Als der Bär am Zelt anklopfte. Florian Prüller

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Als der Bär am Zelt anklopfte - Florian Prüller

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      Wer kann bei diesem Zeltplatz widerstehen? Irgendwo an der einsamen Straße zwischen Grindavik und þorlákshöfn.

      Eigentlich wollen wir am ersten Tag noch etwas länger fahren, doch nach 50 Kilometern kommt uns ein traumhafter See dazwischen. Sofort sind wir uns einig, hier unmöglich vorbeiziehen zu können. Im goldenen Licht des Spätnachmittags errichten wir unser Camp, kochen Kaffee und fühlen uns so richtig wohl. Florian begibt sich unfreiwillig in feindliches Terrain, als er die geschäftigen Seeschwalben auf Futtersuche fotografiert. Diese sonst harmlosen Tiere fliegen nämlich Scheinangriffe, um den Feind (in diesem Fall meinen Mann) zu verängstigen. Immer wieder zischen sie im Sturzflug bis knapp über Flos Kopf hinunter, sind dann aber klug genug, um im letzten Moment nervös abzubiegen. Während unserer zwei Wochen auf Island passiert uns dies auch während des Fahrens sehr häufig – zuerst werden wir zugegebenermaßen von diesen kleinen Kreaturen beinahe verängstigt, bis wir im Reiseführer lesen, dass die Schwalben tatsächliche Angriffe vermeiden. Plötzlich sind wir wieder die tapferen Helden, die sich ihrer Überlegenheit vollends bewusst sind!

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      Hochlandpiste Kjölur, zehn Uhr abends. Ein Blick auf die Karte bestätigt: Keine Ahnung, wo wir sind.

ALLES GUT! 16. Juli 2012, 21:55 Uhr

      Klara: Es hat ein paar Anläufe gedauert, aber spätestens nach dem ersten selbstgebrühten Kaffee und den ersten Tritten in die – diesmal von mir angeschraubten Pedale – ist es so weit. Die schlechte Stimmung weicht der Gewissheit: Die Entscheidung war die richtige und auch die Wahl des Partners zum Glück doch nicht ganz so falsch. Island holt uns mit seiner vulkanischen Landschaft, den Geysiren und dem sommerlichen Willkommenswetter ab und bereitet uns verspätet einen großartigen Start. Zufrieden bauen wir unser Zelt am Ufer des kleinen Sees auf. Florian ergibt sich der Müdigkeit und starrt ins Narrenkastl, während ich ebenfalls in die Luft schaue und dazwischen die zur Hochzeit geschenkte Mundharmonika ausprobiere. So lässt sich’s leben!

      ZWEI CHAOTEN AUF DIREKTEM WEG GEN HOHEN NORDEN

      Klara: Jeder uns am Weg entgegenkommende Tourist erstrahlt in einer, für Island wohl eher untypischen, Sonnenbräune und erzählt in unterschiedlichen Varianten die gleiche Botschaft: „Die letzten zwei Wochen hatten wir Traumwetter. Kein Regen, keine Kälte, nur Sonnenschein und Sommerstimmung!“ Auch wir wähnen uns schon glücklich – aber halt: Ab dem dritten Tag ist die anfängliche Schönwetterphase eindeutig vorbei! Bei dunklen Gewitterwolken erwachen wir auf unserem Campingplatz, einem riesigen schwarzen Lavafeld direkt am jadefarbenen Atlantik. Mit Hilfe des Rückenwinds versuchen wir den Wolken ein Schnippchen zu schlagen und schaffen es tatsächlich auf die Minute genau – vor Einsetzen des Starkregens –, einen Unterschlupf in Form eines kleinen Cafés in þorlákshöfn zu erreichen. Hier wollen wir das Ende des Regens abwarten und erst dann wieder weiterfahren. Diesen Plan können wir uns leider bald abschminken, denn hier gibt es nichts abzuwarten, weil es schlichtweg in den nächsten zwei Wochen kaum ein Ende des strömenden Regens geben wird. Also fahren wir entlang unzähliger Pferdehöfe und Seen weiter Richtung Laugarvatn und verbringen am dortigen Campingplatz eine Nacht, bevor wir im strömenden Regen zu einer der Hauptattraktionen Islands, dem Geysir, fahren. Der heißt wirklich genau so und ist damit jenes dampfende Naturschauspiel, das allen anderen dieser Erde den Namen verlieh – sozusagen der Urgeysir. Aus der Ferne verraten übrigens nicht die dampfenden Eruptionen seinen Standort, sondern die unzähligen Reisebusse, die Scharen von Touristen zu dieser Sehenswürdigkeit karren.

