Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski. Henryk Sienkiewicz

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Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski - Henryk Sienkiewicz

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Lautenklang in der Stille der Nacht erschütterte ihn aufs höchste. Nur zu gut kannte er diese Weise. Wer sollte sie denn sonst spielen als sein Kind, sein einziges, geliebtes Kind! … Wie in Fieberhitze zitternd, stürzte er auf die Knie, faltete die Hände zum Gebete und lauschte und lauschte.

      Inzwischen hub eine halb kindliche, halb sehnsüchtig klingende Stimme zu singen an:

      Wie wär’ ich gerne

       Ein Gänslein klein,

       Ich flög’ in die Ferne

       Zu Jasio mein!

      Jurand wollte aufschreien, wollte den geliebten Namen rufen, allein die Worte erstarben ihm in der wie von einer eisernen Klammer zusammengepreßten Kehle. Der plötzlich mit aller Macht hervorbrechende Schmerz, die Thränen, die Sehnsucht, der Jammer drohten ihm die Brust zu zersprengen. Sich mit dem Gesichte auf den Schnee werfend, rief er mit der leidenschaftlichen Inbrunst, mit der man ein Dankgebet spricht: »O Jesu! So höre ich denn noch einmal die Stimme meines Kindes! O Jesu! …«

      Ein heftiges Schluchzen erschütterte den gewaltigen Körper Jurands. Aus dem Turme aber ertönte wiederum der sehnsüchtige Gesang in die Stille der Nacht hinaus:

      In Schlesien flög’ ich nieder

       Auf grünem Rain,

       Die Waise sieh wieder,

       O Jasienko mein!

      Da plötzlich erhielt der vor dem Thore liegende Ritter von der rohen Hand eines bärtigen deutschen Kriegsknechtes einen heftigen Stoß in die Seite.

      »Auf die Beine, Hund! … Das Thor ist offen, der Komtur befiehlt Dir, vor ihm zu erscheinen.«

      Jurand fuhr wie aus einem Traume empor. Doch er ergriff weder den Söldner an der Kehle, noch zermalmte er ihn mit seinen eisernen Händen, nein, mit einem ergebenen, fast demütigen Gesichtsausdrucke erhob er sich und folgte, ohne ein Wort zu sprechen, seinem Führer durch das Thor.

      Gleich darauf vernahm er hinter sich das Klirren von Ketten, die Zugbrücke wurde in die Höhe gezogen, das schwere, eiserne Gitter des Thores fiel herab.

      – – – – – –

      Fünfter Teil.

      Erstes Kapitel.

      Inhaltsverzeichnis

      Im Vorhofe der Burg angelangt, wußte Jurand anfangs nicht, wohin er sich wenden solle, da der Kriegsknecht, welcher ihn durch das Thor geführt hatte, ihn dann verließ und sich den Stallungen zuwandte. Allüberall auf den Zinnen standen Söldner, da und dort befand sich ein einzelner, an andern Stellen waren mehrere beisammen, allein ihre Mienen waren so frech, ihre Blicke so höhnisch, daß der Ritter sich sagen mußte, sie würden ihm den Weg nicht zeigen, und wenn sie seine Fragen überhaupt beantworteten, dies nur auf grobe und verächtliche Weise thun.

      Manche lachten, indem sie mit den Fingern auf ihn zeigten, von andern ward er mit Schnee beworfen, gerade wie am Tage zuvor. Er aber, der jetzt eine Thüre gewahrte, die höher und breiter war als alle andern und über der ein Christusbild aus Stein angebracht war, schritt darauf zu, weil er dachte, wenn der Komtur und die Aeltesten sich in einem anderen Teile der Burg befänden, müsse ihn doch jemand über seinen Irrtum aufklären und auf den richtigen Weg weisen.

      Und so geschah es auch. Im Augenblick, da Jurand sich jener Thüre näherte, öffneten sich plötzlich die beiden Thürflügel, und ein Jüngling trat hervor, dessen Haupt wie das eines Klerikers geschoren war, der aber weltliche Kleidung trug.

