George Orwell: 1984. George Orwell
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»Der Nächste, bitte!«, rief der weiß beschürzte Proll mit der Schöpfkelle.
Winston und Syme schoben ihre Tabletts über die Ausgabe. Auf jedes wurde schnell das Einheitsmittagessen geklatscht – eine Metallschüssel mit rosa-grauem Eintopf, ein Kanten Brot, ein Käsewürfel, ein Becher Victory-Kaffee ohne Milch und eine Süßstofftablette.
»Da drüben, unter dem Teleschirm, ist ein freier Tisch«, sagte Syme. »Lass uns unterwegs noch einen Gin holen.«
Der Gin wurde ihnen in henkellosen Porzellanbechern serviert. Sie schlängelten sich durch den überfüllten Raum und schoben ihre Tabletts auf den Metalltisch, auf dem an einer Ecke jemand eine Eintopflache hinterlassen hatte, ein ekliges, flüssiges Zeug, das wie Erbrochenes aussah. Winston nahm seinen Becher Gin, sammelte einen Moment seinen Mut zusammen und kippte dann den ölig schmeckenden Fusel runter. Als er die Tränen, die ihm in die Augen geschossen waren, weggezwinkert hatte, stellte er plötzlich fest, dass er hungrig war. Er begann, Löffel für Löffel des Eintopfs in sich reinzustopfen, in dessen gräulichem Matsch auch Würfel eines schwammigen, rosafarbenen Zeugs trieben, das vermutlich irgendein Fleischprodukt war. Bis sie ihre Schüsseln geleert hatten, sprach keiner von ihnen ein Wort. Am Tisch links hinter Winston redete jemand schnell und ununterbrochen, ein unangenehmes Geplapper, fast wie das Quaken einer Ente, das den allgemeinen Lärm des Raumes durchdrang.
»Wie geht es mit dem Wörterbuch voran?«, fragte Winston mit erhobener Stimme, um den Lärm zu übertönen.
»Langsam«, sagte Syme. »Ich bin bei den Adjektiven. Ist sehr faszinierend.«
Bei der Erwähnung von Neusprech war er sofort aufgelebt. Er schob seine Schüssel beiseite, nahm in eine seiner feingliedrigen Hände das Stück Brot und in die andere den Käse und beugte sich über den Tisch, um ohne schreien zu müssen sprechen zu können.
»Die elfte Auflage ist die endgültige Ausgabe«, sagte er. »Wir bringen die Sprache in ihre endgültige Form – die Form, die sie haben wird, wenn niemand mehr etwas anderes spricht. Wenn wir damit fertig sind, werden Leute wie du die Sprache noch einmal ganz neu lernen müssen. Du denkst bestimmt, dass unsere Hauptaufgabe darin besteht, neue Wörter zu erfinden. Weit gefehlt! Wir vernichten Wörter – massenhaft, zu Hunderten, jeden Tag. Wir reduzieren die Sprache bis auf ihr nacktes Gerüst. Die elfte Ausgabe wird kein einziges Wort enthalten, das vor dem Jahr 2050 veraltet sein wird.«
Er biss hungrig in sein Brot und schluckte ein paar Bissen hinunter, dann sprach er weiter, mit einer Art pedantischer Leidenschaft. Sein dünnes dunkles Gesicht hatte sich belebt, seine Augen hatten ihren spöttischen Ausdruck verloren und waren beinahe träumerisch geworden.
»Das ist etwas Herrliches, diese Vernichtung von Worten. Natürlich liegt der größte Teil der Streichungen bei den Verben und Adjektiven, aber es gibt Hunderte von Substantiven, die ebenso gut abgeschafft werden können. Nicht nur die Synonyme, auch die Antonyme. Welche Existenzberechtigung hat denn schließlich ein Wort, das nur das Gegenteil eines anderen Wortes ist? Ein Wort enthält in sich selbst sein Gegenteil. Nehmen wir zum Beispiel ›gut‹. Wenn wir ein Wort wie ›gut‹ haben, wozu brauchen wir dann ein Wort wie ›schlecht‹? ›Ungut‹ funktioniert genauso gut – besser sogar, weil es das genaue Gegenteil ist, was das andere Wort nicht ist. Und wenn man eine Steigerung von ›gut‹ will, welchen Sinn haben dann diese ganzen Reihen von vagen, nutzlosen Wörtern wie ›ausgezeichnet‹ und ›großartig‹ und all die anderen? ›Plusgut‹ deckt die Bedeutung vollkommen ab, oder ›doppelplusgut‹, wenn man eine noch größere Steigerung will. Natürlich verwenden wir diese Formen bereits, aber in der endgültigen Fassung des Neusprech wird es nichts anderes mehr geben. Am Ende wird die gesamte Begrifflichkeit von Gut und Böse durch nur sechs Wörter abgedeckt sein – eigentlich nur durch ein einziges. Siehst du die Schönheit, die darin liegt, Winston? Das war natürlich ursprünglich G.B.s Idee«, fügte er nachträglich hinzu.
