Anna Karenina. Лев Толстой

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Anna Karenina - Лев Толстой

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Sie wohl, meine Beste!« erwiderte die Gräfin. »Lassen Sie mich Ihr liebes Gesichtchen küssen. Als alte Frau sage ich Ihnen einfach und geradezu, daß ich Sie sehr liebgewonnen habe.«

      Wie herkömmlich auch diese Redensart war, Frau Karenina hielt sie offenbar für aufrichtig gemeint und freute sich herzlich darüber. Sie errötete, beugte sich ein wenig hinab und bot ihre Wangen den Lippen der Gräfin dar; dann richtete sie sich wieder auf und gab mit jenem Lächeln, das bei ihr so oft zwischen Lippen und Augen hin und her wanderte, Wronski die Hand. Er drückte diese kleine Hand und empfand mit innigem Vergnügen, wie einen besonderen Genuß, den kräftigen Druck, mit dem sie fest und ungezwungen die seine schüttelte. Dann verließ sie das Abteil mit dem raschen Gange, der ihren ziemlich vollen Körper mit so erstaunlicher Leichtigkeit trug.

      »Eine allerliebste Frau!« sagte die alte Dame.

      Dasselbe dachte auch ihr Sohn. Er folgte ihr mit den Augen, bis ihre anmutige Gestalt verschwunden war, und sein Gesicht behielt den lächelnden Ausdruck bei. Durch das Fenster sah er noch, wie sie zu ihrem Bruder trat, ihre Hand auf seinen Arm legte und ein lebhaftes Gespräch mit ihm begann, das offenbar auf ihn, Wronski, keinerlei Bezug hatte, und das verdroß ihn.

      »Also, maman, Sie sind ganz wohlauf?« fragte er noch einmal, zu seiner Mutter gewendet.

      »Vollkommen, es geht alles vorzüglich. Alexander war sehr liebenswürdig. Und Warja ist sehr hübsch geworden. Sie hat etwas überaus Interessantes.«

      Damit begann sie wieder von den Dingen zu erzählen, die sie am meisten interessierten: von der Taufe ihres Enkels, zu der sie nach Petersburg gereist war, und von der außerordentlich gnädigen Gesinnung des Kaisers gegen ihren ältesten Sohn.

      »Da ist auch Lawrenti«, sagte Wronski, durch das Fenster hinausblickend. »Wenn es Ihnen gefällig ist, wollen wir jetzt gehen.«

      Der alte Haushofmeister, der die Gräfin auf der Reise begleitet hatte, erschien im Wagen mit der Meldung, daß alles bereit sei, und die Gräfin erhob sich, um zu gehen.

      »Gehen wir!« sagte Wronski. »Jetzt ist es nicht mehr so voll auf dem Bahnsteig.«

      Das Mädchen nahm die Reisetasche und das Hündchen, der Haushofmeister und ein Gepäckträger das übrige Handgepäck. Wronski reichte der Mutter den Arm; aber als sie eben aus dem Wagen gestiegen waren, liefen plötzlich einige Männer mit erschrockenen Gesichtern an ihnen vorbei, darunter auch der Stationsvorsteher mit seiner grellfarbigen Mütze. Offenbar war etwas Ungewöhnliches vorgefallen. Alles lief vom Zuge weg nach hinten.

      »Was gibt es? – Was ist los? – Wo? – Er ist umgestoßen worden. – Überfahren!« wurde unter den Vorübereilenden gerufen.

      Stepan Arkadjewitsch und seine Schwester, die ihn untergefaßt hatte, kamen ebenfalls mit erschrockenen Gesichtern wieder zurück und blieben, um aus dem Gedränge herauszukommen, an der Tür des Wagens stehen.

      Die Damen stiegen wieder in den Wagen ein; Wronski und Stepan Arkadjewitsch aber folgten dem Menschenschwarm, um Näheres über den Unfall zu erfahren.

      Ein Bahnwärter hatte, mochte er nun betrunken oder wegen der starken Kälte zu sehr eingemummt gewesen sein, einen Zug, der beim Rangieren zurückgeschoben wurde, nicht gehört und war zermalmt worden.

      Noch ehe die beiden Herren zurückkehrten, erfuhren die Damen diese Einzelheiten durch den Haushofmeister.

