David Copperfield. Charles Dickens

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David Copperfield - Charles Dickens Klassiker bei Null Papier

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an zu wei­nen und sag­te, man hät­te sie doch wohl auch zu Rate zie­hen kön­nen.

      »Kla­ra«, sag­te Mr. Murd­sto­ne streng, »Kla­ra, ich bin er­staunt über dich!«

      »Du hast gut von er­staunt sein spre­chen, Ed­ward«, rief mei­ne Mut­ter, »und von Fes­tig­keit, aber das wür­dest du dir auch nicht ge­fal­len las­sen.«

      Fes­tig­keit, muss ich be­mer­ken, war die große Ei­gen­schaft, auf der bei­de, Mr. und Miss Murd­sto­ne, fuß­ten. Ich weiß nicht, wel­chen Na­men ich da­mals da­für ge­wählt hät­te, aber ich be­griff ge­nau, dass es nur eine an­de­re Be­zeich­nung für Ty­ran­nei war und für eine ge­wis­se fins­te­re, an­ma­ßen­de, teuf­li­sche Lau­ne, die in den bei­den steck­te. Das Glau­bens­be­kennt­nis, wür­de ich jetzt mich aus­drücken, Mr. Murd­sto­nes lau­te­te: Ich bin fest, nie­mand soll in der Welt so fest sein wie ich, nie­mand über­haupt fest, und al­les soll sich vor mei­ner Fes­tig­keit beu­gen. Miss Murd­sto­ne war die eine Aus­nah­me. Sie durf­te fest sein, aber nur aus ver­wandt­schaft­li­chen Rück­sich­ten und in ei­nem un­ter­ge­ord­ne­ten und tri­but­pflich­ti­gen Grad. Mei­ne Mut­ter war die zwei­te Aus­nah­me. Sie konn­te und durf­te fest sein und muss­te es, aber nur im Er­tra­gen der Fes­tig­keit der bei­den an­de­ren.

      »Es ist sehr hart«, sag­te mei­ne Mut­ter, »dass ich in mei­nem eig­nen Haus –«

      »In mei­nem eig­nen Hau­se?!« wie­der­hol­te Mr. Murd­sto­ne. »Kla­ra!«

      »Un­serm eig­nen Hau­se, mei­ne ich«, stot­ter­te mei­ne Mut­ter ganz er­schro­cken, – »ich hof­fe, du weißt, was ich mei­ne, Ed­ward, es ist sehr hart, dass ich in dei­nem eig­nen Hau­se nicht ein Wort über häus­li­che An­ge­le­gen­hei­ten sa­gen darf. Ich habe si­cher sehr gut haus­ge­hal­ten, ehe wir hei­ra­te­ten. Ich habe Be­wei­se«, setz­te sie schluch­zend hin­zu. »Frag nur Peg­got­ty, ob es nicht recht gut ging, als man mir nicht drein­re­de­te.«

      »Ed­ward«, sag­te Miss Murd­sto­ne, »ma­chen wir der Sa­che ein Ende. Ich rei­se mor­gen ab!«

      »Jane Murd­sto­ne!« don­ner­te Mr. Murd­sto­ne, »wirst du schwei­gen! Was un­ter­stehst du dich!«

      Miss Murd­sto­ne zog ihr Ta­schen­tuch aus dem Ker­ker und hielt es vor die Au­gen.

      »Kla­ra«, fuhr er fort, »du set­zest mich in Er­stau­nen! Ja. Ich fand Be­frie­di­gung in dem Ge­dan­ken, eine un­er­fah­re­ne und harm­lo­se Per­son zu hei­ra­ten und ih­ren Cha­rak­ter zu bil­den und ihr et­was von der Fes­tig­keit und Ent­schie­den­heit zu ge­ben, die ihr feh­len. Aber wenn Jane Murd­sto­ne so gü­tig ist, mir dar­in bei­zu­ste­hen, und mei­net­we­gen eine Stel­lung gleich der ei­ner Haus­häl­te­rin über­nimmt und da­für so schlech­ten Dank ern­tet –«

      »O bit­te, bit­te, Ed­ward!« rief mei­ne Mut­ter. »Sag nicht, dass ich un­dank­bar bin. Ich bin si­cher nicht un­dank­bar, das hat mir noch nie­mand ge­sagt. Ich habe vie­le Feh­ler, aber nicht die­sen. Bit­te, sage das nicht, Lieb­ling!«

      »Wenn Jane Murd­sto­ne, sage ich«, fuhr er fort, nach­dem er mei­ne Mut­ter hat­te aus­re­den las­sen, »da­für Un­dank ern­tet, so füh­le ich mei­ne Ge­füh­le er­kal­ten.«

      »Lieb­ling, bit­te, sag das nicht«, fleh­te mei­ne Mut­ter kläg­lich. »O bit­te, Ed­ward, ich kann das nicht er­tra­gen. Wie ich auch im­mer sein mag, ich bin nach­gie­big und dank­bar. Ich weiß, ich bin es, bin nach­gie­big und dank­bar. Ich wür­de es nicht sa­gen, wenn ich es nicht ge­wiss wüss­te. Frag nur Peg­got­ty. Sie wird es ge­wiss be­stä­ti­gen.«

