Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski. Henryk Sienkiewicz
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Nachdem de Lorche die Antwort Mackos vernommen hatte, beobachtete er ununterbrochen die hohen Gestalten der Jäger, welche, in einer gesunden, von Harzgeruch erfüllten Luft lebend und sich, wie fast alle damaligen Bauern vornehmlich von Fleisch nährend, schon mehr als einmal die ankommenden Fremdlinge durch ihre Größe, durch ihre Kraft in Staunen versetzt hatten. Von Ungeduld gequält, vermochte Zbyszko hingegen kaum am Feuer still zu sitzen. Er verwandte kein Auge von dem Thore und von den Fenstern des fürstlichen Gebäudes. Nur eines dieser Fenster war indessen beleuchtet, augenscheinlich das der Küche, denn zwischen den Spalten der ganz ungenügend schließenden Scheiben drang dichter Rauch heraus. Alle andern waren dunkel oder schimmerten in dem Glanze des anbrechenden Tages, der immer lichter wurde und auf den schneebedeckten Wald einen silbernen Schein warf. Zeitweise traten aus einem oder dem andern niedrigen Seitenpförtchen Diener, in die fürstlichen Farben gekleidet, heraus, um mit den an Trägerstangen hängenden Eimern oder Kübeln Wasser am Brunnen zu schöpfen. Ein jeder dieser Leute antwortete auf die Frage, ob denn alles noch schlafe, daß der ganze Hofstaat, ermüdet von der stattgefundenen Jagd, länger als sonst der Ruhe pflege, daß aber schon der Morgenimbiß zur Stärkung vor dem Aufbruche bereitet werde.
Der aus der Küche aufsteigende Geruch von Fett und Safran verbreitete sich auch thatsächlich mit einem Male bis zu den um das Feuer Lagernden. Einen Einblick in den hell erleuchteten Flur gewährend, öffnete sich dann plötzlich knirschend das Hauptthor, und ein Mann trat auf die Schwelle, in dem Zbyszko auf den ersten Blick einen der fahrenden Schüler erkannte, die er seiner Zeit in dem fürstlichen Gefolge in Krakau gesehen hatte. Ohne irgendwelche Rücksicht auf Macko aus Turoboje oder auf de Lorche zu nehmen, sprang nun Zbyszko so eilig auf das Thor zu, daß der darüber erstaunte Lothringer fragte: »Was ist denn diesem jungen Ritter zugestoßen?«
»Nichts ist ihm zugestoßen,« erwiderte Macko aus Turoboje. »Er liebt eines der Mägdlein, die zum Hofstaate der Fürstin gehören, und möchte es so rasch wie möglich sehen.«
»Ah!« rief de Lorche aus, indem er beide Hände aufs Herz drückte und, die Augen gen Himmel erhebend, einmal ums andere so tief seufzte, daß sich Macko insgeheim fragte: »Ob er wohl nach seiner alten Geliebten so seufzt, oder ob er wohl nicht völlig bei Verstand sein mag?«
Er geleitete indessen den Lothringer in den Jagdhof und betrat gemeinsam mit ihm die geräumige Halle, die mit Geweihen von Auerochsen, Elentieren und Hirschen geschmückt war und durch die Flamme der dürren, in dem mächtigen Kamine brennenden Holzscheite erhellt ward. In der Mitte der Halle stand ein mit einem groben Tuche bedeckter Tisch, auf dem bereits die zum Essen nötigen Schüsseln prangten. Nur wenige Hofherren waren bis jetzt anwesend. Zbyszko unterhielt sich mit ihnen, und Macko aus Turoboje stellte ihnen den Herrn de Lorche vor. Da sie aber nicht gut deutsch sprechen konnten, mußte jener dem Lothringer nach wie vor Gesellschaft leisten. Allmählich vermehrte sich die Zahl der Hofleute, größtenteils kräftige, blondhaarige Männer von etwas ungeschlachtem Aeußern, aber von hohem Wuchse und mit breiten Schultern. Sie waren schon vollständig zur Jagd ausgerüstet. Die, welche Zbyszko kannte und von dessen Krakauer Erlebnissen wußten, begrüßten ihn wie einen alten Freund mit sichtlichem Wohlwollen. Die andern betrachteten ihn mit der Bewunderung, die man einem Menschen zollt, über dessen Nacken schon das Schwert des Scharfrichters gezückt gewesen war. Immer wieder wurden die Worte laut: »Gewiß, die Fürstin befindet sich hier und Jurands Tochter ist hier; gleich wirst Du das arme Ding zu sehen bekommen. Selbstverständlich gehst Du aber mit uns auf die Jagd.