Über Sozialismus. John Stuart Mill

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Über Sozialismus - John Stuart Mill

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als sie dem allgemeinen Wohle dient, werden diese niemals zugeben, dass irgendein Prinzip als ausgemacht hingestellt werde, – am wenigsten das des Privateigentums, dessen Rechtmäßigkeit und Ersprießlichkeit von vielen Denkern, die sich auf den Standpunkt der arbeitenden Klassen stellen, bestritten wird. Diese Klassen werden sicherlich verlangen, dass der Gegenstand in allen seinen Teilen neuerdings von Grund auf erörtert werde, dass alle Vorschläge, diese Einrichtung zu beseitigen, und alle in Aussicht genommenen Modifikationen derselben, welche ihrem Interesse günstig zu sein scheinen, die eingehendste Prüfung und Berücksichtigung erfahren, bevor man sich dafür entscheidet, dass es beim Alten sein Bewenden haben müsse.

      Soweit England in Betracht kommt, haben die arbeitenden Klassen bis jetzt nur gegen gewisse Außenfestungen des Systems des Privateigentums feindselige Gesinnungen gezeigt. Viele verlangen, dass das unbeschränkte Recht der Vertragsschließung, welches eines der gewöhnlichen Attribute des Privateigentums ist, für alle Fragen aufgehoben werde, die sich auf die Arbeitslöhne beziehen. Die anspruchsvolleren unter ihnen stellen in Abrede, dass der Boden ein geeigneter Gegenstand privater Aneignung sein könne, und haben eine Agitation für die Zurücknahme desselben durch den Staat ins Werk gesetzt. Dazu kommt die Anklage gegen den sogenannten „Wucher“, welche einige der Agitatoren in ihren Kundgebungen erheben, ohne aber irgend genauer zu bestimmen, was sie darunter verstehen; auch scheint dieser Ruf nicht heimischen Ursprungs zu sein, sondern dem kürzlich durch die Arbeiterkongresse und die Internationale mit den Sozialisten des Kontinents angebahnten Verkehr zu entstammen; denn diese erklären sich gegen alle von Geld genommenen Zinsen und bestreiten die Rechtmäßigkeit jedes Einkommens, das in irgendwelcher Form von Eigentum allein, ohne Arbeit, abgeleitet ist. Es sind bis jetzt keine Anzeichen dafür vorhanden, dass diese Lehre in Großbritannien erheblichen Anklang gefunden hätte, aber der Boden ist für die Aufnahme solcher Saat vortrefflich vorbereitet, und diese wird von jenen Ländern her weithin ausgestreut, in denen umfassende allgemeine Theorien und vielverheißende Entwürfe nicht Misstrauen erregen, sondern für die Popularität einer Bewegung unerlässlich sind. Ich denke dabei an Frankreich, Deutschland und die Schweiz, in welchen Ländern eigentumsfeindliche Lehren im weitesten Sinne des Wortes eine beträchtliche Verbreitung in den Kreisen der Arbeiter gefunden haben. Dort nennen sich fast alle diejenigen, welche eine Reform der Gesellschaft zu Gunsten der arbeitenden Klassen anstreben, Sozialisten, eine Bezeichnung, unter welcher Bestrebungen von sehr verschiedener Natur zusammengefasst und zusammengeworfen werden, welche aber doch zum Mindesten die Geneigtheit zu einer Umgestaltung des Privateigentums in sich schließt, die in der Regel einer Abschaffung desselben nahekommt. Und man dürfte wahrscheinlich finden, dass selbst in England die hervorragenderen und eifrigeren Arbeiterführer gewöhnlich im Stillen Sozialisten der einen oder der anderen Färbung sind, obgleich sie ihre praktischen Bemühungen näher liegenden Zielen zuwenden und zufrieden sind, sich mit ihren extremen Theorien so lange zurückzuhalten, bis dieselben Prinzipien in kleinerem Maßstabe erprobt sind; denn sie besitzen, gleich den meisten am öffentlichen Leben teilnehmenden Engländern, ein besseres Verständnis als ihre festländischen Genossen für die Unmöglichkeit, große und dauernde Wandlungen in den fundamentalen Ideen der Menschheit durch einen Handstreich zu bewirken. Solange dies der Charakter der englischen Arbeiter bleibt – wie es der Charakter der Engländer im Allgemeinen ist – steht nicht zu befürchten, dass sie blindlings auf die unbesonnenen Extravaganzen einiger auswärtiger Sozialisten eingehen werden, welche – selbst in der nüchternen Schweiz – öffentlich ihre Geneigtheit aussprechen, mit dem bloßen Umsturz zu beginnen und den darauf folgenden Wiederaufbau sich selbst zu überlassen; und unter Umsturz verstehen sie nicht bloß die Vernichtung jedweder Art von Regierung, sondern desgleichen die Konfiskation allen Eigentums, welches den Händen der Besitzer entzogen und zum allgemeinen Besten verwendet werden soll. In welcher Weise aber dieses zu geschehen habe, darüber, so meinen sie, werde man späterhin eine Entscheidung treffen können.