      »Blo­ße Schwä­che fällt bei mir nicht ins Ge­wicht, Kla­ra«, ent­geg­ne­te er. »Du ver­schwen­dest nur dei­ne Wor­te.«

      »Komm, lass uns wie­der gut sein«, sag­te mei­ne Mut­ter. »Ich könn­te nicht le­ben in Käl­te und Un­freund­lich­keit um mich her­um. Es tut mir so herz­lich leid. Ich habe sehr vie­le Feh­ler, ich weiß, und es ist sehr gut von dir, Ed­ward, dass du mit dei­nem star­ken Cha­rak­ter dir Mühe gibst, mich zu bes­sern. Jane, ich will dir nicht mehr wi­der­spre­chen. Es wür­de mir das Herz bre­chen, wenn du nur dar­an däch­test, uns zu ver­las­sen –« mei­ne Mut­ter konn­te nicht wei­ter­spre­chen vor lau­ter Rüh­rung.

      »Jane Murd­sto­ne«, sag­te Mr. Murd­sto­ne zu sei­ner Schwes­ter, »har­te Wor­te sind zwi­schen uns sel­ten. Es ist nicht mei­ne Schuld, dass heut abend ein so un­ge­wöhn­li­ches Er­eig­nis statt­ge­fun­den hat. Ich wur­de von je­mand an­ders dazu ge­bracht. Aber es ist auch nicht dei­ne Schuld, auch dich hat je­mand in eine schie­fe Lage ge­bracht. Wir wol­len bei­de trach­ten, es zu ver­ges­sen. Und da dies«, füg­te er nach die­sen groß­mü­ti­gen Wor­ten hin­zu, »kein pas­sen­des Bild ist für den Kna­ben, so geh zu Bett, Da­vid.«

      Ich konn­te kaum die Türe fin­den, so voll Trä­nen stan­den mei­ne Au­gen. Ich fühl­te mei­ner Mut­ter Schmerz so tief mit; ich schlich hin­aus und tapp­te im Dun­keln die Trep­pe hin­auf in mein Zim­mer, ohne nur das Herz zu ha­ben, Peg­got­ty gute Nacht zu sa­gen oder mir eine Ker­ze von ihr ge­ben zu las­sen. Als sie viel­leicht eine Stun­de spä­ter nach mir sah, wach­te ich auf, und sie sag­te mir, mei­ne Mut­ter sei sehr be­trübt zu Bett ge­gan­gen, und Mr. und Miss Murd­sto­ne sä­ßen noch un­ten al­lein.

      Am nächs­ten Mor­gen ging ich et­was frü­her als ge­wöhn­lich hin­un­ter und hör­te, wie drin­nen mei­ne Mut­ter Miss Murd­sto­ne de­mü­tigst um Ver­zei­hung bat. Die Dame ver­zieh ihr, und es fand eine voll­stän­di­ge Aussöh­nung statt. Nie wie­der spä­ter hör­te ich mei­ne Mut­ter über ir­gen­det­was eine Mei­nung äu­ßern, ehe sie sich nicht zu­vor an Miss Murd­sto­ne ge­wen­det oder in sich­re Er­fah­rung ge­bracht hat­te, was ihre An­sicht sei; und nie wie­der sah ich Miss Murd­sto­ne in üb­ler Lau­ne nach dem Beu­tel grei­fen, als ob sie die Schlüs­sel her­aus­neh­men und sie mei­ner Mut­ter zu­rück­ge­ben woll­te, ohne dass die­se nicht in die schreck­lichs­te Angst ge­ra­ten wäre.

      Das dunkle Blut, das in den Adern der Murd­sto­nes floss, gab auch ih­rer Re­li­gi­on et­was Fins­te­res und Stren­ges. Ich habe seit­dem oft dar­über nach­ge­dacht, ob die­se Ei­gen­schaft nicht eine not­wen­di­ge Fol­ge war von Mr. Murd­sto­nes Fes­tig­keit, die ihm nie­mals er­lau­ben woll­te, ir­gend­je­mand von der strengs­ten Stra­fe frei­zu­spre­chen. Sei dem, wie es woll­te, ich kann mich noch recht gut der fins­tern und erns­ten Ge­sich­ter er­in­nern, mit de­nen wir zum Got­tes­dienst zu ge­hen pfleg­ten, und des ver­än­der­ten Ein­drucks, den die Kir­che auf mich mach­te.

      Wie­der kommt der ge­fürch­te­te Sonn­tag, und ich mar­schie­re zu­erst in den al­ten Bet­stuhl, wie ein be­wach­ter Sträf­ling zu ei­nem Ge­fan­ge­nen­got­tes­dienst. Dicht hin­ter mir folgt Miss Murd­sto­ne in ei­nem schwar­zen Samt­kleid, das aus ei­nem Lei­chen­tuch ge­macht zu sein scheint. Dann kommt mei­ne Mut­ter, dann ihr Gat­te. Peg­got­ty geht nicht mehr mit wie frü­her. Wie­der höre ich Miss Murd­sto­ne die Re­spon­so­ri­en mur­meln und auf alle dro­hen­den Wor­te mit grau­sa­mem Be­ha­gen be­son­dern Nach­druck le­gen. Wie­der sehe ich ihre dunklen Au­gen in der Kir­che um­her­schwei­fen, wenn sie sagt »elen­de

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