      »Seid Ihr Jurand, der Herr aus Spychow?« fragte er.

      »Ich bin es!«

      »Der Komtur befahl mir, Euch zu geleiten. Folget mir!«

      Und er führte ihn durch den gewölbten Gang der Treppe zu. An den Stufen blieb er indessen stehen und Jurand mit dem Blicke messend, fragte er: »Ihr tragt doch keine Waffen bei Euch? Man befahl mir, Euch zu durchsuchen.«

      Da richtete sich Jurand hoch auf, so daß der Jüngling seine kraftvolle Gestalt so recht ins Auge fassen konnte, und entgegnete: »Gestern habe ich alle ausgeliefert.«

      Jetzt dämpfte der Führer die Stimme und sagte beinahe im Flüstertone: »Dann hütet Euch, Euerem Zorn die Zügel schießen zu lassen, denn einer mächtig waltenden Hand seid Ihr anheim gegeben!«

      »Aber durch den Willen Gottes!« antwortete Jurand.

      Bei diesen Worten betrachtete er seinen Führer aufmerksam, und da er in dessen Antlitz etwas wie Mitgefühl wahrnahm, fügte er hinzu: »Offenheit und Redlichkeit schauen Dir aus den Augen, o Jüngling! Willst Du mir daher aufrichtig das beantworten, was ich Dich frage?«

      »Sprecht schnell!« sagte der Führer.

      »Werden sie nun, da ich gekommen bin, mein Kind freigeben?«

      Der Jüngling zog verwundert die Brauen zusammen.

      »Euer Kind ist es also, das sich hier befindet?«

      »Meine Tochter.«

      »Die Jungfrau in dem Turme am Thore?«

      »Ja! Sie versprachen, das Kind zurückzuschicken, wenn ich mich selbst stelle.«

      Der Führer machte eine Bewegung mit der Hand, zum Zeichen, daß er nichts wisse, aber sein Gesicht drückte Besorgnis und Zweifel aus.

      Und Jurand fragte weiter: »Es ist doch wahr, daß sie unter dem Schutze von Szomberg und Markwardt steht?«

      »Die beiden befinden sich gar nicht in der Burg. Bringt die Jungfrau fort, Herr, ehe der Starost Danveld wieder gesundet.«

      Als Jurand dies vernahm, begann er zu zittern, aber er hatte keine Zeit, noch mehr zu fragen, da sie nun in den oberen Stock und zu dem Saal gelangt waren, wo Jurand vor das Antlitz des Starosten von Szczytno treten sollte. Der Jüngling öffnete die Thüre und zog sich dann sofort wieder zurück.

      Der Gebieter von Spychow überschritt die Schwelle und befand sich in einer ungewöhnlich großen, aber düsteren Kemenate, da die in Blei gefaßten Fensterscheiben nur wenig Licht zuließen, der Tag aber trübe und winterlich war. Am äußersten Ende des Saales brannte zwar ein Feuer in dem großen Kamine, allein die feuchten Holzscheite leuchteten kaum. Erst nach einer gewissen Zeit, als Jurand sich an das Halbdunkel gewöhnt hatte, gewahrte er im Hintergrund einen Tisch, woran einige Ritter saßen, und hinter diesen eine ganze Schar bewaffneter Knappen, sowie bewaffneter Knechte, unter denen sich der Hofnarr befand, der einen zahmen Bären an der Kette hielt.

      Schon in früherer Zeit war Jurand mit Danveld zusammengetroffen, dann hatte er ihn zweimal am Hofe des Fürsten von Masovien als Gesandten gesehen, seitdem waren einige Jahre verflossen. Trotz des Halbdunkels erkannte er ihn daher sofort wieder an den Umrissen seiner feisten Gestalt und seines Gesichtes, sowie auch daran, daß er in der Mitte auf einem Armstuhl saß und die geschiente Hand auf die Lehne stützte. An seiner rechten Seite saß der alte Zygfryd de Löwe aus Insburk, der unversöhnliche Feind Jurands und des polnischen Stammes überhaupt, an seiner

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