Die Biene Maja und ihre Abenteuer. Waldemar Bonsels

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Die Biene Maja und ihre Abenteuer - Waldemar Bonsels

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einmal im Stock vom Wächter gehört hatte, als eine Wespe sich dem Flugloch näherte.

      Die Libelle sagte drohend und langsam:

      „Die Libellen leben in bestem Einvernehmen mit dem Volk der Bienen.“

      „Sie tun auch gut daran“, sagte Maja rasch.

      „Meinen Sie etwa, ich hätte Furcht vor Ihnen, ich — vor Ihnen?“ fragte die Libelle. Sie ließ mit einem Ruck den Schilfhalm los, der in seine alte Lage zurückschnellte, und sauste mit einem klirrenden, blitzenden Flügelschlag bis dicht auf die Oberfläche des Wassers nieder. Es sah ganz herrlich aus, wie sie sich im See spiegelte, man glaubte zwei Libellen zu sehen, und beide bewegten ihre gläsernen Flügel so rasch und fein, dass es aussah, als fließe ein heller Silberschein um sie her. Es sah so herrlich aus, dass die kleine Maja ihren ganzen Verdruss um den armen Hans Christoph und jede Gefahr vergaß. Sie klatschte in die Hände und rief ganz begeistert:

      „Wie wunderschön. Wie wunderschön!“

      „Meinen Sie mich?“ fragte die Libelle ganz erstaunt. Aber dann fügte sie rasch hinzu: „Ja, ich kann mich sehen lassen, das ist wahr. Sie hätten die Begeisterung erleben sollen, in die gestern einige Menschen gerieten, die mich am Bach sahen, wo sie sich hingelegt hatten.“

      „Menschen?“ fragte Maja, „ach, Menschen haben Sie gesehen?“

      „Natürlich,“ sagte die Libelle, „aber es wird Sie zweifellos auf das lebhafteste interessieren, wie ich heiße, mein Name ist Schnuck, von der Familie der Netzflügler, im besonderen der Libellen.“

      „Ach, erzählen Sie von den Menschen“, bat Maja, nachdem sie ihren Namen genannt hatte.

      Die Libelle schien versöhnt. Sie setzte sich neben Maja auf das Blatt, und die kleine Biene ließ es zu. Sie wusste, dass Schnuck sich hüten würde, ihr zu nahe zu treten.

      „Haben die Menschen einen Stachel?“ fragte Maja.

      „Mein Gott,“ sagte Schnuck, „was sollten sie wohl damit anfangen. Nein, sie haben schlimmere Waffen gegen uns und sie sind uns sehr gefährlich. Es gibt niemand, der nicht Angst vor ihnen hätte, besonders vor den kleinen, bei denen man die beiden Beine deutlich unterscheiden kann. Diese heißen Knaben.“

      „Stellen sie Ihnen nach?“ fragte Maja, ganz atemlos vor Erregung.

      „Ja, ist Ihnen denn das nicht verständlich?“ fragte Schnuck mit einem Blick über ihre Flügel. „Ich bin nur selten einem Menschen begegnet, der nicht den Versuch gemacht hätte, mich zu greifen.“

      „Weshalb denn nur?“ fragte Maja ängstlich.

      „Wir haben eben etwas sehr Anziehendes“, sagte Schnuck mit einem bescheidenen Lächeln und sah schräg vor sich nieder. „Einen andern Grund weiß ich nicht. Es ist vorgekommen, dass Leute unserer Familie, die sich haben greifen lassen, die furchtbarsten Qualen und zuletzt den Tod haben erleiden müssen.“

      „Sind sie aufgefressen worden?“

      „Nein, nein,“ sagte Schnuck beruhigend, „das grade nicht. Soviel bekannt ist, nährt sich der Mensch nicht von Libellen. Aber im Menschen leben zuweilen Mordgelüste, die wohl ewig unaufgeklärt bleiben. Es mag Ihnen unglaublich erscheinen, aber in der Tat sind Fälle vorgekommen, in denen sogenannte Knabenmenschen Libellen gefangen haben und ihnen aus purem Vergnügen die Flügel oder die Beine ausgerissen haben. Sie zweifeln?“

      „Natürlich zweifle ich daran“, rief Maja entrüstet.

      Schnuck zuckte die glitzernden Achseln, ihr Gesicht sah ganz alt aus vor Erkenntnis.

