Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski. Henryk Sienkiewicz

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Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski - Henryk Sienkiewicz

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de Löwe rüstete sich gerade für seine Fahrt nach Marienburg, als ihm der Postbote ganz unerwartet ein Schreiben Rotgiers überbrachte, das gar mancherlei Kunde über den masovischen Hof enthielt.

      Diese Nachrichten versetzten den alten Kreuzritter allgemach in die höchste Erregung. Vor allem war aus dem Briefe zu ersehen, daß Rotgier die Sache gegen Jurand dem Fürsten Janusz vortrefflich dargelegt und sie mit großer Geschicklichkeit vertreten hatte. Wohl lächelte Zygfryd, als er las, jener habe von dem Fürsten verlangt, daß Spychow als Entschädigung für das dem Orden zugefügte Unrecht den Kreuzrittern zu Lehen gegeben werde. Allein der zweite Teil des Schreibens enthielt unerwartete und weniger angenehme Berichte. Rotgier teilte nämlich ferner mit, er habe, um die Unschuld des Ordens an der Entführung von Jurands Tochter zu beweisen, den Rittern von Masovien seinen Handschuh hingeworfen und jeden Zweifler zum Zweikampfe vor ein Gottesgericht im Beisein des ganzen Hofes gefordert. »Keiner hob den Handschuh auf,« schrieb Rotgier weiter, »denn alle wußten, daß Jurand in seinem Schreiben Zeugnis für uns abgelegt hatte. Sie fürchteten daher das Gottesgericht. Da mit einem Male trat der junge Kämpe in den Kreis, den wir auf dem Jagdhofe gesehen haben, und nahm den Handschuh von der Erde. Seid daher nicht überrascht, wenn sich meine Rückkehr verzögert. Ich muß mich zu dem Kampfe stellen, da die Forderung von mir ausgegangen ist. Für die Ehre des Ordens gehe ich in diesen Streit, deshalb gebe ich mich der Hoffnung hin, der Großmeister werde mir diesen Schritt vergeben, wie Ihr ihn mir vergeben werdet, Ihr, den ich verehre, den ich mit dem Herzen eines Sohnes liebe. Mein Gegner ist ein junges unreifes Menschlein. Ich aber bin, wie Ihr wißt, an Kampf und Streit gewöhnt. Nicht schwer wird es mir daher fallen, das Blut meines Widersachers zum Ruhme des Ordens zu vergießen.«

      Das größte Staunen rief bei dem alten Zygfryd die Kunde hervor, daß Jurands Tochter vermählt sei. Der Gedanke, nun werde sich ein neuer, mächtiger und rachgieriger Feind in Spychow festsetzen, erregte sogar in dem bejahrten Komtur eine gewisse Unruhe. »Zweifellos,« sagte er sich selbst, »wird er auf Rache sinnen. Grimmige Rache wird er nehmen, sobald er sein Weib wieder gefunden und von ihr vernommen hat, daß sie durch uns von dem Jagdhofe entführt ward. Unverweilt würde es sich ja dann zeigen, weshalb wir Jurand zu uns entboten haben, daß wir dies nur thaten, um ihn zu verderben, ohne je den Gedanken gefaßt zu haben, ihm die Tochter zurückzugeben.« In Zygfryd regte sich auch sofort die Ueberzeugung, der Großmeister werde auf das Schreiben des Fürsten hin eine Untersuchung in Szczytno anordnen, um sich dadurch selbst vor Janusz zu rechtfertigen, war es doch für den Großmeister und das Kapitel von höchster Bedeutung, wenn sich in einem Kriegsfalle mit dem mächtigen König von Polen die masovischen Fürsten jeder Parteinahme enthielten. Denn ganz abgesehen von der Macht dieser Fürsten, gebot es sich schon durch die große Zahl masovischer Edeln und in Anbetracht von deren unendlicher Tapferkeit, keine Geringschätzung gegen Janusz und dessen Bruder an den Tag zu legen. Der Frieden mit letzterem bedeutete für die Kreuzritter Sicherheit der Grenze auf weite Strecken hinaus und erleichterte dem Orden eine engere Zusammenziehung seiner Streitkräfte. Gar häufig war dies schon in Marienburg vor Zygfryd verhandelt und der Hoffnung Raum gegeben worden, es werde sich nach dem Siege über den König schon ein Vorwand finden, um gegen Masovien vorzugehen, das dann keine Macht der Welt mehr den Händen der Kreuzritter entreißen könne. Dies war eine ganz klare Berechnung und bildete einen weiteren Grund, weshalb der Großmeister alles zu vermeiden suchte, was den Zorn des Fürsten Janusz erregen konnte. Als Ehegemahl von Kiejstuts Tochter war dieser weit schwerer zu behandeln, als Ziemowit aus Plock, dessen Weib dem Orden rückhaltlos anhing, ohne daß eine besondere Ursache dafür bekannt gewesen wäre.

      Trotz seines Ehrgeizes für den Ruhm des Ordens regte sich in dem alten Zygfryd das Gewissen. »Wäre es vielleicht nicht ratsamer, Jurand und dessen Tochter freizulassen?« fragte er sich. »Schmach und Schande würde zwar dann dem Namen Danvelds anhaften, doch er ist ja nicht mehr am Leben. Und selbst wenn der Großmeister mich und Rotgier, die wir ja an allen Thaten Danvelds teilgenommen haben, zur Rechenschaft ziehen wollte, gereichte dies vielleicht zum Vorteile des Ordens!« Allein schon der Gedanke an Jurand versetzte das rachedurstige Herz des Kreuzritters in Aufruhr.

