Franz Sternbalds Wanderungen. Ludwig Tieck

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Franz Sternbalds Wanderungen - Ludwig Tieck

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unsers Dürer saßen und er mir noch Lehren zur Reise gab, als die Hausfrau indes den Braten schnitt und sich nach dem Kuchen erkundigte, den sie zu meiner Abreise gebacken hatte, als du nicht essen konntest und mich immer von der Seite betrachtetest; o Sebastian, es wollte mir ganz mein armes, ehrliches Herz zerreißen. Die Hausfrau kam mir so gut vor, sooft sie auch mit mir gescholten, sooft sie auch unsern braven Meister betrübt hatte; hatte sie mir doch selbst meine Wäsche eingepackt, war sie doch gerührt, daß ich abreisen wollte. Nun war unsre Mahlzeit geendigt, und wir alle waren nicht fröhlich gewesen, sosehr wir es auch uns erst in vielen Worten vorgesetzt hatten. Jetzt nahm ich Abschied von Meister Albrecht, ich wollte so hart sein und konnte vor Tränen nicht reden; ach, mir fiel es zu sehr ein, wieviel ich ihm zu danken hatte, was er ein vortrefflicher Mann ist, wie herrlich er malt, und ich so nichts gegen ihn bin, und er doch in den letzten Wochen immer tat, als wenn ich seinesgleichen wäre; ich hatte das alles noch nie so zusammen empfunden, und nun warf es mich dafür auch gänzlich zu Boden. Ich ging fort, und du gingst stillschweigend in deine Schlafkammer: nun war ich auf meiner Stube allein. Keinen Abend werd ich mehr hier hereintreten, sagte ich zu mir selber, indem ich das Licht auf den Boden stellte; für dich, Franz, ist nun dieses Bette zum letzten Male in Ordnung gelegt, du wirfst dich noch einmal hinein und siehst diese Kissen, denen du sooft deine Sorgen klagtest, auf denen du noch öfter so süß schlummertest, nie siehst du sie wieder. – Sebastian, geht es allen Menschen so, oder bin ich nur ein solches Kind? Es war mir fast, als stünde mir das größte Unglück bevor, das dem Menschen begegnen könnte, ich nahm sogar die alte Lichtschere mit Zärtlichkeit, mit einem wehmütigen Gefühl in die Hand und putzte damit den langen Docht des Lichtes. Ich war überzeugt, daß ich vom guten Dürer nicht zärtlich genug Abschied genommen, ich machte mir heftige Vorwürfe darüber, daß ich ihm nicht alles gesagt hatte, wie ich von ihm denke, welch ein vortrefflicher Mann er in meinen Augen sei, daß er nun von mir so entfernt werde, ohne daß er wisse, welche kindliche Liebe, welche brennende Verehrung, welche Bewunderung ich mit mir nähme. Als ich so über die alten Giebel hinübersah und über den engen, dunkeln Hof, als ich dich nebenan gehn hörte und die schwarzen Wolken so unordentlich durch den Himmel zogen, ach! Sebastian! wie wenn ihr mich aus dem Hause würfet, als wenn ich nicht mehr euer Freund und Gesellschafter sein dürfte, als wenn ich allein als ein Unwürdiger verstoßen sei, verschmäht und verachtet – so regte es sich in meinem Busen. Ich hatte keine Ruhe, ich ging noch einmal vor Dürers Gemach und hörte ihn drinnen schlafen, o ich hätte ihn gern noch einmal umarmt, alles genügte mir nicht, ich hätte mögen dableiben, an kein Verreisen hätte müssen gedacht werden, und ich wäre vergnügt gewesen. – Und noch jetzt! sieh, wie die fröhlichen Lichter des Morgens um uns spielen, und ich trage noch alle Empfindungen der dunkeln Nacht in mir. Warum müssen wir immer früheres Glück vergessen, um von neuem glücklich sein zu können? – Ach! laß uns hier einen Augenblick stillestehn, horch, wie schön die Gebüsche flüstern; wenn du mir gut bist, so singe mir hier noch einmal das alte Lied vom Reisen.

      Sebastian stand sogleich still und sang folgende Verse:

      Neue Freunde aufzufinden

      Läßt die alten du

      dahinten . . .

      Eltern, Schwester, Bruder, Freund,

      Auch vielleicht das Liebchen weint –

      Laß sie weinen! Traurig und froh

      Wechselt das Leben bald so, bald so,

      Nimmer ohne Ach! und Oh! . . .

      Reisen und Scheiden

      Bringt des Wiedersehens Freuden.