« Inzwischen waren zwei Gäste, Kreuzritter, eingetreten, Bruder Hugo de Danveld, der Starost aus Ortelsburg, oder vielmehr aus Szczytno, dessen Verwandter dereinst die Marschallswürde bekleidet hatte, und Zygfryd de Löwe, der Vogt von Johannesburg, aus einem um den Orden hochverdienten Geschlechte stammend. Ersterer, der trotz seines ziemlich jugendlichen Alters schon sehr feist war, fiel durch die listige Miene seines Gesichtes auf, und machte mit seinen wulstigen feuchten Lippen vollständig den Eindruck eines Schlemmers, letzterer hingegen zeichnete sich durch seine Wohlgestalt und durch seine zwar strengen, aber edlen Züge aus. Zbyszko dünkte es, er habe Danveld schon bei dem Fürsten Witold gesehen, und er glaubte sich zu erinnern, daß jener von Henrik, dem Bischof von Plock, im Turniere vom Pferde geworfen worden sei. Doch gleich darauf wurde er durch den Eintritt des Fürsten Janusz aus seinem Sinnen gerissen, vor welchem sich die Kreuzritter und die Hofherren grüßend neigten und dem sich de Lorche, die Komture und Zbyszko sofort näherten. Er erwiderte die Begrüßung höflich, aber mit einem gewissen Ernste auf seinem bartlosen, schlichten Gesichte, das von auf der Stirne kurz geschnittenen und auf beiden Seiten bis auf die Schultern herabwallenden Haaren umrahmt war. Plötzlich ertönten vor den Fenstern die Hörner zum Zeichen, daß sich der Fürst zu Tisch setze, sie ertönten ein-, zwei-, dreimal, mit der dritten Fanfare öffnete sich die auf der rechten Seite der Halle gelegene große Thüre und auf der Schwelle zeigte sich die Fürstin Anna und mit ihr ein reizendes, goldhaariges Mägdlein, die Laute über der Schulter.
Als Zbyszko es sah, trat er vor, legte die Hände wie bittend am Munde zusammen und sank auf die Knie, das verkörperte Bild der Verehrung, der Bewunderung.
Bei diesem Anblick erhob sich ein Murmeln in der Halle. Das Verhalten Zbyszkos rief bei den Masuren nicht nur Staunen hervor, sondern bei etlichen sogar Aergernis. »Wahrlich,« sagten sich die älteren Leute, »diese Sitte hat er wohl bei fremden Rittern jenseits des Meeres oder wohl gar bei den Heiden kennen gelernt, denn unter den Deutschen hat sie sicherlich nie geherrscht.« Die Jüngeren hingegen dachten bei sich: »Das ist nicht zu verwundern; dem Mägdlein dankt er ja sein Leben.« Im ersten Augenblick erkannten aber weder die Fürstin noch Jurands Tochter den jungen Ritter, der mit dem Rücken gegen das Feuer kniete, so daß sich sein Gesicht vollständig im Schatten befand. Die Fürstin glaubte sogar, irgend einer der Hofherren habe sich ihrem erlauchten Gemahl gegenüber eines Fehlers schuldig gemacht und bitte um ihre Fürsprache, Danusia aber, die schärfere Augen besaß, trat plötzlich, ihr blondes Köpfchen vorbeugend, einen Schritt vor, indem sie mit ihrer zarten Stimme den Ruf ausstieß: »Zbyszko! Zbyszko!«
Und ohne daran zu denken, daß der ganze Hofstaat sowie die ausländischen Gäste Zeugen ihres Gebarens waren, sprang sie gleich einem Rehe auf den jungen Ritter zu, schlang ihre Arme um dessen Hals, schmiegte sich an ihn und küßte ihm, ganz außer sich vor Freude, solange