Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski. Henryk Sienkiewicz
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski - Henryk Sienkiewicz страница 39
Nach Ablauf einer gewissen Zeit verbreitete sich in der That häufig die Kunde von der Gefangennahme der freiwilligen ausländischen Krieger, welche sich an der Grenze bei den Kreuzrittern angesammelt hatten, und man hörte von verbrannten Schlössern, von aufgegriffenen Bauern und von Zweikämpfen auf Leben und Tod, aus welchen der schreckliche Jurand immer als Sieger hervorging. Bei der ungezügelten Natur der Masuren und der deutschen Ritter, denen von seiten des Ordens das an Masovien grenzende Land samt den Burgen verliehen worden war, hörten auch dann, wenn die masovischen Fürsten scheinbar Frieden mit dem Orden geschlossen hatten, die Kämpfe niemals ganz auf. Selbst um die Bäume im Walde zu fällen oder die Saat zu ernten, zogen die Bewohner mit Armbrust und Speer bewaffnet aus. Die Leute lebten in beständiger Sorge um den kommenden Tag, sie mußten fortwährend zum Kampfe bereit sein, denn überall zeigte sich Härte und Grausamkeit. Niemand begnügte sich damit, sich selbst zu schützen, zu verteidigen, sondern man vergalt Raub mit Raub, Brandstiftung mit Brandstiftung, feindliche Ueberfälle mit Ueberfällen. Gar oft, wenn die Deutschen behutsam am Waldessaum dahinschlichen, um irgend eine Burg zu überrumpeln, um die Bauern und das Vieh fortzuführen, thaten die Masuren zur gleichen Zeit das Gleiche. Häufig trafen sie zusammen und schlugen solange auf einander, bis sie kampfunfähig waren, oftmals forderten sich auch nur die Anführer zum Kampfe auf Leben und Tod heraus, und dann ward der Sieger unumschränkter Herrscher über das Gefolge des Besiegten. An den Warschauer Hof gelangten denn auch viele Klagen über Jurand, der Fürst hingegen beklagte sich über die häufigen Einfälle der deutschen Ritter in fremde Gebiete. Da nun von beiden Seiten Gerechtigkeit verlangt wurde, aber keine der beiden Parteien sich dem Gesetze fügen wollte oder konnte, gingen alle Räubereien, Brandstiftungen und Ueberfälle ungestraft vorüber.
Wenn sich Jurand, über Rachegedanken brütend, in seinem sumpfigen, mit Schilf bewachsenen Spychow aufhielt, drohte seinen deutschen Nachbarn so viel Unheil, daß schließlich ihre Furcht die Oberhand über ihren Haß gewann. Die an Spychow grenzenden Felder wurden nicht bebaut, wilder Hopfen und Haselnußsträucher schossen in den Wäldern empor, die Wiesen waren mit allerlei unnützen Gewächsen bedeckt. Mehrere deutsche Ritter, welche das in ihrem Vaterlande herrschende Faustrecht rücksichtslos ausübten, versuchten, sich in der Umgegend von Spychow anzusiedeln, aber jeder zog es nach einiger Zeit vor, das ihm zu Lehen gegebene Land samt dem Vieh, samt den Bauern zu verlassen, um nicht in der Nähe dieses rachsüchtigen, unerbittlichen Mannes leben zu müssen. Zuweilen verbanden sich die Ritter und zogen mit einander gegen Jurand aus, aber dies endigte für sie stets mit einer Niederlage. Nun verfiel man auf die verschiedenartigsten Mittel. So berief man einen durch seine Kraft und Stärke bekannten Ritter, der unweit Jurands hauste und aus allen Fehden siegreich hervorgegangen war, damit er letzteren zum Kampfe auf festgetretener Erde fordere. Aber als sie sich in den Schranken gegenüberstanden, verließ den Deutschen der Mut wie durch Zauber beim Anblick des schrecklichen Masuren, und er wandte sein Pferd zur Flucht. Jurand aber stieß ihm die Lanze in den unbeschützten Rücken, so daß der fremde Ritter von diesem Tage an seiner Ehre und seines Ruhmes verlustig ging. Von nun an ward Jurand noch mehr von seinen Nachbarn gefürchtet, und sobald ein Deutscher auch nur von ferne den von Spychow aufsteigenden Rauch gewahrte, bekreuzte er sich und sprach rasch ein Gebet zu seinem Schutzheiligen im Himmel, denn es ging die Rede, Jurand habe, um seiner Rache willen, seine Seele bösen Geistern verschrieben.