      Nachdem wir auch den Gullfoss, einen riesigen Wasserfall, umgeben von sattgrünen Wiesen, begutachtet haben, bekommen wir langsam etwas Lust auf Abenteuer. Die Landstraße zum Wasserfall wurde für die Touristen perfekt asphaltiert, nun mündet sie aber in eine ruppige Schotterpiste, von der wir wissen, dass sie übers Hochland gen Norden führt. Dort trifft sie wieder auf die berühmte Ringstraße, die die Insel entlang der Küste umrundet. Unter dem vor Dauerregen schützenden Vordach einer Info-Hütte kochen wir fröstelnd einen Kaffee nach dem anderen und beobachten dabei fasziniert die triefenden und schmutzig – aber zufrieden – aussehenden Tourenradler, die die Straße immer wieder auszuspucken scheint. Wir wollten eigentlich in Ruhe unsere Reise starten und eher eine gemütliche Strecke auf einfachen Straßen fahren, doch nun überkommt uns beide ein kribbeliges Gefühl, und ohne lange zu diskutieren, radeln wir am späten Nachmittag geradewegs in die Hochlandpiste Kjölur hinein. Falls man dies noch als Radeln bezeichnen kann, denn eine so schlechte Piste haben wir noch nie erlebt. Der ohnehin schon schwierig befahrbare, wellblechartige Untergrund, aus dem diese Straße besteht, verschlechtert sich von Zeit zu Zeit auch noch durch pflastersteingroße Felsbrocken und Schlaglöcher. Weil es auch noch meist bergauf geht, haben wir alle Hände voll zu tun, bei all den Ausweichmanövern nicht auch noch das Gleichgewicht zu verlieren. Für mich ist das koordinativ, aber auch konditionell eine ganz schöne Herausforderung. Landschaftlich entspricht die Hochlandroute auf jeden Fall meinen Träumen: Wir befinden uns im Nichts. Lavafelder und Gebirgszüge so weit das Auge reicht, ab und an ein wilder Fluss. Regen, Wind, Wolken und wir. Leben pur!

      Wir sind größtenteils abgeschieden von Versorgungsmöglichkeiten und erleben genau das Abenteuer (oder vielleicht noch mehr), das wir uns so sehr gewünscht hatten.

      ALS WIR UNSERE LEKTION LERNTEN

      Flo: Okay. Wir haben es anscheinend etwas übertrieben – alle Anzeichen sprechen dafür, auch wenn wir diese im derzeitigen Zustand nicht mehr richtig deuten können: Klaras Sinne sind nicht mehr fähig einzuordnen, ob sie sich auf oder neben der Piste befindet, während mir nicht mehr auffällt, dass ich gleichzeitig bremse und in die Pedale trete. Im trüben Licht der Mitternachtssonne streunen wir über das isländische Hochland, um die rettenden heißen Quellen des einzigen Camps weit und breit, Hveravellir, und vor allem das dringend benötigte Trinkwasser zu erreichen. In die missliche Lage haben wir uns wieder mal höchstpersönlich manövriert, da wir als vermeintliche Radreiseprofis keine genaue Routenplanung vorgenommen hatten (sehr schlau, ich weiß). „Schließlich sind wir sowieso nur zwei Wochen hier, was soll da schon großartig passieren?“, dachten wir hochnäsig. So fahren wir also von Abenteuerlust getrieben ein Stückchen in die Kjölur hinein, um zu schauen, wie so eine isländische Hochlandpiste aussieht. Mit ein bisschen weniger Luft in den Reifen, um etwas mehr Dämpfung zu erzeugen, so reden wir uns ein, würde das schon gehen – ein Stückchen zumindest und dann könnten wir ja jederzeit auch wieder umdrehen. So ignorieren wir unsere mickrigen Essensvorräte und die Tatsache, keine Ahnung über die Trinkwasserversorgung entlang der Route zu haben.

      „Schön ist es hier schon“, stellen wir nach den ersten Kilometern steil bergauf und bei Nieselregen fest und negieren unsere Zweifel. Als wir zwei anderen Radfahrern begegnen, fragen wir sie etwas blauäugig, ob es auf dem Weg etwas zu essen gäbe und sich die Strecke tatsächlich lohnen würde. Die beiden sehen uns kritisch-irritiert an, doch davon lassen wir uns nicht einschüchtern. Das angepriesene Café, einige Kilometer entfernt, verleiht uns zusätzlichen Elan, zumindest psychisch. Denn rein aus physikalischen Gründen entspricht ein Tempo von 7 km/h hier schon fast Lichtgeschwindigkeit – und zwar bergauf und bergab (!). Schließlich ist die rutschige Wellblechpiste teilweise mit kopfgroßen Steinen und unzähligen Schlaglöchern ausgestattet.

      Das Café, ein besonders niedliches aus weißen Holzlatten, gibt es zum Glück tatsächlich. Eine Oase inmitten wilder Natur, umgeben von reißenden Bächen, weiten Ebenen und den mächtigen Felsen des Langjökulls und des Hofsjökulls, zwei Bergmassive, deren Gletscher milchig graue Seen speisen. Und das Beste am Café: Wir erleben unsere fünf Minuten Ruhm! Wir fühlen uns wie Helden – zumindest für einen kurzen Moment. Dann nämlich,

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