Die Memoiren des Sherlock Holmes. Arthur Conan Doyle

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Die Memoiren des Sherlock Holmes - Arthur Conan Doyle

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       Inhaltsverzeichnis

       Silberstern

       Das gelbe Gesicht

       Der Angestellte des Börsenmaklers

       Die »Gloria Scott«

       Das Musgrave-Ritual

       Die Junker von Reigate

       Der Verwachsene

       Der niedergelassene Patient

       Der griechische Dolmetscher

       Der Flottenvertrag

       Das letzte Problem

       Editorische Notiz

       Anmerkungen

      Impressum

      Covergestaltung: Steve Lippold

      Digitalisierung: Gunter Pirntke

      ISBN: 9783955012380

      2014 andersseitig.de

      andersseitig Verlag

      Dresden

      www.andersseitig.de

      [email protected]

      (mehr unter Impressum-Kontakt)

      »Ich fürchte, Watson, ich werde doch fahren müssen«, sagte Holmes, als wir eines Morgens zu unserem gemeinsamen Frühstück Platz nahmen.

      »Fahren! Wohin?«

      »Nach Dartmoor – nach King's Pyland.«

      Ich war nicht überrascht. Eigentlich wunderte es mich nur, daß er nicht schon längst in diesen außergewöhnlichen Fall verwickelt war, der in England landauf landab das Gesprächsthema bildete. Einen ganzen Tag lang war mein Gefährte mit auf die Brust gedrücktem Kinn und gerunzelter Stirn durchs Zimmer gestrichen, seine Pfeife wieder und wieder mit dem stärksten schwarzen Tabak stopfend und völlig taub für jede meiner Fragen oder Bemerkungen. Die neuesten Ausgaben sämtlicher Blätter waren von unserem Zeitungshändler heraufgeschickt worden, nur um überflogen und in eine Ecke geworfen zu werden. Aber so schweigsam er auch war, wußte ich doch ganz genau, worüber er brütete. Von den Problemen, die derzeit die Öffentlichkeit beschäftigten, gab es nur eines, das seine analytischen Fähigkeiten herausfordern konnte, und das war das eigenartige Verschwinden des Favoriten für den Wessex Cup und der tragische Mord an dessen Trainer. Als er daher plötzlich seine Absicht ankündigte, sich zum Schauplatz des Dramas zu verfügen, tat er damit nur, was ich sowohl erwartet als auch erhofft hatte.

      »Ich wäre überglücklich, Sie begleiten zu dürfen, wenn ich Ihnen nicht im Wege bin«, sagte ich.

      »Mein lieber Watson, Sie würden mir einen großen Gefallen erweisen, wenn Sie mitkämen. Und ich glaube, Sie werden Ihre Zeit nicht vergeuden, denn es gibt Umstände an diesem Fall, die ihn zu einem absolut einzigartigen zu machen versprechen. Ich denke, wir haben eben noch Zeit, in Paddington unseren Zug zu erreichen, und ich werde während der Reise ausführlicher auf die Angelegenheit eingehen. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie Ihren ausgezeichneten Feldstecher mitnähmen.«

      Und so geschah es, daß ich mich etwa eine Stunde später, auf dem Wege nach Exeter dahinfliegend, in der Ecke eines Erster-Klasse-Abteils befand, während Holmes, das scharfgeschnittene, gespannte Gesicht von seiner Reisemütze mit Ohrenklappen umrahmt, rasch das Bündel neuer Zeitungen durchblätterte, die er sich in Paddington besorgt hatte. Wir hatten Reading weit hinter uns gelassen, als er die letzte unter den Sitz schob und mir sein Zigarrenetui anbot.

      »Wir kommen gut voran«, sagte er, indem er aus dem Fenster sah und einen Blick auf seine Uhr warf. »Unsere Geschwindigkeit beträgt derzeit dreiundfünfzigeinhalb Meilen pro Stunde.«

      »Ich habe nicht auf die Viertelmeilen-Pfosten geachtet«, sagte ich.

      »Ich auch nicht. Aber die Telegraphenmasten auf dieser Strecke stehen im Abstand von sechzig Yards, und so ist die Rechnung einfach. Ich nehme an, Sie haben sich schon mit dem Mord an John Straker und dem Verschwinden von Silberstern beschäftigt?«

      »Ich habe gelesen, was der Telegraph und der Chronicle dazu zu sagen haben.«

      »Es handelt sich um einen jener Fälle, wo der Denkende seine Kunst eher daran wenden sollte, die Einzelheiten zu sichten, anstatt neues Beweismaterial zu beschaffen. Die Tragödie war so außergewöhnlich, so total und von solch persönlicher Bedeutung für so viele Leute, daß wir an einer Überfülle von Vermutungen, Annahmen und Hypothesen leiden. Die Schwierigkeit besteht darin, den Rahmen der Tatsachen – der absoluten, unleugbaren Tatsachen – von den Ausschmückungen der Theoretiker und Berichterstatter zu trennen. Stehen wir erst einmal auf dieser soliden Grundlage, so ist es unsere Aufgabe, festzustellen, welche Schlüsse sich ziehen lassen und welches die Besonderheiten sind, von denen das ganze Rätsel abhängt. Dienstag abend erhielt ich sowohl von Colonel Ross, dem Besitzer des Pferdes, als auch von Inspektor Gregory, der sich mit dem Fall befaßt, Telegramme, in denen ich um meine Mitarbeit gebeten wurde.«

      »Dienstag abend!« rief ich aus. »Und jetzt haben wir Donnerstag vormittag. Warum sind Sie nicht schon gestern hingefahren?«

      »Weil ich einen Schnitzer gemacht habe, mein lieber Watson – was, wie ich fürchte, häufiger vorkommt, als jemand annehmen würde, der mich nur durch Ihre Memoiren kennt. Tatsache ist, daß ich es einfach nicht für möglich hielt, daß das bemerkenswerteste Pferd Englands lange verborgen bleiben könnte, zumal in einer so spärlich besiedelten Gegend wie dem nördlichen Dartmoor. Gestern rechnete ich Stunde um Stunde mit der Nachricht, es sei gefunden worden und sein Entführer sei der Mörder von John Straker. Als aber ein weiterer Morgen angebrochen war und ich feststellte, daß man außer der Verhaftung des jungen Fitzroy Simpson nichts erreicht hatte, bekam ich das Gefühl, es sei an der Zeit für mich, tätig zu werden. Und doch habe ich in mancherlei Hinsicht das Gefühl, der gestrige Tag war nicht vergeudet.«

      »Also haben Sie eine Theorie aufgestellt?«

      »Zumindest habe ich die wesentlichen Tatsachen des Falles im Griff. Ich werde Sie Ihnen aufzählen, denn nichts erhellt einen Fall so sehr, als wenn man ihn jemand anderem darlegt, und ich kann kaum mit Ihrer Mitarbeit

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