Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
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»Bixiou, du bist großartig!« schrie Blondet. »Was sagt Finot?«
»An anderm Ort«, erwiderte Finot mit Würde, »wäre ich einer Meinung mit den Gentlemen; hier jedoch denke ich …«
»Ebenso wie die schlechten Subjekte, in deren Gesellschaft ich mich befinde,« entgegnete Bixiou. »Wahrhaftig ja,« sagte Finot. »Und du?« wandte sich Bixiou an Couture. »Dummheiten!« rief Couture. »Eine Frau, die ihren Körper nicht zum Sprungbrett macht, um den Mann, den sie auszeichnet, emporkommen zu lassen, ist eine herzlose, selbstsüchtige Frau.«
»Und du, Blondet?«
»Ich, ich erprobe die Sache praktisch.«
»Nun,« fuhr Bixiou mit boshafter Stimme fort, »Rastignac war nicht eurer Ansicht. Nehmen und nicht wiedergeben ist schrecklich und sogar leichtsinnig; aber nehmen, um sich das Recht zu erwirken, göttlich, hundertfach zurückzugeben – das ist eine ritterliche Tat! So dachte Rastignac. Rastignac fühlte sich tief gedemütigt, daß er von Delphine von Nucingen Geld annehmen mußte, ich weiß davon zu reden, ich sah, wie er mit Tränen in den Augen diesen Zustand beklagte. Ja, er weinte in der Tat … nach Tisch! Na, nach unserer Ansicht …«
»Höre mal, du machst dich über uns lustig,« sagte Finot. »Keine Spur. Es handelt sich um Rastignac, dessen Kummer nach eurer Ansicht ein Beweis seiner Verdorbenheit ist; denn damals liebte er Delphine viel weniger. Aber was ist da zu machen! Der arme Junge hatte dieses Schwert im Herzen. Er ist eben ein entarteter Edelmann, seht ihr, und wir sind tugendsame Künstler. Also, Rastignac wollte Delphine bereichern – er, der Arme, sie, die Reiche! Wollt ihr es glauben? Er ist ans Ziel gekommen. Rastignac, der sich geschlagen hätte wie ein Jarnac, machte sich von nun an den Ausspruch Heinrichs II. zu eigen: ›Es gibt keine absolute Tugend, nur Gelegenheiten und Umstände.‹ Damit legte er den Grundstein zu seinem Reichtum.«
»Du solltest lieber mit deiner Geschichte beginnen, anstatt uns zur Selbstanklage zu verleiten,« sagte Blondet mit liebenswürdiger Gutmütigkeit. »Ah, mein Kleiner,« sagte Bixiou und gab ihm einen wohlwollenden Klaps auf den Hinterkopf, »du wirst dich beim Champagner wiederfinden.«
»Bei Seiner Heiligkeit dem Aktionär,« sagte Couture, »erzähle uns deine Geschichte!«
»Ich war gerade an einem Knoten,« gab Bixiou zurück, »aber mit deinem Fluch gibst du mir die Auflösung.«
»Es gibt also Aktionäre bei der Geschichte?« fragte Finot. »Steinreiche, so wie deiner,« erwiderte Bixiou. »Es scheint mir,« sagte Finot, »daß du einem guten Kinde, bei dem du gelegentlich eine Fünfhundertfrankennote findest, Rücksichten schuldig bist …«
»Kellner!« rief Bixiou. »Was willst du von ihm?« fragte ihn Blondet. »Fünfhundert Franken für Finot, um meine Zunge zu lösen und mich von der Verpflichtung der Dankbarkeit zu entbinden.«
»Erzähle deine Geschichte!« erwiderte Finot lachend. »Ihr seid Zeugen,« sagte Bixiou, »daß ich nichts mit diesem Unverschämten zu tun habe, der da glaubt, mein Schweigen sei nicht mehr als fünfhundert Franken wert! Wenn du die Gewissen nicht besser einzuschätzen weißt, wirst du niemals Minister werden. Also gut!« sagte er mit schmunzelnder Stimme, »mein lieber Finot, ich werde die Geschichte erzählen, ohne Namen zu nennen, und wir sind quitt.«
»Er wird uns beweisen,« sagte Couture lächelnd, »daß Nucingen den Rastignac reich gemacht hat.«
»Du bist gar nicht so weit vom Schuß, als du denkst,« erwiderte Bixiou. »Ihr wißt nicht, was Nucingen als Geldmann ist.«
»Nur weißt du wohl leider nicht das geringste über sein erstes Auftreten?« fragte Blondet. »Ich habe ihn allerdings nur in seinem eigenen Hause gesehen,« sagte Bixiou; »aber es ist ja nicht unmöglich, daß wir einander früher einmal über den Weg gelaufen sind.«
»Das Aufblühen des Hauses Nucingen ist eins der größten Wunder unserer Zelt,« bemerkte Blondet. »Im Jahre 1804 war Nucingen wenig bekannt, die Banken von damals hätten gezittert, hunderttausend Taler seiner Akzepte am Platze zu wissen. Aber der große Geldmann war sich seiner Minderwertigkeit bewußt. Wie sich bekannt machen? Er stellt seine Zahlungen ein. Schön! Sein bisher nur in Straßburg und im Quartier Poissonnière bekannter Name ertönt allerorten! Er entschädigt seine Leute mit leeren Worten und nimmt seine Zahlungen wieder auf: alsbald gehen seine Papiere in ganz Frankreich. Durch einen unerhörten Zufall steigen die Papiere, finden Anklang und Absatz. Nucingens sind sehr gesucht. Das Jahr 1815 kommt, der Mann rafft seine Gelder zusammen, kauft vor der Schlacht bei Waterloo Staatspapiere, stellt im Moment der Krise seine Zahlungen ein und liquidiert mit Wortschiner Minenaktien, die er sich zwanzig Prozent unter dem Wert beschafft hatte, zu dem er selbst sie emittierte! Ja, meine Herren, er kauft bei Grandet hundertfünfzigtausend Flaschen Champagner, um sich zu decken, denn er sah den Fall dieses ehrsamen Vaters des bekannten Grafen d’Aubrion voraus, und ebensoviel Flaschen Bordeauxwein bei Duberghe. Die dreihunderttausend Flaschen, zu dreißig Sous das Stück gekauft, gibt er den Verbündeten von 1817 bis 1819 im Palais Royal zu trinken – zu sechs Franken die Flasche. Die Papiere des Hauses Nucingen und sein Name bekommen europäischen Ruf. Dieser allmächtige Baron hat sich über den Abgrund erhoben, in dem jeder andere zugrunde gegangen wäre. Zweimal brachte seine Liquidation seinen Gläubigern unerhörte Vorteile; er wollte sie umbringen – unmöglich! Er gilt als der ehrenhafteste Mann von der Welt. Bei der dritten Zahlungseinstellung werden die Papiere des Hauses Nucingen sogar in Asien, in Mexiko, in Australien, ja bei den Wilden gehen. Ouvrard ist der einzige, der diesen Elsässer, den Sohn eines aus Strebertum getauften Juden, durchschaut hat: ›Wenn Nucingen