ZwischenWelten. Группа авторов

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drei Jahrzehnte sind natürlich nicht so glatt verlaufen, wie es in einem so kurzen Rückblick aussehen mag. Unsere Streetwork-Prinzipien wie Freiwilligkeit, Vertraulichkeit und Lebensweltorientierung sind für uns nicht verhandelbar; egal, in welcher Lebenswelt wir junge Menschen aufsuchen. Natürlich gab es – auch, aber nicht nur deshalb – auch Unverständnis, Rückschläge und Auseinandersetzungen. Diese Retrospektive ist auch nur die Streetwork-Perspektive – ein Rückblick aus Sicht der JSA würde sicher etwas anders aussehen, weil die Zwänge innerhalb einer Strafanstalt sich natürlich noch wesentlich komplexer darstellen. Aber wir sind uns sehr sicher, dass wir uns in dem Ziel einig sind, den straffällig gewordenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein selbstbestimmtes Leben nach der Haft zu ermöglichen und schon während der Haft dafür so viel wie nur irgendwie möglich in Gang zu setzen. Und wir finden, dass uns der Erfolg Recht gibt.

      ROOT LEEB

      WEG. ZUM GLÜCK?

      Alle sind irgendwo weg gegangen, haben auf unterschiedlichen Wegen ihren Ursprungsort verlassen …

      Manche lassen alles zurück und manchmal kommen sie gut an.

      Manche lassen alles zurück und kommen nirgendwo an.

      Manche lassen alles zurück. Und müssen nach langem Unglück wieder dahin, wo sie aufgebrochen sind.

      Ich habe in der Jugendstrafanstalt Berlin junge Menschen getroffen, bei denen alles möglich ist.

      Ja, sie sind im Moment noch nicht richtig gut angekommen; irgendetwas haben sie falsch gemacht, dass sie da sind, wo ich sie getroffen habe. Aber es gibt Möglichkeiten, dass es noch gut wird.

      Ich habe andere Menschen getroffen, die hier verwurzelt sind und die den Jungen, die erst einmal in der JSA gestrandet sind, eine hilfsbereite Hand hinhalten. Einsatzbereite Frauen und Männer von Gangway und der JSA-Berlin, die unermüdlich Ausschau halten nach Ertrinkenden, nach Möglichkeiten, einen Rettungsring, eine Boje oder ein Tau auszuwerfen.

      Ob die dargebotene Hand genommen wird, ist jedes Mal ein Wunsch mit Fragezeichen.

      Manchmal schlagen Ertrinkende ja wild um sich, wenn man sie retten will, das kennen wir; dann gilt es aufzupassen, dass man nicht selbst hinuntergezogen wird in den Strudel und womöglich das Bewusstsein verliert. Oder das eigene bisherige Leben.

      Manchmal klammern sie sich so fest, dass einer oder einem Helfenden die Luft wegbleibt. Auch das gilt es zu vermeiden.

      Und dann sind da noch junge Menschen, die nur zaghaft die Hand ergreifen, misstrauisch oder geschwächt (wovon?) viel zu früh wieder loslassen, weil sie glauben oder von sich selbst fordern, alleine zurechtzukommen. Manchmal gelingt es ihnen tatsächlich, einen für sie guten Weg zu finden; manchmal kommen sie nach einiger Zeit und auf vielen, womöglich beschwerlichen Umwegen wieder auf die dargebotene Hand zurück.

      Viele sind orientierungslos. Sie haben zwar alles überlebt, sind aber aus irgendeinem Grund nicht richtig angekommen; ihre Erinnerungen gehen nur nach rückwärts in vergangenes Leben und Erlebtes, zu Menschen, die sie geliebt haben und zurücklassen mussten. Für nach vorne haben sie oft noch keine Vorstellungen, sie brauchen jemanden, der ihnen einen Weg zeigt. Den Weg für alle gibt es nicht, jeder muss seinen eigenen finden, und manche brauchen ein halbes Leben dafür.

      Ich hatte in der JSA das Gefühl, dass der Wille da ist, egal woher diese jungen Männer kommen, dass sie endlich ankommen wollen. Diese Anstalt ist für sie eine (hoffentlich nur einmal besuchte) Zwischenstation. Und ich hatte den Eindruck, dass auch die Menschen von der helfenden Seite diesen Willen stärken wollen, wecken kann man ihn wohl nicht. Ein Funke muss bereits vorhanden sein; wenn jemand sich selbst aufgegeben hat, scheint es aussichtslos.

