Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski. Henryk Sienkiewicz
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Aus dem Hochwalde kamen sie nach geraumer Zeit in ein mit Gesträuchen bewachsenes Dickicht, in dem das Fahren eine Unmöglichkeit wurde. Die Wagen mußten nun auseinandergenommen werden. Dies geschah indessen ebenso rasch wie geschickt. Die kraftvollen Mannen luden sich hierauf Räder, Deichseln und die andern Teile der Wagen, sowie das Gepäck auf die Schultern und trugen alles auf dem entsetzlich schlechten Wege mehrere hundert Schritte weit. Trotz der größten Anstrengung erreichten sie denn erst spät am Abend die Hütten, wo sie von den Pechsiedern gastlich empfangen wurden. Von ihnen erhielten sie auch die Versicherung, daß sie durch das Höllenthal oder vielmehr, wenn sie sich längs desselben hielten, in die Stadt kommen konnten. Diese Leute, welche beständig in einer Einöde lebten, bekamen zwar nur selten Brot und Mehl zu sehen, Hunger mußten sie indessen niemals leiden, hatten sie doch stets nicht nur Ueberfluß an geräuchertem Fleisch, sondern vornehmlich an geräucherten Pisgurren, Fische, von denen die Wassertümpel wimmelten. Reichlich boten sie ihre Vorräte dar, streckten aber dann immer wieder, um Fladen bittend, die Hände aus. Männer, Weiber und Kinder, alle waren sie geschwärzt von dem Pechrauche. Einer der Männer, ein fast hundertjähriger Greis, erinnerte sich noch der im Jahre 1331 in Leczyca verübten Metzeleien, sowie der völligen Zerstörung dieser Stadt durch die Kreuzritter. Obgleich nun Macko, Hlawa und die beiden Mägdlein fast alles schon von dem Prior in Sieradz gehört hatten, lauschten sie doch voll Spannung den Worten des alten Mannes, in dem, während er am Feuer saß und die Kohlen schürte, die entsetzlichen Erinnerungen aus seiner Jugendzeit wieder aufzuleben schienen. Ja, ähnlich wie in Sieradz waren auch in Leczyca weder Kirchen noch Priester verschont worden, umfloß das Blut der Greise, der Frauen und Kinder stromweise die Füße der Sieger. Ach, diese Kreuzritter! Immer und immer wieder diese Kreuzritter! Mackos und Jagienkas Gedanken weilten unaufhörlich bei Zbyszko, der ja während seines Aufenthaltes bei diesen feindlich gesinnten Deutschen ebenso gefährdet war, wie wenn er in den Rachen eines Wolfes geraten wäre. Auch der Tochter der Sieciechowa wurde es bange ums Herz, lag doch die Möglichkeit vor, unter diese entsetzlichen Ordensritter zu geraten, wenn man die Spuren des Abtes weiter verfolgte.
Der Alte aber begann schließlich von jener Schlacht bei Plowce zu erzählen, durch welche den Einfällen der Kreuzritter ein Ende gemacht worden war. Er selbst hatte, den eisernen Dreschflegel in der Hand, als Knecht unter dem von einer Bauerngemeinde errichteten Fußvolke mitgekämpft. Dies war die Schlacht, in der fast das ganze Geschlecht Mackos den Tod gefunden hatte, deshalb waren diesem auch fast alle Einzelheiten genau bekannt. Nichtsdestoweniger schien es, als ob er etwas ganz Neues erführe, als er der Erzählung des Alten lauschte, der nun von der furchtbaren Niederlage der Deutschen berichtete. Gleichwie der Wirbelsturm in den Saaten wütet, hatten die Schwerter der polnischen Ritter unter den Deutschen gewütet, so unaufhaltsam waren diese von der gewaltigen Faust des Königs Lokietek darnieder geschmettert worden.
