Die Tote vom Dublin Port. Mara Laue

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Die Tote vom Dublin Port - Mara Laue BritCrime

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gewesen, dass sie das Leben nicht mehr ertragen hatte?

      Russel fiel es wie dem Rest seiner Familie sehr schwer, den Verlust zu verkraften. Declan, schon damals sein bester Freund, war ihm eine große Hilfe gewesen. Russel konnte die Nächte nicht zählen, die er bei den Walshs geschlafen hatte, weil Vater und Schwester mit ihrer eigenen Trauer beschäftigt waren und keine Kraft hatten, Russel ausreichend zu trösten.

      Hätte ihn jemand gefragt, er hätte überzeugend behauptet, über den Verlust hinweg zu sein. Schließlich war er ein erwachsener Mann von neunundzwanzig und kein halbverwaister Zehnjähriger mehr, dessen Welt komplett zusammengebrochen war. Aber der Tod seiner Mutter hatte eine tiefe Narbe in ihm hinterlassen. Declans unerschütterliche Freundschaft hatte geholfen, die Wunde zu schließen. Aber erst Aislyns Liebe und seine zu ihr glätteten auch die Narbe, erzeugten aber gleichzeitig eine tiefe Furcht, die er in den hintersten Winkel seines Bewusstseins verbannte: die Furcht, dass sie ihn verlassen könnte. Egal auf welche Weise.

      Sein Vater drückte ihn und Cait noch einmal fest an sich, das stumme Zeichen, dass die alljährliche Trauerzeremonie vorüber war. Er ließ seine Kinder los, warf wie immer dem Grabstein einen Luftkuss zu und sprach einen kurzen Segen auf Gälisch, ehe er sich vom Grab abwandte. Er legte Russel die Hand auf die Schulter, während sie zum Parkplatz gingen.

      »Wie geht es dir, Sohn?«

      »Wie immer, Dad.« Was Russel, wie sein Vater wusste, auf diesen Moment bezog, nicht auf den Rest seines Lebens.

      Cait hakte sich an der anderen Seite bei ihm unter. »Und wann dürfen wir dich zum Traualter schleifen? Führen, meine ich.«

      Russel grinste flüchtig. »Sobald Aislyn Ja sagt.«

      Cait fletschte die Zähne und knurrte. »Ich werde sie mit vorgehaltener Pistole noch heute dazu zwingen.«

      Russel schüttelte den Kopf. »Das funktioniert nicht. Sie wird zustimmen, sobald sie soweit ist.«

      Sein Vater sah ihn ernst an. »Was mich zu der Frage bringt, ob du überhaupt in der Lage bist, Frau und Kinder zu ernähren.«

      Russel verdrehte die Augen und seufzte. »Dad, wir leben in modernen Zeiten, in denen die Frauen ihr eigenes Geld verdienen und keinen Mann brauchen, durch den sie versorgt sind.«

      »Amen!«, stimme Cait ihm nachdrücklich zu und strafte ihren Vater mit einem missbilligenden Blick.

      »Aber ja«, bestätigte Russel, »sollte es hart auf hart kommen, reicht mein Verdienst als Musiker und Privatermittler aus, um uns beide und die künftigen Kinder sorgenfrei über die Runden zu bringen.« Er sah auf die Uhr. »Weshalb ich mich sputen sollte, denn ich habe in einer knappen Stunde ein Treffen mit potenziellen neuen Klienten.«

      »Kommst du Sonntag mal wieder zum Essen?«, lud sein Vater ihn ein. »Ich mache uns Rabbit Stew. Aislyn ist natürlich auch eingeladen.«

      »Ich werde sie fragen. Und ja, ich komme gern. Mit ihr oder ohne sie. Sie hat Montag ein Vorspielen und will noch viel üben.«

      Sie hatten den Parkplatz erreicht und verabschiedeten sich mit der üblichen Umarmung.

      »Halt die Ohren steif, kleiner Bruder«, wünschte Cait, ehe sie ins Auto stieg. Sein Vater nickte ihm noch einmal zu und hob grüßend die Hand, bevor er ebenfalls einstieg.

      Russel setzte sich in seinen Wagen und fuhr los, froh, für dieses Jahr die quälende Warum-Frage abhaken zu können.

