Die Kreutzersonate. Лев Толстой

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Die Kreutzersonate - Лев Толстой

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es Ihnen vielleicht unheimlich sein, mit mir zusammenzusitzen, jetzt, wo Sie wissen, wen Sie vor sich haben, so kann ich ja hinausgehen?“

      „Aber wieso! Durchaus nicht!“

      „Darf ich Ihnen vielleicht einen Tee anbieten? Er ist zwar etwas stark.“

      Er füllte ein Glas für mich.

      „Alles das Gerede! Alles Lug und Trug . . .“ sagte er.

      „Von was sprechen Sie, bitte?“ fragte ich ihn.

      „Noch immer vom gleichen Thema. Was die mit Liebe bezeichnen. Wollen Sie nicht schlafen?“

      „Nein, noch nicht!“

      „Interessiert es Sie, zu hören, wie mich diese gleiche Liebe zu dem Ereignis getrieben hat, das ich erlebt habe?“

      „Wenn es Ihnen nicht zu schwer wird?“

      „Nein, aber das Schweigen fällt mir schwer, Trinken Sie doch den Tee. Oder ist er Ihnen zu stark?“

      Er war wirklich wie Bier so dunkel, aber dennoch trank ich mein Glas aus. In diesem Augenblick ging der Schaffner durch den Wagen. Posdnyschow verfolgte ihn mit grimmigen Blicken, und erst als er fort war, nahm er die Erzählung auf.

      3.

      „Also ich werde Ihnen erzählen . . . Interessiert es Sie aber auch wirklich?“

      Noch einmal beteuerte ich ihm, daß es mich sehr interessiere. Er dachte nach, fuhr mit der Hand über seine Stirn und begann:

      „Ich muß meine Erzählung von Anfang an beginnen. Da muß ich Ihnen zuerst sagen, wie und warum ich geheiratet habe und was für ein Leben ich vor meiner Heirat geführt hatte.

      Vor meiner Heirat lebte ich wie alle unseres Standes. Ich bin Gutsbesitzer und Rechtskandidat. Eine Zeit aber war ich Adelsmarschall. Vor meiner Heirat führte ich wie alle unseresgleichen ein verlottertes Leben und bildete mir dabei ein, daß mein Leben so sei, wie es eben sein müßte. Ich glaubte von mir selbst, daß ich ein netter und wirklich sittlich vollkommener Mensch sei. Ich war kein Verführer, hatte keine unnatürlichen Neigungen, sah in den Ausschweifungen meines Lebens nicht den Kernpunkt, wie das doch viele meiner Altersgenossen taten. Ausschweifungen betrieb ich in Grenzen, anständig, nur der Gesundheit wegen. Dabei hielt ich mich von den Frauen fern, die mich durch Geburt oder allzu große Anhänglichkeit hätten fesseln können.

      Vielleicht mögen auch Kinder und Anhänglichkeiten bestanden haben, doch ich kümmerte mich nie um solche. Darin fühlte ich mich nicht nur moralisch einwandfrei, sondern empfand einen gewissen Stolz darüber.“

      Er hielt inne und stieß wieder einen jener Laute von sich, wie er das immer tat, wenn er einen neuen Gedanken faßte.

      „Darauf baut sich ja eben die größte Gemeinheit auf!“ schrie er los. „Ausschweifung liegt nicht im Physischen — eine rein physische Ausschweifung ist noch lange keine Unzucht; unter wirklicher Unzucht bezeichnet man ein Nichterkennen jeglicher moralischer Pflichten der Frau gegenüber, mit der man physisch verkehrt. Ich weiß noch genau, wie es mich quälte, als ich einmal übersehen hatte, eine Frau, die sich mir allem Anscheine nach aus Liebe hingegeben hatte, mit Geld abzufinden. Und erst, als ich ihr das Geld zugestellt hatte, war ich von meiner Unruhe befreit. Denn dadurch hatte ich ihr zu verstehen gegeben, daß ich mich in keiner Form moralisch ihr gegenüber gebunden hielt . . . Nicken Sie bitte nicht mit dem Kopfe, als seien Sie der gleichen Meinung!“ schrie er mich plötzlich an. „Ich kenne das schon! Wir alle, alle, auch Sie, wenn Sie nicht zufällig eine rühmliche Ausnahme bilden, vertreten die gleichen Standpunkte, auf die ich mich stellte. Na, es ist gleich, verzeihen Sie,“ fuhr er fort, „aber es ist doch schrecklich, schrecklich, schrecklich! Dieser Wirrwarr falscher Ansichten in bezug auf die Frauen und unsere Einstellungen ihnen gegenüber, in dem wir leben. Ja, ich kann nicht ruhig über diese Dinge sprechen; nicht etwa, weil ich jene kritische Episode erlebte, sondern weil ich damals sehend wurde und sich mir dann plötzlich alles in einem anderen Lichte zeigte, in einem anderen, ganz entgegengesetzten!“

      Er brannte eine neue Zigarette an, stützte die Ellbogen auf die Knie und begann zu erzählen.

