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Viele Jahre lang wurde ich von meinen Liebhabern gerettet. Ich hatte nicht den Mut, zu wagen, so zu sein, wie ich tief in mir drin sein wollte – mit ihm. Aber meine Gedanken und Gefühle waren da, groß und intensiv. Wie als eine natürliche Folge davon erschuf ich in meiner Fantasie eine eigene Welt, die berührende Hände und lange Gespräche enthielt mit diesen Liebhabern, die ich eigentlich nur aus dem Abstand kannte.
In mir keimte die Ausdauer und die Hoffnung, dass ich es eines Tages wagen würde.
In manchen Fällen dient die Fantasie als Retterin, als eine notwendige Flucht von der Wirklichkeit. Als Ersatz für etwas, damit du aushältst, zu warten und daran zu glauben, dass eines Tages…
In meinem Fall war es so.
Eros
Es gibt solche, die sind ohne Geschlecht von Geburt an, und solche, die ihres Geschlechts beraubt wurden, und solche, die sich selbst geschlechtslos gemacht haben, um des Himmelreiches willen. Wer es erfassen kann, der erfasse es.
Matthäus 19:12
Ich bin Eros. Ein Adonis verkörpert in menschlicher Gestalt. Ich bin ein Teil der stärksten Kraft im Universum. Ich bin Bewegung, Licht und Geschwindigkeit. Alles gleichzeitig. Alles, was wahrnehmbar ist. Ich bin Sex. Ich liebe und ich ficke. Ich küsse und ich schmuse. Hart, vorsichtig. Schnell, langsam. Dein Alter ist mir egal – solang du volljährig bist. Du kannst jung sein und du kannst älter sein. Solang du deinen Verstand bei dir hast und sicher bist, deiner Lust folgen zu wollen, bist du willkommen in meinem üppigen Reich. Ich mache mir nichts aus irgendwelchen Geschlechtern, für mich gibt es keine. Du kannst Frau sein oder du kannst Mann sein. Für mich spielt es keine Rolle. Für mich bist du nämlich eine Göttlichkeit, so oder so. Für mich bist du vollkommen. Für mich bist du ein Körper, aber auch so viel mehr. Du bist all das, was es in diesem Körper gibt. Alles, was existiert und was ein Mensch, durch seine Fähigkeit zum Ja sagen, erschaffen kann. Ein lebendiges Wesen, ein Geschöpf, eine Kreatur, ein Geruch, ein Gefühl, ein Geschmack, die auf vielerlei Art nicht greifbar sind. Ich lebe, um zu versuchen, dir so nah wie möglich zu kommen. Und ich komme dir nah. Näher, als es je zuvor jemand anders getan hat.
Denn das ist mein Sinn und Zweck.
Manche verknüpfen meinen Namen mit Ausdrücken wie „der Erlöser“ und „der, der uns durch Liebe bekehrt“. Aufgrund von Unwissen verhöhnt man meine Vorhaben und meint, ich sei ketzerisch. Manche zischen mir zu, mit Schaum zwischen den Lippen, und schießen verachtende Pfeile auf mein Herz, in der Hoffnung, dass es bricht und den Rückzug antritt. Manche wenden den Blick ab, tun so, als würden sie nichts sehen, nicht einmal ahnen. Viele meinen, mein Handeln birgt sowohl Bosheit als auch Dummheit, manche meinen sogar, ich sei schädlich. Aber wie kann man schaden, wenn man wirklich liebt? Und was ist falsch daran, zu lieben und geliebt zu werden von diesem Körper, dieser Freude? Ist es Sünde, dass ich das Schöne im Leben suche? Ich würde nicht leben ohne meine Nächsten, so einfach ist diese Gleichung. Ohne die erotische Begegnung ist mein Atem ohne Sauerstoff und ich würde in kurzer Zeit tot darniederliegen, zum Vorteil von Nichts. Mein Geschlechtsorgan würde verwelken. Mein Blut würde rosten. Ich würde aufhören zu existieren, um stattdessen zu Kohle verwandelt zu werden und niemals, niemals wieder auferstehen. Ich gehe dieses Risiko nicht ein. Denn ich will leben.
Ich bin nicht gewillt, als jemand anderes zu leben als der, zu dem ich geboren bin.
Ich bin der Gott der Erotik.
Ein Gesandter auf Erden.
Ich bin gerade volljährig geworden, als ich meine Kraft entdecke. Mein Kopf ruht entspannt auf einer Sommerwiese und in den Wolken begegne ich der Schöpfung des Lebens. Ich weiß nicht, was ich will, weder mit dem Leben, noch mit mir selbst. Ich weiß nicht, wer ich bin. Nicht bis jetzt. Nicht vor diesem Tag. Es ist, als ob die Kraft des Universums nach mir ruft, mit einer Selbstverständlichkeit im Ton und mit Leichtigkeit in ihrer Überzeugung. Als ob alles seinen selbstverständlichen Platz einnimmt. Mein Sinn. Ich finde ihn in diesem Moment.