Ueber Spychow verbreiteten sich die ungeheuerlichsten Dinge. Man erzählte sich, durch den klebrigen Morast, zwischen Binsen, Froschlattich und Wassertümpeln führe ein so schmaler Pfad zur Burg, daß zwei Reiter nicht im stande seien, neben einander zu bleiben, sondern sich hintereinander durcharbeiten müßten. Zu beiden Seiten des Weges aber könne man die gebleichten Gebeine der deutschen Ritter liegen sehen, während sich des Nachts auf Spinnenfüßen die Köpfe der Ertrunkenen dort ergingen, um unter Winseln und Klagen die sich nähernden Menschen samt den Pferden in die Tiefe zu ziehen. Auch behaupteten viele, die Palissaden der Burg seien mit Menschenschädeln geschmückt. Wohl war es richtig, daß in den unterirdischen Gewölben in Spychow immer einige Gefangene schmachteten, und schließlich erregte der Name Jurands noch größere Furcht als all jene erfundenen Dinge von Gerippen und Ertrunkenen.
Kaum hatte Zbyszko Jurands Ankunft erfahren, als er sich mit dem Hofherrn auf den Weg machte, wenn schon er dem Zusammentreffen mit dem Vater Danusias in einer gewissen Erregung entgegensah. Daß er Danusia zu seiner Herrin erwählt, sich ihr angelobt hatte, konnte ihm niemand verwehren, aber jetzt war er ja durch die Fürstin mit Danusia verlobt worden. Was wohl Jurand darüber sagen mochte! Ob er seine Einwilligung geben werde oder nicht? Und wie würde es werden, wenn er ihn als Vater mit rauhen Worten zurückwiese und die Heirat niemals zuließe? Diese Fragen erfüllten Zbyszkos Herz mit banger Furcht, denn Danusia galt ihm mehr als alles andere auf der Welt. Einzig nur der Gedanke flößte ihm Mut ein, daß Jurand ihm jenen Ueberfall auf Lichtenstein als Verdienst, nicht als Fehler anrechnen werde, da auch der Gedanke, Danusias Mutter zu rächen, ihn dazu angetrieben hatte und er beinahe deshalb das eigene Leben eingebüßt hätte.
Unterwegs begann er den ihn geleitenden Hofherrn auszuforschen, welcher seinetwegen zu Amylej gekommen war.
»Wohin führt Ihr mich?« fragte er. »Auf das Schloß?«
»Auf das Schloß allerdings. Jurand hält sich mit dem Hofe der Fürstin dort auf.«
»Sagt mir doch, was das für ein Mensch ist, damit ich weiß was ich mit ihm reden soll.«
»Was soll ich Euch sagen? Er ist ganz anders als andere Leute. Man sagt, früher sei er heiter gewesen, das heißt, ehe ihm das Blut zu Galle geworden ist.«
»Ist er ein kluger Mann?«
»Arglistig ist er, denn andre schindet er und sich selbst giebt er nicht, wie er ist. Wohl hat er nur ein Auge, denn das andere haben ihm die Deutschen mit Pfeilen ausgeschossen, aber mit dem einen kann er einem Menschen bis ins innerste Herz sehen. Niemand ist im stande, es mit ihm aufzunehmen. Nur die Fürstin liebt er, ihr Hoffräulein hat er zur Gattin genommen und jetzt erzieht sie seine Tochter.«
Zbyszko holte tief Atem.
»Sagt mir nur, ob er sich dem Wunsche der Fürstin nicht widersetzt!«
»Ich weiß, was Ihr wissen wollt, und was ich hörte, werde ich Euch sagen. Die Fürstin redete mit ihm von Euerm Verlöbnis, denn es wäre nicht richtig gewesen zu schweigen, aber was er darauf antwortete – ist mir unbekannt.«
So sprechend, gelangten sie zum Thore. Der Hauptmann der königlichen Bogenschützen, der nämliche, welcher Zbyszko damals zum Schafott geleitet hatte, begrüßte ihn jetzt mit einem freundlichen Kopfnicken. An der Wache vorüber kamen sie bis zum Schloßhofe und wendeten sich dann rechts nach einem Seitengebäude, worin die Fürstin wohnte. Der Hofherr fragte einen Pagen, den sie am Eingänge trafen: »Wo befindet sich Jurand aus Spychow?«
»In der gewölbten Kemenate bei seiner Tochter.«
»Das ist hier!« sagte der Hofherr, auf eine Thüre zeigend.
Zbyszko bekreuzte sich, und den Vorhang an der offenen Thüre zur Seite schiebend, trat er mit klopfendem Herzen ein. Aber er gewahrte Jurand und das junge Mädchen nicht sogleich, da es in der niedrigen gewölbten Kemenate ziemlich dunkel war. Erst nach einer Weile erblickte er das helle Köpfchen Danusias, die auf dem Schoße ihres