      Wie, sollte er ihn wirklich freigeben, diesen Bedrücker, diesen Henker der Ordensbrüder, den Sieger in zahllosen Treffen, den Urheber schmachvoller Scharmützel, den triumphierenden Gegner, ja, den Mörder Danvelds, den Bezwinger de Bergows, den Mörder Majnegers, den Mörder von Godfryd und Hugo, ihn, der in Szczytno mehr deutsches Blut vergossen hatte, als in irgend welchen Kriegsläuften vergossen worden war. »Ich vermag es nicht, ich vermag es nicht!« murmelte Zygfryd vor sich hin, während sich seine Finger zusammenkrampften und sein Atem sich nur mühsam der eingefallenen Brust entrang. Und doch, wenn die Freilassung zum Nutzen, zum Ruhm des Ordens gereichte? Wenn die Strafe, welche die noch lebenden Miturheber des Verbrechens treffen würde, den bis jetzt feindlich gesinnten Fürsten Janusz versöhnen und einen Vergleich, ja, den Frieden herbeizuführen im stande wäre? »Wohl sind sie aufbrausend,« fuhr der alte Komtur in seinem Selbstgespräche fort, »sobald man ihnen jedoch auch nur ein klein wenig entgegen kommt, vergessen sie rasch die erlittenen Kränkungen. Fürst Janusz hat sich in keiner Weise gerächt, obgleich er auf seinem eigenen Grund und Boden aufgegriffen worden ist!« Im tiefsten Innern erregt, schritt Zygfryd in der Halle hin und her. Schließlich stand er vor dem Kruzifixe still, das gegenüber der Thüre zwischen zwei Fenstern hing und fast die ganze Höhe der Wand einnahm. Hier warf er sich plötzlich auf seine Knie und sprach also: »Erleuchte mich, o Herr, belehre mich, o Herr, denn ich weiß nicht, was mir zu thun obliegt. Gebe ich Jurand und dessen Tochter frei, dann wird unsere That in ihrer ganzen Nacktheit enthüllt werden. Kein Mensch wird sagen: Danveld hat dies gethan, oder Zygfryd that dies, nein alle werden in den Ruf einstimmen: die Kreuzritter sind die Urheber davon. Schmach und Schande werden den Orden treffen, noch größer wird der Haß des Fürsten werden. Doch wenn ich jene nicht freigebe, wenn ich sie im Kerker verborgen halte, wenn ich sie töte, bleibt dann nicht der Verdacht auf dem Orden haften, muß ich dann nicht vor dem Großmeister meine Lippen mit einer Lüge beflecken? Was soll ich beginnen, o Herr! Lehre Du es mich, erleuchte mich! Wenn Rachedurst mich verzehrt, o so richte in Deiner Barmherzigkeit! Nun aber lehre mich, erleuchte mich! Um Deinen Orden handelt es sich, was Du befiehlst, das will ich thun, selbst wenn ich in einem Kerker und in Ketten auf den Tod oder auf die Befreiung harren müßte!«

      Die Stirn an das Kreuz gepreßt, betete Zygfryd noch lange inbrünstig, ohne daß es ihm zum Bewußtsein gekommen wäre, sein Gebet sei verwerflich, sei eitel Gotteslästerung. Als er sich endlich erhob, war er gefaßter, in sich geklärter. Eine große Gnade, so dünkte ihn, sei ihm zu teil geworden, er glaubte eine Stimme von oben vernommen zu haben, die ihm zurief: »Stehe auf und harre auf die Rückkehr Rotgiers.« Ja, das mußte er thun. »Nach dem Siege Rotgiers über den jungen Fant,« so sagte sich Zygfryd, »steht es bei jenem, Jurand und dessen Tochter noch länger verborgen zu halten oder freizugeben. Voraussichtlich wird der Fürst auch in ersterem Falle der beiden nicht vergessen, da ihm aber jeder Beweis dafür fehlt, von wem das Mägdlein entführt ward, bleibt ihm nichts übrig als Nachforschungen anzustellen, ein Schreiben an den Großmeister zu senden, nicht mit einer Anklage, nein, mit der Bitte um Untersuchung – und was wäre die Folge von all diesem? In der ganzen Angelegenheit würde niemals ein Endziel erreicht werden. Im andern Falle würde die Freude über die Rückkehr von Jurands Tochter den Wunsch nach Rache wegen ihrer Entführung ersticken. Uns aber steht dann noch immer die Behauptung frei, wir hätten das Mägdlein erst nach dem fürchterlichen Blutbade in Szczytno gefunden.« Dieser Gedanke beruhigte Zygfryd einigermaßen, besonders da er in Betreff Jurands schon längst gemeinsam mit Rotgier einen Plan entworfen hatte, durch dessen Ausführung Jurand selbst nach seiner Freilassung daran gehindert sein würde, Klage zu führen oder Rache zu nehmen. Voll Freude erinnerte sich jetzt Zygfryd dieses Mittels, und mit Genugthuung gedachte er daran, daß in Ciechanow ein Gottesgericht den blutigen Kampf entscheiden sollte. Keinen Augenblick sorgte er sich daher über dessen Ausgang. Ein Turnier in Königsberg kam ihm in den Sinn, in dem Rotgier zwei berühmte Ritter darniedergestreckt hatte, die in ihrem Heimatlande Anjou als unbesiegbar galten, er erinnerte sich eines Kampfes bei Wilno mit einem polnischen Ritter, einem der Mannen von Spytko aus Melsztyn, der auch von Rotgier erschlagen worden war. Sein Antlitz strahlte, sein Herz ward von Stolz geschwellt, hatte er doch dem jetzt schon mit Ruhm bedeckten Ritter Rotgier die

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