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      Die Uhr zeigte halb zehn, als er zu Hause ankam. Er parkte den Wagen vor der Garage, denn er würde ihn wahrscheinlich heute noch einmal brauchen. Ein Blick im Vorbeigehen in den Spiegel im Flur zeigte ihm, dass er präsentabel aussah und sich nicht umziehen musste. Deshalb ging er hinüber in sein winziges Büro, ein kleines Zimmer, das seine Großeltern als Vorratsraum genutzt hatten. Früher war es mit Regalen vollgestellt gewesen, in denen sich Konserven, verschlussdichte Dosen mit verschiedenem Inhalt, kiloweise Tee und zig Gläser mit Großmutters selbstgemachter Marmelade dicht an dicht gereiht hatten.

      Er hatte die Regale entfernt und zwei Schreibtische im rechten Winkel hineingestellt. Auf einem standen sein Computer, der Drucker, das Festnetztelefon und der Kopierer. Vor den anderen hatte er zwei Besucherstühle gestellt. Fünf mit modernsten Safeschlössern versehene Hängeregisterschränke täuschten vor, dass Privatermittler Russel O’Leary gut zu tun hatte, denn nur er wusste, dass alle leer waren und nur im ersten gerade mal hundertfünf Akten aus vier Jahren hingen. Gesetzesbücher und andere juristische Fachliteratur im Regal daneben sollten Seriosität demonstrieren. Auf die legte er großen Wert, denn ein Detektiv, der sich nicht an die Gesetze hielt, bekam sehr schnell einen schlechten Ruf und keine Aufträge mehr. Deshalb hatte er diese Bücher auch gelesen. Wenn er sich mal in einem Punkt nicht sicher war, konnte er immer noch Declan um Rat fragen. Eine Reihe von Fachbüchern über verschiedene Formen von Wirtschaftskriminalität, Bankwesen und andere Gebiete vervollständigten die Sammlung.

      Russel setzte sich an den Computer, um die Songtexte zu tippen, die als Booklet der neuen CD beigefügt werden sollten, während er auf das Eintreffen seiner neuen Klienten wartete, die um zehn Uhr kommen wollten. Ihre Pünktlichkeit oder Verspätung würde ihm vorab einen Hinweis geben, wie wichtig ihnen die Angelegenheit war, über die Mrs Rafferty am Telefon nicht hatte sprechen wollen, als sie gestern den Termin vereinbart hatte. Doch wenn sie und ihr Mann kamen, sähe es unprofessionell aus, wenn Russel nur am Schreibtisch säße und die Zeitung las.

      Die Türklingel läutete, kaum dass er den Computer hochgefahren hatte: zwanzig Minuten vor zehn. Russel ging zur Tür. Als er sie öffnete, sah er sich einem Ehepaar mittleren Alters gegenüber, das sichtlich besorgt und verzweifelt wirkte.

      »Mrs und Mr Rafferty?«, vergewisserte er sich.

      Beide nickten.

      »Bitte, treten Sie ein. Gleich hier die Tür links, bitte.«

      Die Raffertys gingen ins Arbeitszimmer und sahen sich um wie bisher alle Klienten. Und wie bei allen ihren Vorgängern verfehlten die Accessoires nicht ihre Wirkung, denn zumindest Mr Raffertys Gesichtsausdruck wandelte sich von Besorgnis zu moderater Zuversicht.

      »Nehmen Sie Platz.« Russel deutete auf die Stühle. »Kann ich Ihnen etwas anbieten? Tee, Orangensaft, Mineralwasser? Oder Kaffee? Etwas Stärkeres?«

      Mr Rafferty nickte. »Ein Whiskey wäre nicht schlecht.«

      »Bren!«, rügte seine Frau. »Um diese Zeit?«

      Russel lächelte. »Irish Coffee?«, bot er an.

      »Das wäre wundervoll«, stimmte Bren Rafferty zu, und seine Frau nickte zögernd.

      »Entschuldigen Sie mich einen Moment.«

      Russel ging in die Küche, um zwei Portionen des Getränks zuzubereiten, was den Raffertys Gelegenheit gab, sich genauer umzusehen und zu dem Schluss zu kommen, mit ihm eine gute Wahl getroffen zu haben. Nicht nur um des guten Eindrucks willen gab er sich besondere Mühe mit dem Irish Coffee und servierte ihn gekonnt wie ein Kellner. Als der er sich auch schon mal versucht hatte und deshalb das Metier beherrschte.

      Anschließend setzte er sich wieder hinter den Schreibtisch, nahm einen Notizblock und einen Stift zur Hand und blickte die beiden auffordernd an. »Was kann ich für Sie tun?«

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