Die Mission der Maru Tai. Mara Laue
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Читать онлайн книгу Die Mission der Maru Tai - Mara Laue страница 8
»Darf ich fragen, was Sie hier tun?« Captain Chens schneidende Stimme ließ sie zusammenzucken.
Yora wandte sich ihr zu. »Ich überprüfe den Frachtraum, zu dem ich aus mir unerklärlichen Gründen keinen Zutritt habe, obwohl ich als Sicherheitschefin befugt bin, jeden Raum zu betreten und im Vorfeld zu öffnen. Wieso diesen einen nicht?«
»Weil ich das so verfügt habe.« Chens Tonfall hätte eisiger nicht sein können.
»Bei allem schuldigen Respekt, Ma’am, aber das widerspricht dem Sicherheitsprotokoll der Flotte.«
»Das ich hiermit für diesen Raum gemäß meinen Befugnissen als Kommandantin dieses Schiffes außer Kraft setze. Sie werden diesen Raum ignorieren. Und das ist ein Befehl.« Chen starrte sie in einer Weise an, die man nur als drohend bezeichnen konnte.
»Ja, Ma’am. Darf ich nach dem Grund für diese Maßnahme fragen?«
»Sie dürfen nicht. Sie haben nur Ihrer Arbeit nachzugehen und meine Befehle zu befolgen. Ist das klar?«
»Ja, Ma’am.«
Yora steckte den Handscanner ein, nickte Chen zu und ging den letzten Frachtraum inspizieren, fest entschlossen, das Geheimnis des Frachtraums zu lösen. Denn es gab keinen vernünftigen Grund, ihr den Zutritt zu diesem einen Raum zu verweigern. Es sei denn, in ihm würde etwas transportiert, das nicht den Vorschriften entsprach. Der Verdacht war genau genommen ungeheuerlich.
Gerade für einen Posten in der Raumflotte wurden alle Bewerberinnen und Bewerber nicht nur auf ihre Fähigkeiten, sondern auch auf ihren Charakter getestet, bevor sie überhaupt zur Flottenakademie zugelassen wurden. Danach erfolgten weitere psychologische Tests in jedem Semester. Einer folgte unmittelbar nach dem Abschluss, bevor jemand offiziell in die Flotte aufgenommen wurde, und ein Letzter vor dem ersten Einsatz auf einem Raumschiff. Auch danach war man von solchen Tests nicht befreit, denn auf jedem Schiff gab es ein psychologisches Team, und ein Gespräch mit einem von ihnen war einmal im Monat für jedes Besatzungsmitglied Pflicht.
Dass jemand mit kriminellen Neigungen es überhaupt in die Flotte schaffte, war zwar nicht unmöglich, aber doch sehr unwahrscheinlich. Die Flotte nahm nicht einmal Leute auf, die dazu neigten, auch schon mal alle Fünfe gerade sein zu lassen oder die auch nur den winzigsten Mangel an Disziplin zeigten. Dass jemand auf die Dauer einen Hang zu unlauteren Machenschaften verbergen konnte, war nahezu ausgeschlossen.
Aber Menschen änderten sich im Lauf der Zeit. Das galt besonders für solche, die in der Raumflotte dienten. Obwohl man alles dafür tat, dass die Flottenmitglieder an Bord ihrer Schiffe größtmöglichen Komfort genossen und alles zur Verfügung hatten, was sie für ihr Wohlbefinden brauchten, stellte der monate- und manchmal jahrelange ununterbrochene Aufenthalt auf einem Schiff eine hohe psychische Belastung dar, die auf Dauer durchaus die Moral erodieren konnte. Besonders bei Menschen, die wie Captain Chen schon seit über dreißig Jahren in der Flotte dienten und mehr als einen Krieg mitgemacht hatten.
Und selbstverständlichen waren auch die Mitglieder der psychologischen Teams nicht dagegen gefeit. Wenn eine Person – zum Beispiel Captain Chen – jemanden von ihnen auf ihre Seite bringen konnte, der oder die daraufhin sämtliche ihrer Testergebnisse als unauffällig bescheinigte, konnte sie durchaus in die Kriminalität abrutschen, ohne dass es publik wurde. Yora mochte einerseits Chen nichts dergleichen unterstellen. Sie war zwar eine kompromisslose Kommandantin, aber kompetent und eine wirklich gute Führungskraft. Andererseits musste es einen gravierenden Grund dafür geben, dass sie Yora verboten hatte, den ominösen Frachtraum zu kontrollieren. Und so sehr Yora auch versuchte, einen logischen Grund dafür zu finden, ihr fiel keiner ein, der irgendeinen Sinn ergab; zumindest keinen, der im Einklang mit den Vorschriften und Gesetzen stand.
