Erfolg ist ein Mannschaftssport. Stephanie Borgert
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»Das Ideal der zweiwertigen Logik, wonach Aussagen entweder ›wahr‹ oder ›falsch‹ zu sein haben bzw. sind und etwas Drittes nicht möglich ist, ist ein typisches Landkartenphänomen, d. h. ein Merkmal des Zeichensystems, ein Artefakt, das durch den Beobachter produziert wird; die tatsächlich existierende Welt ist immer voller Widersprüche, Antagonismen, Unklarheiten, Vieldeutigkeiten und Oszillationen; daher ist Ambivalenz eigentlich die für Beobachter angemessene Normalverfassung; das macht es für den Beobachter nötig, immer wieder neu zu entscheiden, obwohl es keine sicheren Kriterien für die ›Richtigkeit‹ der Entscheidung gibt; das gilt für Entscheidungen über Beschreibungen von Phänomenen ebenso wie für Entscheidungen über ihre Erklärung und Bewertung und schließlich auch und vor allem für die daraus abzuleitenden Handlungskonsequenzen.« (Fritz B. Simon 2020, S. 116)
Um das Wie der Realitätskonstruktion geht es bei der Beobachtung 2. Ordnung, also bei dem, was Sie gerade tun, während Sie hier lesen. Sie erkennen meine Wirklichkeitskonstruktion und vollziehen meine Interpretationen nach. Es ist die zentrale Beobachterperspektive, wenn wir Organisationen beeinflussen wollen. Ohne Beobachtung (und Benennung) keine Hypothesen. Ohne Hypothesen keine Interventionen. Ohne Interventionen keine Irritation. Beobachten kann jeder, Beobachtete beobachten ebenfalls. Aber niemand hat den vollständigen Blick auf alles, wir betrachten immer nur Ausschnitte. Und dabei, das sei noch einmal deutlich erwähnt, sind alle Beobachtungen bzw. ihre Ergebnisse Konstruktionen. Sie sind unvollständig und subjektiv, also kritisierbar. Dieser Punkt lässt sich nicht auflösen, was aber auch nicht weiter schlimm ist. Lassen sich Beobachtungen so doch hervorragend für einen konstruktiven Diskurs nutzen.
Meiner Erfahrung nach können Menschen sehr gut Auskunft über das Was geben. Die Fakten und das Fachliche stehen in der Kommunikation miteinander klar im Vordergrund. Die Reflexion auf das Wie darf gerne noch mehr Übung bekommen. Man beginnt am einfachsten mit der Eigenreflexion als Übung zur Beobachtung.
Mein Tag als Kinofilm
Nehmen Sie sich zehn Minuten Zeit, um den Tag zu reflektieren. Holen Sie eine Situation, in der Sie sich geärgert haben, vor Ihr geistiges Auge. Empfinden Sie den Ärger noch einmal nach und schreiben Sie Ihre Gedanken, Empfindungen und Gefühle auf. Wechseln Sie nun gedanklich in die Position des Beobachters und dissoziieren Sie sich von der Situation. Dazu stellen Sie sich vor, Sie säßen im Kino und schauten die konkrete Situation als einen Kinofilm, der gerade vor Ihnen über die Leinwand flimmert. Was sehen Sie aus der Perspektive des Kinobesuchers? Was ist zu hören? Wie sehen Sie sich agieren? Schreiben Sie auch diese Betrachtung auf. Lesen Sie beide Versionen. Welche Unterschiede gibt es? Was fällt Ihnen auf?
Noch herausfordernder wird Beobachtung im und mit dem Team, denn die Struktur ist etabliert, und »die Menschen ticken so, wie sie eben ticken«. Dazu kommen die blinden Flecken (das, was sie nicht sehen) und die Tabus (das, was sie nicht aussprechen). Meiner Beobachtung nach bleiben deshalb viele Retrospektiven auf der Ebene des Was stecken. Für die Reflexion des Wie finden Sie in Kapitel 2 einige Impulse. Als »Grundlagenkurs« bietet es sich an, immer mal wieder auf die gemeinsame Kommunikation zu schauen.
Beobachtung, Interpretation, Bewertung
Während einer Ihrer üblichen Besprechungen, in der eine Situation oder ein Problem erörtert wird, richten Sie Ihr Augenmerk auf die drei Aspekte Beobachtung, Interpretation und Bewertung. Notieren Sie, wenn nötig, was in Ihrer Diskussion in welche Rubrik fällt. Sprechen Sie häufig direkt in Bewertungen? Liefern Sie zu Ihrer Interpretation die jeweiligen Beobachtungen mit? Wofür ist das gut? Was wäre, wenn Sie anders miteinander sprächen?