      Es ist eines der merkwürdigsten Zeichen der Zeit, dass man solch einer Lehre in einer öffentlichen Zeitschrift, dem Organ einer Arbeiterverbindung (dem in Neuchâtel erscheinenden Blatt La Solidarité) begegnen kann. Von den Führern der englischen Arbeiter – deren Delegierte auf den Kongressen von Genf und Basel zu dem Quantum von gesundem Menschenverstand, welches daselbst anzutreffen war, weitaus die stärkste Beisteuer geliefert haben – steht es nicht zu erwarten, dass sie vorsätzlich mit der Anarchie beginnen werden, ohne sich eine Meinung darüber gebildet zu haben, welche neue Form der Gesellschaft an die Stelle der alten treten solle. Aber es ist klar, dass wir alle ihre etwaigen Vorschläge nur dann richtig würdigen und die Gründe unseres Urteils nur dann in einer für die Masse des Volkes überzeugenden Weise darlegen können, wenn wir zuvor die beiden gegnerischen Theorien – die des Sozialismus und die des Privateigentums – durchmustert haben, da wir einer von beiden notwendigerweise die Mehrzahl der Prämissen für unsere Untersuchung entnehmen müssen. Bevor wir daher mit Nutzen daran gehen können, diese Reihe von Fragen im Einzelnen zu erörtern, wird es rätlich sein, die allgemeineren Fragen, welche der Sozialismus aufwirft, von Grund auf zu prüfen. Bei dieser Prüfung sollten wir uns von jedem feindseligen Vorurteil fernhalten. Denn als so unwiderleglich auch die Argumente zu Gunsten der Gesetze des Privateigentums denen gelten mögen, in deren Augen sie den doppelten Zauber besitzen, welchen das unvordenkliche Herkommen und das persönliche Interesse verleiht, so ist doch nichts natürlicher, als dass sie einem Arbeiter, welcher über politische Dinge nachzudenken begonnen hat, in ganz anderem Lichte erscheinen. Nachdem die vom Glück minder begünstigten Klassen von „volljährigen Männern“ nach harten Kämpfen in einigen Ländern vollständig, in anderen nahezu die Grenze erreicht haben, über welche hinaus, wenigstens für sie, kein weiterer Fortschritt in Bezug auf rein politische Rechte möglich ist, sollten sie sich da nicht die Frage stellen, ob denn damit aller Fortschritt zu Ende sein müsse? Trotz alledem, was für die Ausdehnung freiheitlicher Rechte bisher geschehen ist und voraussichtlich noch geschehen wird, gibt es doch eine kleine Minderzahl, die zu großem Reichtum geboren ist, während die Mehrzahl zu einer Dürftigkeit bestimmt ist, die durch den Kontrast nur noch verschärft wird. Die große Mehrheit der Menschen ist zwar nicht mehr aufgrund der Gesetze geknechtet oder in einem Zustand von Abhängigkeit gehalten, wohl aber aufgrund ihrer Armut: sie sind immer noch an einen Ort, an eine Beschäftigung und an den beherrschenden Willen eines Arbeitgebers gekettet; und der Zufall der Geburt schließt sie sowohl von den Genüssen als von den intellektuellen und moralischen Vorteilen aus, welche andere ohne eigene Anstrengung und unabhängig von jedem Verdienste ererben. Mit Recht halten dies die Armen für ein Übel, kaum geringer als irgendeines, mit welchem die Menschheit bisher gerungen hat. Ist es ein notwendiges Übel? Dafür geben es diejenigen aus, welche es nicht fühlen, welche in der Lotterie des Lebens die großen Preise gewonnen haben. Aber auch die Sklaverei, der Despotismus, alle Vorrechte der Oligarchie wurden für notwendig erklärt. Alle die stufenweisen Errungenschaften der ärmeren Klassen, welche dieselben teils den edleren Gefühlen der Machthaber, teils ihrer Furcht verdanken, und zum Teil mit Geld erkauft oder als Gegenleistung für die Unterstützung erlangt haben, welche sie einem Teil der Mächtigen in seinen Streitigkeiten mit einem anderen gewährten, hatten von vornherein die stärksten Vorurteile gegen sich; aber ihre Erlangung war ein Zeichen der Erstarkung der unteren Klassen, mithin ein Mittel weiteren Machterwerbes; sie verschaffte diesen Klassen daher einen gewissen Anteil an dem Ansehen, das die Macht genießt, und rief eine entsprechende Wandlung in dem Urteil der Gesellschaft hervor. Alle Rechte, deren Erwerbung ihnen geglückt war, wurden nun als ihr rechtmäßiges Eigentum betrachtet; derjenigen hingegen, die sie noch nicht erlangt hatten, galten sie immer noch als unwürdig. Daher haben die Klassen, welche das herrschende soziale System in eine untergeordnete Stellung versetzt, wenig Grund, irgendeinem der Sätze Glauben zu schenken, welche dieses selbige System als Prinzipien ausgestellt haben mag. Wenn man in Betracht zieht, wie wunderbar geschmeidig sich die Meinungen der Menschen erwiesen haben, wie sie immer darauf abzielten, das Bestehende zu heiligen und das noch nicht Bestehende entweder für gemeingefährlich oder für unausführbar zu erklären, da darf man wohl die Frage aufwerfen, welche Gewähr denn jene Klassen dafür besitzen, dass es mit der Unterscheidung zwischen Arm und Reich eine andere Bewandtnis habe, dass dieselbe auf einer zwingenderen Notwendigkeit beruhe als jene anderen altherkömmlichen Tatsachen, welche jetzt, da sie beseitigt sind, selbst von jenen verurteilt werden, welche ehemals aus ihnen Nutzen zogen. Die bloße Versicherung einer beteiligten Partei kann die Frage nicht entscheiden.

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