Die bekanntesten Theaterstücke. Heinrich von Kleist
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Weiß, wann der Vater wiederkehrt. – Sie wollten
Ihn freilich suchen. – Ach, es treibt der Geist
Sie nicht, der alles leistet. – – Was zum Henker,
Es geht ja nicht, ich muß hinaus, ich habe
Ja Agnes ins Gebirg beschieden. – Fintenring!
Fintenring! (An die Türe klopfend.) Daß ein Donner, Tauber, das
Gehör dir öffnete! Fintenring! – – Schloß
Von einem Menschen, den kein Schlüssel schließt,
Als nur sein Herr. Dem dient er mit stockblinder
Dienstfertigkeit, und wenn sein Dienst auch zehnmal
Ihm Schaden brächt, doch dient er ihm. – Ich wollt
Ihn doch gewinnen, wenn er nur erschiene.
Denn nichts besticht ihn, außer daß man ihm
Das sagt. – – Zum mindsten wollt ich ihn doch eher
Gewinnen, als die tauben Wände! Himmel
Und Hölle! Daß ich einem Schäfer gleich
Mein Leid den Felsen klagen muß! – – So will
Ich mich, Geduld, an dir, du Weibertugend üben.
– 's ist eine schnöde Kunst, mit Anstand viel
Zu unterlassen – und ich merk es schon,
Es wird mehr Schweiß mir kosten, als das Tun.
(Er will sich setzen.)
Horch! Horch! Es kommt.
(Der Kerkermeister öffnet Eustachen die Türe.)
EUSTACHE (zu diesem): Ich werd es dir Vergelten
OTTOKAR:
Ach, Mutter!
EUSTACHE: Hör, mein Sohn, ich habe dir
Entsetzliches zu sagen.
OTTOKAR: Du erschreckst mich –
– Wie bist du so entstellt?
EUSTACHE: Das eine wirst
Du wissen schon, Jerome ist erschlagen.
OTTOKAR:
Jeronimus? O Gott des Himmels! Wer
Hat das getan?
EUSTACHE: Das ist nicht alles. Rupert
Kennt deine Liebe. –
OTTOKAR: Wie? Wer konnt ihm die
Entdecken?
EUSTACHE: Frage nicht – o deine Mutter,
Ich selbst. Jerome hat es mir vertraut,
Mich riß ein übereilter Eifer hin,
Der Wütrich, den ich niemals so gekannt –
OTTOKAR:
Von wem sprichst du?
EUSTACHE: O Gott, von deinem Vater.
OTTOKAR:
Noch faß ich dich nur halb – doch laß dir sagen
Vor allen Dingen, alles ist gelöset,
Das ganze Rätsel von dem Mord, die Männer,
Die man bei Peters Leiche fand, sie haben
Die Leiche selbst gefunden, ihr die Finger
Aus Vorurteil nur abgeschnitten. – Kurz,
Rein, wie die Sonne, ist Sylvester.
EUSTACHE: O
Jesus! Und jetzt erschlägt er seine Tochter. –
OTTOKAR:
Wer?
EUSTACHE: Rupert. Wenn sie in dem Gebirge jetzt,
Ist sie verloren, er und Santing sucht sie.
OTTOKAR (eilt zur Türe):
Fintenring! Fintenring! Fintenring!
EUSTACHE: Höre
Mich an, er darf dich nicht befrein, sein Haupt
Steht drauf. –
OTTOKAR: Er oder ich. – Fintenring!
(Er sieht sich um.) Nun
So helfe mir die Mutter Gottes denn.
(Er hängt einen Mantel um, der auf dem Boden lag.)
Und dieser Mantel bette meinem Fall.
(Er klettert in ein unvergittert Fenster.)
EUSTACHE:
Um Gotteswillen, springen willst du doch
Von diesem Turm nicht? Rasender! Der Turm
Ist funfzig Fuß hoch, und der ganze Boden
Gepflastert. – Ottokar! Ottokar!
OTTOKAR (von oben):
Mutter! Mutter! Sei wenn ich gesprungen
Nur still, hörst du? Ganz still, sonst fangen sie
Mich.
EUSTACHE (sinkt auf die Knie): Ottokar! Auf meinen Knieen bitte,
Beschwör ich dich, geh so verächtlich nicht
Mit deinem Leben um, spring nicht vom Turm.
OTTOKAR:
Das Leben ist viel wert, wenn mans verachtet.
Ich brauchs. – Leb wohl. (Er springt.)
EUSTACHE (steht auf): Zu Hülfe! Hülfe! Hülfe!
(Der Vorhang fällt.)
Fünfter Aufzug
Erste Szene