      „Ach, wenn man einmal offen sein dürfte,“ sagte sie, ganz blass vor Traurigkeit, „ich hatte einen Bruder, er berechtigte zu den besten Hoffnungen, nur war er etwas leichtsinnig und leider sehr neugierig. Er fiel in die Hände eines Knaben, der ihm unversehens ein Netz überwarf, das an einer langen Stange befestigt war. Sagen Sie selbst, wer denkt an so was?“

      „Nein,“ antwortete die kleine Maja, „an so etwas habe ich niemals gedacht.“

      Die Libelle sah sie an.

      „Es ist ihm dann ein schwarzes Seil um die Brust gebunden worden, mitten zwischen seinen Flügeln, so dass er wohl auffliegen, aber niemals entrinnen konnte. Jedes Mal, wenn mein armer Bruder glaubte, seine Freiheit zurückgewonnen zu haben, sah er sich auf die grausamste Weise an jenem bereits erwähnten Seil wieder in das Bereich des Knaben zurückgezerrt.“

      Maja schüttelte nur den Kopf.

      „Man darf es sich gar nicht vorstellen“, flüsterte sie traurig.

      „Wenn ich einmal einen Tag nicht daran gedacht habe, so träume ich sicher davon“, fuhr Schnuck fort. „Es kam damals sehr viel zusammen. Schließlich starb mein Bruder.“ Schnuck seufzte tief auf.

      „Woran starb er?“ fragte Maja in aufrichtiger Teilnahme.

      Schnuck konnte nicht gleich antworten, große Tränen brachen aus ihren Augen und liefen langsam über die Wangen:

      „Er ist in die Tasche gesteckt worden,“ schluchzte sie, „das hält niemand aus ...“

      „Was ist das?“ fragte Maja ängstlich, die kaum in der Lage war, so viel Neues und Böses auf einmal zu verstehen und zu bewältigen.

      „Die Tasche“, erklärte ihr Schnuck, „ist eine Vorratskammer, die die Menschen in ihrem äußeren Fell haben. Aber was glauben Sie, das sonst noch darin war? O, in welch furchtbarer Gesellschaft musste mein armer Bruder seine letzten Atemzüge tun. Sie werden niemals darauf kommen!“

      „Nein,“ sagte Maja mit bebendem Atem, „ich werde es nicht ... vielleicht Honig?“

      „Nein, nein“, meinte Schnuck, sehr wichtig und sehr traurig zugleich. „Honig werden Sie selten in den Taschen der Menschen finden. Ich will Ihnen sagen, was darin war: es war ein Frosch, ein Taschenschwert und eine gelbe Rübe. Nun?“

      „Schaurig,“ flüsterte Maja, „was ist ein Taschenschwert?“

      „Es ist gewissermaßen der künstliche Stachel des Menschen. Da ihm die Natur diese Waffe versagt hat, sucht er sie nachzubilden. Der Frosch war gottlob bereits im Begriff, das Zeitliche zu segnen. Er hatte ein Auge verloren, ein Bein gebrochen und sein Unterkiefer war ausgerenkt. Aber sobald mein Bruder in der Tasche erschien, zischte der Frosch aus seinem schiefen Maul:

      ‚Wenn ich genesen bin, werde ich Sie unverzüglich verschlingen.‘ Dabei schielte er mit dem übrig gebliebenen Auge auf den bedauernswerten Ankömmling. Dieser Blick muss in der Dämmerung des Gefängnisses auf das furchtbarste gewirkt haben. Mein Bruder hat die Besinnung verloren, als er gleich darauf durch eine unerwartete Erschütterung so gegen den Frosch gepresst wurde, dass seine Flügel an dem kalten nassen Leib des Sterbenden kleben blieben. O, man kann keine Worte finden, um dies Elend in der treffendsten Weise zu kennzeichnen.“

      „Woher wissen Sie das alles?“ stotterte Maja aufs äußerste entsetzt.

      „Später warf der Knabe meinen Bruder und den Frosch fort, als er Hunger bekam und die Rübe suchte, um sie zu verzehren. Ich fand sie nebeneinander im Gras liegen, angelockt durch die Hilferufe meines Bruders. Aber ich kam nur noch zeitig genug, um alles zu hören und ihm die Augen zuzudrücken.

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