      Die Dunkelheit machte mir sein Gesicht unerkennbar, dagegen vernahm ich durch das Geräusch des Zuges seine eindringliche und recht sympathische Stimme.

      4.

      „Ja, ja, erst nach den unsagbaren Qualen, die ich zu erdulden hatte, und nur dank dieser verstand ich, wo der Kern alles Übels steckt und wie alles eigentlich hätte sein sollen. Aus dieser Erkenntnis erlebte ich denn erst das Unheimliche alles dessen, was ist.

      Doch nun achten Sie bitte auf das, was mich zu meiner ,Episode‘ hintrieb und wie und wann es begann. Ich war damals noch nicht achtzehn Jahre alt, Gymnasiast noch, während mein älterer Bruder bereits Student im ersten Semester war. Wenn ich mich auch noch nie einer Frau genähert hatte, so war doch auch ich schon, wie alle unglücklichen Kinder unserer Gesellschaftsklasse, kein naiver Knabe mehr. Meine Mitschüler hatten mich schon seit einem Jahre ,aufgeklärt‘. Schon übte die Frau, nicht eine bestimmte Frau, sondern die Frau als ein wonniges Etwas — die Frauen als solche, der Gedanke an die nackte Frau einen geheimnisvollen Reiz auf mich aus. Die Stunden meines Alleinseins waren nicht mehr keusch. Ich zermarterte mich, wie sich neunundneunzig von hundert unserer Knaben zermartern. Ich entsetzte mich, litt, betete und ward doch nie erlöst. Verdorben war schon meine Phantasie, verdorben war ich auch schon in Wirklichkeit, ohne jedoch den letzten Schritt bereits getan zu haben! Ich allein sank moralisch, ohne an ein anderes menschliches Wesen Hand gelegt zu haben. Da tauchte nun plötzlich einmal ein Freund meines Bruders, ein ausgelassener Student, ein sogenannter guter Kerl auf, der größte Schuft übrigens, brachte uns das Trinken und Spielen bei und überredete uns schließlich nach einer wüsten Kneiperei, nach einem gewissen ,Hause‘ zu ziehen. Wir gingen dann auch hin. Mein Bruder, der auch wie ich noch unschuldig war, ließ hier seine Unschuld zurück. Und ich, der Sechzehnjährige, besudelte, ohne mir darüber klar zu sein, mich selbst und ein Weib. Hatte doch keiner der Erwachsenen mir jemals gesagt, daß das, was ich begangen, unmoralisch sei. Und heute, wer wagte da, diese Belehrung zu geben? Die Zehn Gebote sprechen allerdings davon, aber sie sind doch lediglich nur dazu da, sie dem Geistlichen beim Examinieren aufsagen zu können. Dabei wird ihnen längst nicht die Wichtigkeit beigemessen, die man dem Gebrauche des ,ut‘ im Bedingungssatze zuschreibt.

      Keiner der Erwachsenen, deren Ansichten ich hoch einschätzte, hatte mir also gesagt, daß das schlecht sei: im Gegenteil, von denen, an denen ich emporsah, hörte ich, daß es gut sei. Sie erzählten mir, daß alle meine Qualen, meine Martern später verschwänden. Ich hörte und las, daß es der Gesundheit zugute käme. Meine Freunde aber erblickten darin sogar nach ihrer Aussage etwas höchst Rühmliches. Jeder also billigte es als etwas Gutes. Die Gefahr einer Krankheit? Auch der ist vorgebeugt. Der Staat selbst hat Schutzmaßnahmen dafür getroffen. Er überwacht die vorgeschriebene Einrichtung dieser öffentlichen Häuser und sorgt für gefahrlose Ausschweifungen der Gymnasiasten. Ärzte leben von der Überwachung. Alles ist glänzend organisiert. Sie behaupten, die Unzucht sei der Gesundheit wegen erforderlich, und so sorgen sie für geregelte Abwicklung. Mir sind sogar Mütter bekannt, die in diesem Sinne für die Gesundheit ihrer Söhne sorgen. Selbst die Wissenschaft rät den Jünglingen zum Besuch dieser öffentlichen Häuser.“

      „Die Wissenschaft?“ fragte ich erstaunt.

      „Wozu gehören denn die Ärzte? Sind sie keine Priester der Wissenschaft. Sind sie es nicht, die die jungen Menschen durch die Behauptung verderben, der Gesundheit wegen sei es nützlich. Und dann doktern sie

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