      Franz hatte sich ins hohe Gras gesetzt und sang die letzten Verse inbrünstig mit, er stand auf, und sie kamen an die Stelle, wo Sebastian hatte umkehren wollen.

      Grüße noch einmal! rief Franz aus, alle, die mich kennen, und lebe du recht wohl.

      Und du gehst nun? fragte Sebastian; muß ich denn nun ohne dich umkehren?

      Sie hielten sich beide fest umschlossen. Ach, nur eins noch! rief Sebastian aus, es quält mich gar zu sehr, und ich kann dich so nicht lassen.

      Franz wünschte den Abschied im Herzen vorüber, es war, als wenn sein Herz von diesen gegenwärtigen Minuten erdrückt würde, er sehnte sich nach der Einsamkeit, nach dem Walde, um dann von seinem Freunde entfernt seinen Schmerz ausweinen zu können. Aber Sebastian verlängerte die Augenblicke des Abschieds, weil er sich durch kein neues Leben, durch keine neue Gegend konnte trösten lassen, er kannte alles genau, wozu er zurückkehrte. Willst du mir versprechen? rief er aus.

      Alles! Alles!

      Ach, Franz! fuhr jener klagend fort, ich lasse dich nun los, und du bist nicht mehr mein, ich weiß nicht, was dir begegnet, ich kann dir nicht ins Gesicht sehen, und so setze ich deine Liebe, ja dich selbst auf ein ungewisses Spiel. Wirst du auch noch in der weiten Ferne an deinen einfältigen Freund Sebastian denken? Ach, wenn du nun unter klugen und vornehmen Leuten bist, wenn es nun schon lange her ist, daß wir hier Abschied genommen haben, willst du mich auch dann nie verachten?

      O mein liebster Sebastian! rief Franz schluchzend?

      Wirst du immer noch Nürnberg so lieben, fuhr jener fort, und deinen Meister, den wackern Albrecht? Wirst du dich nie klüger fühlen? O versprich mir, daß du derselbe Mensch bleiben willst, daß du dich nicht vom Glanz des Fremden willst verführen lassen, daß alles dir noch ebenso teuer ist, daß ich dich noch ebenso angehe.

      O Sebastian, sagte Franz, mag die ganze Welt klug und überklug werden, ich will immer ein Kind bleiben.

      Sebastian sagte: O wenn du einst mit fremden, abgebettelten Sitten wiederkämst, alles besser wüßtest und dir das Herz nicht mehr so warm schlüge, wenn du dann mit kaltem Blute nach Dürers Grabstein hinsehn könntest und du höchstens über die Arbeit und Inschrift sprächest – o so möcht ich dich gar nicht wiedersehn, dich gar nicht für meinen Bruder erkennen.

      Sebastian! bin ich denn so? rief Franz heftig aus; ich kenne ja dich, ich liebe ja dich und mein Vaterland, und die Stube, worin unser Meister wohnt, und die Natur und Gott. Immer werd ich daran hangen, immer, immer! Sieh, hier, an diesem alten Eichenbaum versprech ich es dir, hier hast du meine Hand darauf!

      Sie umarmten sich und gingen stumm auseinander, nach einer Weile stand Franz still, dann lief er dem Sebastian nach und umarmte ihn wieder. Ach, Bruder, sagte er, und wenn Dürer den Ecce-Homo fertig hat, so schreibe mir doch recht umständlich, wie der geworden ist, und glaube ja an die Göttlichkeit der Bibel, ich weiß, daß du manchmal übel davon dachtest.

      Ich will es tun, sagte Sebastian, und sie trennten sich wieder, aber nun kehrte keiner um, oft wandten sie das Gesicht, ein Wald trat zwischen beide.

      Zweites Kapitel

      Als Sebastian nach der Stadt zurückkehrte und Franz sich nun allein sah, ließ er seinen Tränen ihren Lauf. Lebe wohl, tausendmal wohl, sagte er immer still vor sich hin, wenn ich dich nur erst wiedersähe!

      Die Arbeiter auf den Feldern waren nun in Bewegung, alles war tätig und rührte sich; Bauern fuhren ihm vorüber, in den Dörfern war Getümmel, hochbeladene Wagen mit Heu wurden in die Scheuern gefahren, Knechte und Mägde sangen und schäkerten laut. Wie viele Menschen sind mir heute schon begegnet, dachte Franz bei sich, und unter allen diesen weiß vielleicht kein einziger von dem großen Albrecht Dürer, der mit seinen Werken meinen ganzen Kopf einnimmt, den zu erreichen mein einziges Trachten ist! Sie wissen vielleicht kaum, daß es eine Malerei gibt, und doch fühlen sie sich nicht unglücklich. Ich kann es nicht einsehn,

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