Beobachtung 2. Ordnung ist das Argument für externe Beratung, denn andere Beobachtende bringen neue Sichtweisen und Blickwinkel mit und wissen durchaus die blinden Flecken zu benennen. Erlauben Sie mir an dieser Stelle einen Hinweis: So nützlich es für eine Organisation sein kann, die andere Perspektive des Beratenden zu hören, ist oft die Diskrepanz zwischen eigener Realität und fremder Perspektive so groß, dass spontane Abwehrreaktionen von Verstummen über Schulterzucken bis zu spontanem »Das geht bei uns eh nicht« zu erwarten sind. Es kann auch gut sein, dass die Beobachtung gesehen, aber noch nicht besprochen werden kann. Eine gute, mitunter vorsichtige Dosierung hilft hier mehr als das Brecheisen.
Wenn wir beobachten, dann bewerten wir auch, und zwar immer. Beobachtung ohne Bewertung gibt es nicht. Dieser Aspekt ist zentral. Zum einen ist Bewerten häufig negativ konnotiert, weil sofort die Bewertung von Menschen assoziiert ist. Zum anderen braucht es intelligente Bewertungsmuster, um gerade in Selbstorganisation absichtsvoll erfolgreich zu sein. In tradierten Unternehmen ist es eine wesentliche Aufgabe der Führungskräfte, Bewertung vorzuleben und vorzugeben. »Wir machen das jetzt so und so« ist nichts anderes als eine Bewertung. Auch das berühmte »Ich habe das mal vorgedacht« ist aktives Vorschlagen eines Bewertungsmusters, auch wenn der Nachsatz »entscheiden sollt ihr aber selbst« lautet. Fallen diese Vorgaben weg, muss ein Team selbstständig gute Bewertungsmuster finden. Ein Aspekt, der bei dem Ruf nach »mehr Selbstorganisation« gerne übersehen wird. Gleichzeitig ist der Punkt, an dem bewertet wird, die Quelle für Konflikte (siehe Kapitel 5).
Ein Modell sagt mehr als 1000 Worte
Nach dem Beobachten kommt das Beschreiben und erst danach die Veränderung. Um ein System verändern zu können, müssen wir zunächst herausfinden, wie das System es schafft, so zu bleiben, wie es ist. Selbstverständlich können wir einfach über »mehr Selbstorganisation« sprechen und uns die Geschichte des eigentlichen Problems und unserer Lösungsidee erzählen. Dabei entsteht jedoch nur selten ein Systemverständnis, weil die Gedanken auf die vermeintliche Lösung gerichtet sind. Vorher sollten wir das System erkannt haben, zu verstehen versucht haben, wie es tickt.
Seit langer Zeit versuche ich, Menschen für die Arbeit mit Wirkungs- und Flussdiagrammen zu begeistern, weil sich damit vernetzte Systeme in ihrer Dynamik darstellen lassen. Und das Beste an ihnen: Man braucht meist nur einen Ausschnitt des Gesamtsystems zu modellieren, um die wichtigsten Einsichten zu gewinnen. An dieser Stelle werde ich mit Ihnen nun einen Superschnellkurs in der Erstellung von Wirkungsdiagrammen machen, damit Sie die Grammatik kennen.
Literaturtipps zur intensiven Auseinandersetzung mit Wirkungsdiagrammen:
Borgert, Stephanie: Unkompliziert!
Meadows, Donella: Die Grenzen des Denkens
Senge, Peter: Die fünfte Disziplin
Sherwood, Dennis: Einfacher managen
Es geht bei dieser Modellbildung immer darum, die Feedbackschleifen in einem System und seine Dynamiken zu begreifen. Unser Alltag ist voll von diesen Rückkopplungen, wir achten nur meist nicht darauf. Ob wir uns die Schuhe binden, joggen, die Zähne putzen oder ein Butterbrot schmieren, wir bewerkstelligen all das, weil es permanente Feedbackschleifen zwischen unserem Gehirn und den Körperteilen gibt. Feedback ist überall und es sorgt für Regelung. Wir erstellen hier ein simples Modell zum Thema »Kaffeeverbrauch im Büro«. Menschen trinken