      Oblonski und Wronski hatten beide den entstellten Leichnam gesehen. Oblonski litt offenbar sehr unter diesem Eindrucke. Er hatte die Stirn gerunzelt und schien dem Weinen nahe zu sein.

      »Ach, wie schrecklich! Ach, Anna, wenn du das gesehen hättest! Ach, wie schrecklich!« rief er einmal über das andere.

      Wronski schwieg; sein hübsches Gesicht war ernst, aber vollkommen ruhig.

      »Ach, wenn Sie das gesehen hätten, Gräfin!« redete Stepan Arkadjewitsch weiter. »Auch seine Frau ist dabei. – Es war schrecklich, sie anzusehen. Sie warf sich über den Leichnam hin. Die Leute sagten, der Mann wäre der einzige Ernährer einer sehr großen Familie gewesen. Ja, es ist schrecklich!«

      »Läßt sich denn nichts für die Frau tun?« fragte Frau Karenina flüsternd in heftiger Erregung.

      Wronski blickte sie an und verließ sofort den Wagen.

      »Ich komme gleich wieder, maman«, sagte er dabei, indem er sich in der Tür umdrehte.

      Als er nach ein paar Minuten zurückkam, erzählte Stepan Arkadjewitsch der Gräfin bereits etwas über eine neue Sängerin; die Gräfin blickte, auf ihren Sohn wartend, ungeduldig nach der Tür.

      »Nun, dann wollen wir gehen«, sagte der eintretende Wronski.

      Sie gingen zusammen, Wronski mit seiner Mutter voran, dahinter Frau Karenina mit ihrem Bruder. Am Ausgang holte sie der Stationsvorsteher ein und trat an Wronski heran.

      »Sie haben meinem Assistenten zweihundert Rubel eingehändigt; haben Sie die Güte, sich darüber zu äußern, für wen das Geld bestimmt ist.«

      »Für die Witwe«, antwortete Wronski achselzuckend. »Ich verstehe nicht, was da noch zu fragen ist.«

      »Das haben Sie getan?« rief Oblonski von hinten her und fügte, indem er den Arm seiner Schwester an sich drückte, hinzu: »Allerliebst, allerliebst! Ein Prachtmensch, nicht wahr? Ich empfehle mich Ihnen, Gräfin.«

      Er blieb mit seiner Schwester stehen, um sich nach deren Kammerjungfer umzusehen.

      Als sie aus dem Bahnhofstor hinaustraten, war das Wronskische Geschirr schon weggefahren. Die Leute, die hinausgingen, sprachen immer noch von dem Vorgefallenen.

      »Ein entsetzlicher Tod!« sagte ein vorübergehender Herr. »Es heißt, er wäre in zwei Stücke zerschnitten.«

      »Ich meine im Gegenteil, ein so plötzlicher Tod ist der leichteste, den man sich nur denken kann«, bemerkte ein anderer.

      »Unverantwortlich, daß gegen so etwas keine Vorsichtsmaßregeln getroffen werden«, sagte ein dritter.

      Frau Karenina stieg in den Wagen, und Stepan Arkadjewitsch sah mit Erstaunen, daß ihre Lippen zitterten und sie nur mit Mühe die Tränen zurückhielt.

      »Was ist dir, Anna?« fragte er, als sie ein paar hundert Schritte gefahren waren.

      »Eine üble Vorbedeutung!« sagte sie.

      »Was für Torheiten!« erwiderte Stepan Arkadjewitsch. »Du bist hergekommen, das ist die Hauptsache. Du kannst dir gar nicht denken, wieviel ich mir von deiner Einwirkung verspreche.«

      »Kennst du Wronski schon lange?« fragte sie.

      »Ja. Weißt du, wir hoffen, daß er Kitty heiraten wird.«

      »Ja?« sagte Anna leise. »Nun, aber jetzt wollen wir von dir sprechen«, fügte sie hinzu und schüttelte mit dem Kopfe, als wollte sie durch diese Körperbewegung etwas verscheuchen, was sich ihr aufdrängte und sie störte. »Wir wollen von deinen Angelegenheiten sprechen. Ich habe einen Brief erhalten, und da bin ich nun hergekommen.«

      »Ja, ich setze auf dich meine ganze Hoffnung«, versetzte Stepan Arkadjewitsch.

      »Nun,

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