Bei der Erwähnung des Großen Bruders huschte eine Art von oberflächlichem Enthusiasmus über Winstons Gesicht. Dennoch bemerkte Syme sofort einen gewissen Mangel an Begeisterung.
»Du weißt Neusprech nicht wirklich zu schätzen, Winston«, sagte er beinahe traurig. »Selbst wenn du in Neusprech schreibst, denkst du immer noch in der Altsprache. Ich habe einige der Artikel gelesen, die du gelegentlich in der Times schreibst. Sie sind ganz gut, aber es sind nur Übersetzungen. Dein Herz hängt noch immer an der Altsprache, mit all ihren Ungenauigkeiten und ihren nutzlosen Bedeutungsschattierungen. Du verstehst die Schönheit der Zerstörung von Worten einfach nicht. Wusstest du, dass Neusprech die einzige Sprache der Welt ist, deren Wortschatz von Jahr zu Jahr kleiner wird?«
Das war Winston natürlich bewusst. Er lächelte, wie er hoffte auf eine sympathische Weise, da er sich nicht traute, etwas zu sagen. Syme biss ein weiteres Stück des dunklen Brotes ab, kaute kurz darauf herum und fuhr fort:
»Begreifst du denn nicht, dass das Ziel von Neusprech darin besteht, den Gedankenspielraum einzugrenzen? Zum guten Schluss werden wir Gedankenverbrechen buchstäblich unmöglich machen, weil es keine Worte mehr geben wird, um sie auszudrücken. Jeder Begriff, der jemals benötigt werden könnte, wird durch genau ein Wort ausgedrückt werden, wobei seine Bedeutung starr definiert wird und all seine Nebenbedeutungen ausgemerzt und vergessen werden. Wir sind schon jetzt, bei der elften Ausgabe, nicht mehr weit von diesem Punkt entfernt. Aber der Prozess wird auch dann noch weitergehen, wenn du und ich längst tot sind. Mit jedem Jahr wird die Anzahl der Worte immer geringer und der Gedankenspielraum wird immer kleiner werden. Natürlich gibt es auch heute keinerlei Grund oder Entschuldigung für das Begehen von Gedankenverbrechen. Das ist lediglich eine Frage der Selbstdisziplin, der Realitätskontrolle. Aber am Ende wird nicht einmal mehr das nötig sein. Die Revolution wird komplett sein, wenn die Sprache perfekt ist. Neusprech ist Engsoz und Engsoz ist Neusprech«, fügte er mit einer Art geheimnisvoller Befriedigung hinzu. »Ist es dir jemals in den Sinn gekommen, Winston, dass spätestens im Jahr 2050 kein einziger Mensch mehr leben wird, der ein solches Gespräch, wie wir es gerade führen, verstehen könnte?«
»Außer –«, begann Winston zweifelnd und brach dann ab.
Beinahe hätte er gesagt: »Außer den Prolls«, aber er hielt sich zurück, da er nicht ganz sicher war, ob eine solche Bemerkung nicht in gewisser Weise unorthodox gewesen wäre. Syme hatte jedoch erraten, was er sagen wollte.
»Die Prolls sind keine Menschen«, sagte er leichtfertig. »Bis 2050 – wahrscheinlich früher – wird alles wirkliche Wissen über die Altsprache verschwunden sein. Die gesamte Literatur der Vergangenheit wird vernichtet worden sein. Chaucer, Shakespeare, Milton, Byron – es wird sie nur noch in Neusprech-Fassungen geben, die nicht einfach nur in etwas anderes umgewandelt worden sind, sondern tatsächlich in etwas, das dem widerspricht, was sie einmal waren. Selbst die Literatur der Partei wird sich verändern. Sogar die Parolen werden sich ändern. Wie könnte eine Parole wie ›Freiheit ist Sklaverei‹ bestehen bleiben, wenn der Begriff der Freiheit abgeschafft worden ist? Das ganze Klima des Denkens wird sich ändern. Tatsächlich wird es überhaupt kein Denken mehr geben, zumindest nicht so, wie wir es jetzt verstehen. Orthodoxie bedeutet, nicht zu denken – nicht denken zu müssen. Orthodoxie ist Unbewusstheit.«
Eines Tages, dachte Winston plötzlich aus tiefster Überzeugung, wird Syme vaporisiert werden. Er ist zu intelligent. Er sieht zu klar und spricht zu offen. Die Partei mag solche Leute nicht. Eines Tages wird er verschwinden. Es steht ihm ins Gesicht geschrieben.
Winston hatte sein Brot und seinen Käse aufgegessen. Er drehte sich auf seinem Stuhl ein wenig zur Seite, um seinen Becher Kaffee zu trinken. Am Tisch zu seiner Linken sprach der Mann mit