»Ja, ja, gar gut erinnere ich mich noch an alles,« erklärte der Greis. »Ich weiß es noch sehr gut, wie sie in das Land einfielen, wie sie Burgen und Schlösser niedergebrannt haben, wie sie die Kinder in der Wiege dahinschlachteten. Doch, traun, der Tag der Vergeltung blieb nicht aus. Hei, das ist eine Schlacht gewesen! Wenn ich jetzt die Augen schließe, sehe ich noch den Kampfplatz deutlich vor mir.«
Und der Alte schloß die Augen und versank, mechanisch die Kohlen in der Asche aufschürend, in sinnendes Schweigen. Aber Jagienka, die voll Spannung der weiteren Erzählung entgegensah, fragte schließlich: »Wie ist es denn auf dem Kampfplatze gewesen?«
»Wie’s auf dem Kampfplatze gewesen ist?« wiederholte der Greis. »Ich erinnere mich an alles noch so gut, als ob ich es heute vor mir sähe. Der größte Teil des Gefildes war mit Gestrüppe bedeckt, rechts aber befanden sich Sümpfe und schmale Streifen von Stoppelfeldern. Nach der Schlacht jedoch war nichts mehr von dem Gestrüppe, nichts mehr von den Sümpfen und nichts mehr von den Stoppelfeldern zu erblicken. Nur Eisen und Eisen lag umher: Schwerter, Streitäxte, Speere und prächtige Rüstungen, eines auf dem andern, gerade als ob jemand die ganze geheiligte Erde damit bedeckt hätte! … Niemals zuvor sah ich so viele erschlagene Geschlechter auf einem Haufen zusammenliegen, niemals zuvor sah ich so viel Menschenblut fließen.«
Auch Macko schwoll das Herz vor Stolz bei dieser Erinnerung, und er rief: »Das ist die reine Wahrheit. Unser Herr Jesus ist barmherzig. Ueber das ganze Königreich sind sie seiner Zeit hereingebrochen wie das Feuer oder wie die Pestilenz. Nicht nur Sieradz und Leczyca haben sie zerstört, sondern noch viele andere Plätze. Und was war die Folge hiervon? Hei, unser Volk hat ein unverwüstliches Leben in sich, seine Kraft kann nicht gebrochen werden! So einer dieser Hundsbrüder, dieser Kreuzritter, einen der unsrigen auch an der Kehle packt, zu erwürgen vermag er ihn nicht, denn die Zähne werden ihm eingeschlagen … Schaut doch umher! König Kasimir hat Sieradz sowohl wie Leczyca weit prächtiger aufgebaut, als dies zuvor der Fall gewesen ist, und wie von Alters her werden dort Versammlungen abgehalten, während die bei Plowce erschlagenen Kreuzritter in der Erde verfaulen. Gott gebe einem jeden von ihnen ein solches Ende!«
Beifällig nickte der Greis bei diesen Worten mit dem Kopfe, schließlich hub er also an: »Das ist wohl kaum der Fall, das ist wohl kaum der Fall. Nach der Schlacht befahl zwar der König dem Fußvolk, Gruben zu graben, und die Leute aus der Umgegend halfen dabei, daß die Schaufeln nur so knirschten. Dann legten wir die Deutschen in die Gruben, die wir der Ordnung gemäß gut zuwarfen, damit sich keine Seuchen entwickeln konnten, allein in den Gräben sind jene nicht geblieben.«
»Wie, dort sind sie nicht geblieben? Was ist denn mit ihnen geschehen?«
»Mit eigenen Augen habe ich es nicht gesehen, ich erzähle Euch daher nur das, was ich von andern hörte. Nach der Schlacht erhob sich ein entsetzlicher Sturm, der zwölf Wochen hindurch, jedoch nur des Nachts, heulte und tobte. Bei Tag herrschte eitel Sonnenschein, bei Nacht aber raste der Wind so gewaltig, daß er geradezu die Haare den Menschen vom Kopfe riß. Nichts anderes wie Teufel sind es gewesen! Brüllend und mit der Heugabel bewaffnet sausten ganze Scharen, gleich einem Sturmwinde dahin, und befand sich einer der Teufel über den Gruben, so stieß er mit der Heugabel in die Erde, zog einen Kreuzritter hervor und nahm ihn mit sich in die Hölle. Wohl hörten dann die Leute in Plawce ein Geheul wie von einem Rudel Hunde, sie vermochten jedoch nicht zu unterscheiden, ob die Deutschen aus Angst und Schrecken derart heulten, oder die Teufel aus Lust und Freude. Dies dauerte so lange, bis ein Priester die Gruben weihte, und bis zu Neujahr die Erde so fest gefroren war, daß sie mit keiner Heugabel durchstochen werden konnte.«
Jetzt schwieg der Alte eine kurze Weile, fuhr aber dann also fort: »Gott lasse einem jeden der Kreuzritter das Ende zu teil werden, daß Ihr ihnen gewünscht habt, Herr Ritter, wenn gleich ich dies ja nicht mehr erleben werde. Solche Bürschlein aber wie diese zwei können noch Zeuge von gar manchem sein, niemals jedoch werden sie ähnliches erschauen, was ich erschaut habe.«
So sprechend blickte der Greis abwechselnd bald auf Jagienka, bald auf die Tochter der Sieciechowa, wobei sich immer größeres Staunen über deren Schönheit auf seinem Antlitz zeigte.
»Wie die Mohnblumen in einem Getreidefelde,«