Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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»Darüber habe ich mich ehrlich gesagt auch gewundert. Wer weiß, was dahinter steckt.« Daniel leerte seine Tasse und erhob sich ebenfalls. »Ich werde es herausfinden und dich an meinem Geheimnis teilhaben lassen.«
»Ich kann es kaum erwarten.« Fee hängte sich bei ihrem Mann ein, und unter munterem Plaudern durchquerten sie die Halle. Sie mündete in verschiedene Flure, wo sich ihre Wege vorläufig trennten.
*
Dr. Norden kehrte in dem Moment in das Behandlungszimmer zurück, in dem Dr. Sophie Petzold die Röntgenaufnahmen von Rosa Bergers Arm auf den großen Bildschirm im Behandlungszimmer projizierte.
Die Seniorin lag auf der Liege und lächelte hinüber zur Tür. Ihr Gesicht war bedeutend weniger faltig als noch vor einer Stunde.
»Sie sehen ja schon viel munterer aus.« Erfreut legte Daniel kurz die Hand auf ihre Schulter.
»Bei dieser netten Betreuung muss es einem ja besser gehen.« Sie nickte zu Sophie Petzold hinüber. »Allerdings sollten Sie der jungen Frau ab und zu einmal frei geben. Sie ist ja ganz blass um die Nase.«
»Soweit ich weiß, hat Frau Petzold ihren Dienst erst vor knapp einer Stunde angetreten. An mir liegt es also nicht«, erwiderte Daniel schmunzelnd, ehe er sich an die Assistenzärztin wandte. »Können Sie mir erklären, was sie dort sehen?«
»Natürlich.« Sophie räusperte sich. »Wir haben es hier mit einer distalen Fraktur zu tun. Dabei handelt es sich um einen handgelenksnahen Bruch der Speiche. Diese Art der Verletzung ist der häufigste Bruch des Menschen überhaupt.«
Daniel nickte zustimmend.
»Wie gedenken Sie diese Verletzung zu versorgen?«
»Da es sich um einen glatten Bruch handelt, schlage ich eine konservative Therapie vor.«
Rosa sah von einem zum anderen.
»Und was heißt das jetzt?«
»Dass Sie von uns einen schönen Gipsverband bekommen. Die Farbe können Sie sich sogar aussuchen«, versprach Daniel und wollte Sophie schon ans Werk schicken, als sein Blick abgelenkt wurde.
»Was haben Sie denn da angestellt?« Er deutete auf das lilafarbene Hämatom, das unter Rosa Bergers Kragen hervor blitzte.
»Das da?« Sie winkte ab. »Das ist schon älter. Ich kann mich gar nicht daran erinnern, wie das passiert ist.«
Daniel Norden zögerte.
»Nun gut. Wenn Sie keine weiteren Fragen haben, informiere ich jetzt Ihren Enkel über die weiteren Schritte.«
»Gehen Sie nur. Ich bin ja in bester Gesellschaft.« Rosa zwinkerte der Assistenzärztin zu.
In Gedanken versunken machte sich Daniel auf die Suche nach Christian Berger. Er musste nicht weit gehen.
Beim Anblick des Klinikchefs sprang der junge Mann von der Bank auf und lief ihm entgegen.
»Wie geht es meiner Großmutter?«
»Kein Grund zur Sorge. Sie hat eine Unterarmfraktur. Das tut zwar weh, ist aber nicht weiter gefährlich. Die Kollegin legt gerade einen Gipsverband an.«
Christian atmete auf.
»Ein Glück, dass es nichts Schlimmes ist.«
»Wie man es nimmt. Ein Knochenbruch ist niemals ein Spaß.«
»So meinte ich das ja auch nicht. Aber es hätte noch viel schlimmer kommen können. Immerhin ist sie vom Stuhl gefallen. Sie hätte sich den Oberschenkelhals brechen können.«
»Das ist richtig«, stimmte Daniel dem Enkel zu. »Um sicher zu gehen, dass wir auch ja nichts übersehen haben, habe ich auch noch eine CT angeordnet.«
Christian legte den Kopf schief.
»Sie denken, Oma ist doch schwerer verletzt?« Christians Atem ging schneller. »Was verschweigen Sie mir?«
Daniel hob die Hände.
»Eine reine Vorsichtsmaßnahme«, versicherte er. »Wie Sie selbst vorhin gesagt haben, ist Ihre Großmutter von einem Stuhl gefallen. Da ist es durchaus denkbar, dass sie sich innere Verletzungen zugezogen hat, die von außen nicht erkennbar sind.«
»Wenn Sie nichts finden, kann ich sie aber mit nach Hause nehmen, oder?«, fragte Christian.
Seine Meinung, die wie ein Fähnchen im Wind mal nach rechts, mal nach links flatterte, irritierte Daniel.
»Ehrlich gesagt möchte ich Frau Berger gern über Nacht hierbehalten. Immerhin ist sie ohnmächtig geworden. Das könnte ein Hinweis auf eine Gehirnerschütterung sein.«
»Das glaube ich nicht. So schlimm war der Sturz nun auch wieder nicht«, winkte Christian ab. Er beugte sich ein Stück vor. »Sie wissen doch, wie ältere Herrschaften so sind. Sie stehen ab und zu gern im Mittelpunkt und machen sich ein bisschen wichtig«, raunte er dem Klinikchef zu.
Daniel wich zurück und runzelte die Stirn.
»Diesen Eindruck habe ich bei Frau Berger überhaupt nicht. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen.« Er nickte dem jungen Mann zu und ließ ihn auf dem Flur stehen.
*
Auf den Klinikfluren herrschte rege Betriebsamkeit. Licht aus verborgenen Lampen beschien die Gesichter der Besucher, die geschäftig über den Gang eilten. Das Klappern der Sohlen und Schnalzen der Flipflops hallte von den Wänden wider. Genau wie das Raunen und Murmeln der Ärzte, die in einer Ecke zusammenstanden und erregt diskutierten. Zwei Schwestern bogen um die Kurve und positionierten ihren Wäschewagen neben Dr. Lammers’ Büro. Die beiden steckten die Köpfe zusammen.
»Wenn ich es doch sage! Ich habe es genau gesehen!«, raunte Josefa ihrer Kollegin zu. »Heute Nacht war die Petzold schon wieder bei Jakob.« Sie glucksten wie Kinder beim Versteckspiel.
»Ich habe die beiden vorgestern beinahe in flagranti erwischt.« Schwester Astrid wollte ihrer Kollegin in nichts nachstehen. »Obwohl die Petzold Spätschicht hatte, ist sie am frühen Morgen aus seinem Zimmer gekommen. Gerade als ich reingehen wollte.«
»Bist du sicher?«
»Ich habe im Dienstplan nachgeschaut.« Astrid sah sich um.
Polternde Schritte übertönten die Geräuschkulisse. Sie näherten sich rasch. Dr. Lammers bog um die Ecke.
»Werden Sie für’s Tratschen bezahlt oder für die Arbeit?«, fauchte er, ohne innezuhalten. Im nächsten Augenblick fiel die Bürotür hinter ihm ins Schloss, dass die Wände zitterten.
Josefa verdrehte die Augen gen Himmel.
»Au weia! Welche Laus ist dem denn schon wieder über die Leber gelaufen?«
Astrid nahm zwei Handtücher aus dem Wagen, um sie ins nächste Zimmer zu bringen.
»Vielleicht