Bis auf einen. Es könnte sich um eine Falle handeln, die Chen Yora stellte, um ihre Kompetenz zu testen. So ein Manöver traute sie der Kommandantin unbesehen zu. Wenn Yora die Vorschriften befolgte, musste sie den Raum überprüfen, auch wenn sie damit einem direkten Befehl zuwiderhandelte. Sollte Chens Anordnung aber einen ganz anderen Grund haben und sich als berechtigt entpuppen, wäre Yora wegen Befehlsverweigerung dran. Was im günstigsten Fall nur ein Disziplinarverfahren zur Folge hätte, im weniger günstigen eine Degradierung und im schlimmsten Fall nach einem Strafverfahren in ihrer unehrenhaften Entlassung aus der Flotte gipfelte. Was also sollte sie tun? Was war das Richtige?
Ein Dilemma. Das sie aber nicht jetzt entscheiden musste. Sie checkte den letzten Frachtraum besonders sorgfältig und war damit fertig nur wenige Minuten, nachdem der letzte Frachtroboter das Schiff verlassen hatte.
»Davidoff an Zentrale! Die Fracht ist vollzählig an Bord und ordnungsgemäß gesichert. Von der Sicherheit her steht einem Start nichts im Weg.«
»Verstanden«, antwortete Chen. »Wir starten sofort.«
Yora warf einen Blick auf die Uhr. Ihr Dienst war eigentlich schon seit einer halben Stunde zu Ende. Aber sie hatte das Gefühl, heute besser keinen Dienst nach Vorschrift zu tun. Deshalb diktierte sie ihren Abschlussbericht der Kontrollen in ihr persönliches Datenpad und brachte es zu Captain Chen in die Zentrale, damit sie den Bericht abzeichnete. Was diese nach gründlicher Prüfung des Inhalts tat.
»Falls Sie keine weiteren Befehle für mich haben, Ma’am, beende ich meinen Dienst.«
»Tun Sie das, Lieutenant.« Das klang beinahe wohlwollend. Aber eben nur beinahe.
»Lieutenant Davidoff meldet sich ab«, verabschiedete Yora sich und machte, dass sie aus der Zentrale kam, bevor Chen ihr doch noch mit einer Sonderaufgabe den Feierabend versauen konnte.
Sie erwog, den geheimnisvollen Frachtraum sofort zu untersuchen. Chen war in der Zentrale beschäftigt und hatte anderes zu tun, als ein Auge auf den Raum zu haben. Aber Yora hielt es nicht für einen Zufall, dass Chen vorhin in genau dem Moment aufgetaucht war, als sie den Raum hatte scannen wollen. In jedem Gang und jedem Raum des Schiffes mit Ausnahme der Privatquartiere gab es Kameras, die alles aufzeichneten. Offenbar hatte Chen ein permanentes Auge auf die Kameras in dem Gang vor dem Geheimraum, andernfalls sie Yora nicht rechtzeitig hätte abfangen können.
Wenn sie also den Raum untersuchen wollte, musste sie das tun, wenn Chen dienstfrei hatte und idealerweise schlief. Außerdem sollte sie sicherheitshalber vorher die Kamera in der Sektion deaktivieren. Aber es wäre sicherlich nicht verkehrt, erst einmal so zu tun, als würde sie Chens Befehl befolgen und sich ein paar Tage lang nicht um den Raum kümmern.
Yora ging in den Speiseraum und stellte fest, dass die halbe Crew dort versammelt war und zu Abend aß. Auch hier herrschte eine strenge Hierarchie. Ein separater Tisch war Captain Chen und Commander Wendt vorbehalten, an dem auch Botschafter al Mahdi als VIP hatte sitzen dürfen. Gegenwärtig saß dort nur Commander Wendt. Deutlich davon getrennt waren fünf Tische für die leitenden Offiziere reserviert. Zwei davon waren mit jeweils drei Leuten besetzt, an einem anderen saß Lepathu allein – mit zwei freien Tischen zwischen sich und den anderen Offizieren. Yora hatte den Eindruck, dass nicht er derjenige war, der sich diese demonstrative Trennung ausgesucht hatte.
Die Sektion für die Führungsriege war vom Rest des Raums mit einer Phalanx aus Grünpflanzen getrennt, vor denen der Gang zu den Nahrungsautomaten verlief. Auf der anderen Seite standen die Tische für die restlichen Crewmitglieder. Vier große Wandbildschirme übertrugen