      Auch die Männer des Justizvollzugs in der JSA so wie die Gefängnisleitung wirken unterstützend, Wohl wollend. Ich, die ich lange Jahre in einem gefängnisähnlichen Internat in Bayern verbracht habe und die Situation gut kenne, dass Besucher*innen immer nur die Sonnenseite der Institution gezeigt bekamen, hoffe sehr, dass das hier nicht nur für Außenstehende vorgespielt, sondern ehrlich und grundsätzlich so ist. Bei uns war das damals leider nicht der Fall. An den Tagen, an denen Menschen von außen kamen, seien es „Ehemalige“ oder Eltern, gab es besseres Essen, wurde eine Gelassenheit, ja Heiterkeit und Toleranz demonstriert, auch uns Schülerinnen gegenüber, die einfach nur guten Eindruck machen sollten und sofort verdunsteten, nachdem die Besucher das Haus wieder verlassen hatten.

      Wir konnten nicht einmal die eigenen Eltern überzeugen, wenn wir von scheinheiliger Selbstdarstellung des Internats sprachen. Was die Einsamkeit nur größer machte.

      Die Erinnerungen an früher kann und soll man nicht auslöschen. Die schlechten helfen, bestimmten Situationen besser zu widerstehen, sich zu wappnen mit dem Wissen, dass man ja einiges bereits überstanden hat, und die guten helfen ebenfalls, widrige Situationen zu überstehen; sie stärken ungemein – und vielleicht klären sie sogar den Blick nach vorne.

      Und das Schöne an Erinnerungen ist, sie reisen mit dem Menschen mit, der sie in sich trägt. Überall hin. Und wenn alles gut läuft, helfen sie, an dem zunächst fremden Ort etwas Neues aufzubauen …

      Und im besten Fall ist das dann genau das, was man als Zuhause, ja als Heimat empfindet.

      EMANUELA PILOLLI

      ZWISCHENWELTEN –

      EINBLICKE IN NEUE WELTEN

      Das erste Wort, welches mir in den Kopf kommt, wenn ich an unser aktuelles Projekt ZwischenWelten denke, ist „Brückenbau“. Unser Anspruch an das Projekt ist die Verbindung zwischen verschiedenen Kulturen, Sprachen, Nationalitäten, Religionen und Traditionen. Es soll ein Weg entstehen, der vom Alltag im Gefängnis zur Realität außerhalb der Mauern weist. Anders gesagt: Eine Brücke, die den Übergang erleichtert. Im Vordergrund steht nicht die Vermittlung von Moral und starren Konzepten, nicht die Lehre von richtig und falsch, sondern der Gedanke, dass die Teilnehmer (nur männlich) durch Interaktion und aktive Gestaltung eigene Strategien finden, mit diesen Themen umzugehen.

      Gemeinsam erarbeiten und besprechen wir in der Gruppe Gedanken, Ideen, Ängste und mehr, die die Teilnehmer im Hinblick auf ihre eigene, aber auch vermeintlich fremde Welten haben. Interaktive Kommunikation durch Gruppengespräche, Schreibübungen und Darstellungen sind die primären Bausteine, die uns helfen, interkulturelle und soziale Brücken zu bauen.

      Hinter jedem Einzelnen stehen sehr individuelle Geschichten, Schicksale oder Ängste, die zum Ausdruck gebracht werden wollen. Unsere Herangehensweise im Workshop hat somit einen Leitfaden, muss aber als ein dynamischer Prozess verstanden werden, der durch das Mitwirken und die Eigenschaften und persönlichen Erfahrungen der Teilnehmer spezifische Schwerpunkte setzt. Die Prozesse und Instrumente, die diesen Weg pflastern, können so verschieden sein wie die Teilnehmer selbst, sodass wir am Ende des Projekts ein buntes Venedig erschaffen wollen, was gut als Ganzes miteinander funktioniert.

      Wichtigster Bestandteil von ZwischenWelten ist der schriftliche und verbale Austausch in einem geschützten Raum, den wir den Jugendlichen zur Verfügung stellen.

      Trotz sprachlicher Barrieren wollen wir es schaffen, die bunte und kreative Welt des Einzelnen kennenzulernen und in unsere Arbeit aufzunehmen. Diese versteckt sich oftmals hinter sprachlichen Hemmungen, weil die Teilnehmer die deutsche Sprache nicht optimal beherrschen, aber auch hinter sozialen Mauern. Für viele ist es nicht einfach, sich vor

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