Untersuchungen über die radioaktiven Substanzen von Marie Curie. Marie Curie
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Wie bereits oben gesagt, habe ich danach gesucht, ob andre Substanzen außer den Uran- und Thorverbindungen aktiv wären. Ich ging bei diesen Untersuchungen von der Idee aus, daß es sehr wenig wahrscheinlich sei, daß die Radioaktivität als Eigenschaft der Atome betrachtet, nur einer bestimmten Art von Materie zukomme, unter Ausschluß aller übrigen. Die Messungen, die ich gemacht habe, erlaubten den Schluß, daß für die augenblicklich bekannten chemischen Elemente, incl. die allerseltensten und unsichersten, die von mir studirten Verbindungen wenigstens 100mal weniger aktiv in meinem Apparat wären als das metallische Uran. Von den bekannteren Elementen habe ich verschiedene Verbindungen untersucht, von den seltenen Körpern nur diejenigen Verbindungen, die ich mir gerade verschaffen konnte. Folgendes ist die Liste der Substanzen, die ich als Element oder in Verbindung untersucht habe:
1 Alle Metalle und Nichtmetalle, die leicht erhältlich sind, und einige seltenere in ziemlich reinem Zustand aus der Sammlung von Herrn Etard an der »École de physique et de chimie industrielles de la ville de Paris«.
2 Die folgenden seltenen Körper: Gallium, Germanium, Neodym, Praseodym, Niobium, Skandium, Gadolinium, Erbium, Samarium und Rubidium (von Herrn Demarçay geliehen); Yttrium, Ytterbium mit Neoerbium (von Herrn Urbain geliehen).2
3 Eine große Anzahl von Gesteinen und Mineralien.
Innerhalb der Empfindlichkeitsgrenze meines Apparates habe ich außer dem Uran und Thor keinen einfachen Körper gefunden, dessen Atome radioaktiv sind.3
Ich muß hier jedoch einige Worte bezüglich des Phosphors einfügen. Feuchter weißer Phosphor, zwischen die Kondensatorplatten gebracht, macht die Luft zwischen den Platten leitend.[28] Gleichwohl betrachte ich diesen Körper nicht als radioaktiv nach Art des Urans und Thors. Der Phosphor oxydirt sich nämlich hierbei und sendet Licht aus, während die Uran- und Thorverbindungen radioaktiv sind, ohne eine chemische Änderung zu erfahren, die mit den bekannten Mitteln nachweisbar wäre. Ferner ist der Phosphor weder in seiner roten Modifikation, noch in Verbindungen aktiv.
In einer neuen Arbeit hat Herr Bloch[29] gezeigt, daß der Phosphor, wenn er sich an der Luft oxydirt, Ionen erzeugt, die sehr schwach beweglich sind, die Luft leitend machen und Kondensation des Wasserdampfes hervorrufen.
Uran und Thor sind die beiden Elemente des größten Atomgewichts (240 und 232), man findet sie häufig in denselben Mineralien.
e) Radioaktive Mineralien.
Ich habe in meinem Apparat verschiedene Mineralien untersucht.4
Mehrere davon zeigten sich aktiv, z. B. die Pechblende, der Chalkolit, Autunit, Monazit, Thorit, Orangit, Fergusonit, Cleveit usw. Die folgende Tabelle enthält die Intensität i des mit metallischem Uran und mit verschiedenen Mineralien erhaltenen Stromes in Ampere:
i ⋅ 1011 | |
---|---|
Uran | 7,3 |
Pechblende aus Johanngeorgenstadt | 8,3 |
Pechblende aus Joachimsthal | 7,0 |
Pechblende aus Pzibram | 6,5 |
Pechblende aus Cornwallis | 1,6 |
Cleveit | 1,4 |
Chalcolit | 5,2 |
Autunit | 2,7 |
Verschiedene Thorite | 0,1 0,3 0,7 1,5 1,4 |
Orangit | 2,0 |
Monazit | 0,5 |
Xenotim | 0,03 |
Äschynit | 0,7 |
Fergusonit (zwei Proben) | 0,4 0,1 |
Samarskit | 1,1 |
Niobit (zwei Proben) | 0,1 0,3 |
Tantalit | 0,02 |
Carnotit | 6,2 |
Carnotit ist ein neuerdings von Friedel und Cumenge entdecktes, aus Uranvanadat bestehendes Mineral. Der mit Orangit (einem Thoroxyd-haltigen Mineral) erhaltene Strom variirt stark mit der angewandten Schichtdicke; vermehrte man diese Dicke von 0,25 bis 6 mm, so wuchs der Strom von 1,8 auf 2,7.
Alle Mineralien, die sich radioaktiv zeigen, enthalten Uran oder Thor, ihre Aktivität ist also nicht weiter erstaunlich, doch ist die Intensität der Erscheinung bei gewissen Materialien unerwartet groß. So findet man Pechblenden (uranoxydhaltiges Mineral), die viermal aktiver sind als metallisches Uran. Chalkolit (krystallisirtes Urankupferphosphat) ist zweimal aktiver als Uran. Autunit (Urancalciumphosphat) ist ebenso aktiv wie Uran. Diese Tatsachen waren in Widerspruch mit den früheren Betrachtungen, nach denen kein Mineral stärker aktiv hätte sein dürfen als Uran oder Thor.
Um diesen Punkt aufzuklären, habe ich nach dem Debrayschen([30], p. 445) Verfahren künstlichen Chalkolit hergestellt unter Benutzung reiner Ausgangssubstanzen. Dieses Verfahren besteht in der Mischung einer Lösung von Urannitrat mit einer Lösung von Kupferphosphat in Phosphorsäure und Erhitzung auf 50 bis 60 Grad. Nach einiger Zeit bilden sich die Chalkolitkrystalle in der Flüssigkeit.
Der so erhaltene Chalkolit besitzt eine durchaus normale, seiner Zusammensetzung entsprechende Aktivität; sie ist 2,5 mal kleiner als die des Urans.
Es wurde hiernach sehr wahrscheinlich, daß die Pechblende, der Chalkolit, der Autunit ihre starke Aktivität einer kleinen Quantität beigemengter stark aktiver Substanz verdanken, die verschieden ist vom Uran, vom Thor und den überhaupt bekannten einfachen Körpern. Wenn sich dies wirklich so verhielte, glaubte ich, hoffen zu dürfen, diese Substanz mittels gewöhnlicher chemisch analytischer Verfahren aus dem Mineral extrahiren zu können.
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