich.«
Der Knecht wagte noch einen schwachen Protest, aber da stand Dr. Wiesinger schon wieder in der Tür und schüttelte tadelnd den Kopf. Offenbar hatte er gehört, was der Knecht befürchtete.
»Du mußt wirklich keine Angst haben, Tobias«, erklärte der Arzt dem Kranken. »Sollst mal seh’n, wie gut’s dir im Krankenhaus gefallen wird. Das ist fast ein bissel so wie Urlaub.«
»Urlaub!« grantelte Tobias erneut. »Ich hab’ mein Lebtag keinen Urlaub net gemacht!«
Plötzlich bäumte er sich auf, als eine Schmerzwelle seinen Körper durchfuhr. Dr. Wiesinger eilte an das Bett und hielt den Knecht fest.
»Net soviel bewegen«, mahnte er. »Sonst passiert’s wirklich noch, daß der Blinddarm platzt. Und das wär’ das letzte, was wir gebrauchen können.«
Er sah zum Fenster hinaus.
»Herrgott, wo bleibt denn der Krankenwagen?«