Ich erkenne meine Berufung: zu ficken.
Ich erkenne mein Ziel: Menschen zu verführen, einen nach dem anderen.
Und selbst verführt zu werden.
Meine Erziehung war genau das Gegenteil. Man hat mich auf einen anderen Gott hören lassen, einen, der sich von meinem neuentdeckten, wahren Gott unterscheidet. Man hat mir eingeredet, zu lieben sei der Inbegriff der Sünde. Das größte denkbare Vergehen eines Menschen sei es, Haut zu lieben, die nicht in vor einem Altar getraut wurde. Sex sei verboten, wenn er nicht zwischen Mann und Frau in einer vor Gott gepriesenen Ehe geschehe. Alles andere sei unheilig und falsch. Man hat gesagt, der Ungehorsam dagegen sei dasselbe, wie den Teufel zu umarmen und seine Füße zu küssen.
Ich wurde zu einem Zeugen einer kleinen Gruppe Menschen mit eigenen Vorstellungen und Wünschen, meist zum Vorteil für sie selbst erschaffen. Es ging um Dinge, die andere falsch machen, unheilig und entehrend. Lange höre ich auf diese Worte. Ich klopfe an Türen und verbreite die Botschaft, die mir als die absolut einzige vermittelt wurde. Ich habe zugehört, ohne in Frage zu stellen. Denn das tut man, wenn man dazu erzogen wird, auf niemand anderen zu hören als einige wenige. Ich klopfe an Türen und sage, dass der Herr dich liebt, wenn du auf diese Weise handelst, und dich in die brennenden Höllenfeuer verbannt, wenn du auf eine andere Weise handelst. Im Leben geht es darum, eine Person des anderen Geschlechts zu heiraten und nach Gottes Gesetzen und Grenzen zu leben. Das sage ich. Ich betone auch freimütig und selbstsicher, dass der Sexualakt ein notwendiges Übel ist. Dass Untreue eine Sünde ist. Dass es nicht von dieser Welt ist, jemanden des gleichen Geschlechts zu lieben. Man könnte sagen, dass ich drohe, aber das wäre aus Sicht dieser Gruppe Menschen die falsche Wortwahl. Und die korrekten Worte zu verwenden, darauf basiert ihre ganze Existenzberechtigung.
Ich werde an diesem Sommertag wie aus einem Dämmerschlaf geweckt. Wie durch eine himmlische Gabe erkenne ich, dass das, was ich gewesen bin und auf das ich gehört habe und das ich mein ganzes Leben lang weitergegeben habe – das ist nichts anderes, als die Überzeugungen anderer Menschen. Ein Bluff. Ich erwache wie aus einem Nebel und sehe das Selbstverständliche klar und deutlich. Ich bin an anderer. Ich glaube an etwas anderes. Und jetzt verstehe ich es. Auch wenn dieses Neue, dieses Andere, beinhaltet, dass ich nun an etwas glaube und von etwas überzeugt bin, was ich eben noch verachtet habe, so mache ich in meinen Gedanken und Ansichten dennoch diese Kehrtwende. Die Kraft ist so stark, die an diesem Tag zu mir kommt. Ich glaube an sie, ohne in Frage zu stellen. Denn sie gibt mir ein solches Gefühl der Reinheit. Der Wahrheit. Es ist, als ob das Universum, die Kraft, vielleicht sogar der Herr selbst, mich gesehen hat als der Mensch, der ich bin. Und es ist, als ob sich alle diese Kräfte gesammelt hätten, um mir hier und jetzt zu sagen, ihnen zu folgen. Es ist, als wäre es so vorbestimmt gewesen.
Mein voriges Umfeld distanziert sich natürlich von mir. Sie falten ihre Hände und malen das Zeichen des Teufels an meine Tür. Wollen mich dazu bringen, aufzuhören. Wollen mich bekehren, zum Licht, bevor es zu spät ist. Sie meinen es natürlich gut. Aber ich kann nicht auf sie hören. Nicht einmal, wenn ich es wollen würde (und das will ich nicht). Das hier ist der wirkliche Sinn. Und wenn es der eigentliche Sinn ist, hat es keinen Zweck, etwas zu ändern. Denn so stark ist die Kraft. Das Universum ist so stark, dass wenn es etwas will, dann wird es so. Der Mensch ist nur eine Marionette in dem großen, großen Spiel. Er spielt mit einer Figur, die sein Los ist, seine Stunde, Tage und Jahre auf Erden. Er spielt, so gut er es vermag. Oft beeinflusst er seine Situation durch seine Spielzüge. Aber am Ende, in gleichmäßigen Abständen, ist es etwas Größeres, das über ihn bestimmt. Das endgültig entscheidet.
Ich entscheide mich, wieder an Türen zu klopfen. Ich