Stimmen gegen das Schweigen. Joumana Seif

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Stimmen gegen das Schweigen - Joumana Seif

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Folgen der Haft bei den Frauen

       Wir machen weiter – trotz alledem!

       Schlussbemerkung

       Anmerkungen

       Die Autor*innen

      Katrin Langensiepen

      Nur ein Wimpernschlag. Geleitwort

      Gerade jetzt, zu einer Zeit, in der die Lage in Syrien kaum aussichtsloser erscheinen kann und der Blick nach vorne schwerer fällt denn je und die Hoffnung auf Frieden, Versöhnung und Gerechtigkeit ins Farblose kippt, bleibt es umso wichtiger, die Stimmen und Erinnerungen derjenigen festzuhalten, die das Undenkbare, das Unsagbare durchlebt haben, um die schwarz und blutrot funkelnden Mosaiksteine zu dem hinzuzufügen, was rückblickend gemeinsame Vergangenheit sein wird.

      Dieser Vergangenheit der Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit werden sich alle Syrer*innen und die internationale Gemeinschaft fortwährend stellen müssen, denn sie wird Schatten werfen auf das, was Zukunft für dieses Land und die Region sein kann.

      Und wie so oft wird Zukunft über das eigene Wohlbefinden hinaus, sei es für die Familie oder ein Land, von denen gemacht, die oftmals an den Rand und in den Schatten gedrängt werden: den Frauen. Umso wichtiger ist es, ihren Stimmen Gehör zu verschaffen und Unrecht als solches zu benennen, dieses zu dokumentieren und mit aller Vehemenz für Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zu streiten. Auch wenn dies bedeutet, Vergangenes erneut zu durchleben, und die Gefahr bestehen bleibt, innerlich (erneut) zu zerbrechen, bleibt am Ende die zeitlebens bestehende und weithin sichtbare Anklage gegen ein Regime, das alle Scham gegenüber jeglichen Gräueltaten verloren hat, diese wohl nie besessen hat.

      Die unglaubliche Stärke aus dem hier Dokumentierten soll Mut geben für diejenigen, die verzweifeln, Kraft für die, die laut aussprechen, und Durchhaltevermögen für die, die erste Schritte auf dem Weg zur Gerechtigkeit gehen. Strafprozesse wie der in Koblenz und andere Verfahren auf der Basis universeller Gerichtsbarkeit werden hier den Weg weisen, konsequent aufarbeiten und Täter zur Rechenschaft ziehen, auch dann, wenn ihre Taten schon lange zurückliegen.

      Und somit bleibt es zu hoffen, dass die Stimmen und Erinnerungen mahnend über die Zeit getragen werden und die Zeit der Folter, des Krieges, der Unterdrückung und der Erniedrigungen zusammenschrumpft auf einen geschichtlichen Wimpernschlag, der so viel mehr Raum für anderes, für mehr Gutes lässt – ohne jemals die Stimmen der zunächst Ungehörten und die Geschichten der zunächst Unsichtbaren zu vergessen.

      Katrin Langensiepen ist Abgeordnete des Europäischen Parlaments für Die Grünen.

      Anwar al-Bunni

      Vorwort

      Ist es zu hart, Sie als Leser*innen mit dieser massiven Gewalt zu konfrontieren, wie sie in den folgenden Seiten sichtbar wird; ist es fair Ihnen gegenüber?

      Vielleicht nicht, aber lassen Sie uns doch etwas mehr über die Frauen nachdenken, die über Jahre hinweg diese ganze Gewalt erlebt haben; lassen Sie uns nachdenken über diese wunderbaren Syrerinnen, die uns hier mit so viel Stärke und Mut berichten, was sie erfahren und erleiden mussten.

      Diese Frauen waren vor der Verhaftung mit der Gewalt des Regimes und der Gesellschaft konfrontiert, während der Inhaftierung mit endlosen Gewaltexzessen des Regimes und nach ihrer Freilassung wieder mit der Gewalt von sowohl Regime als auch Gesellschaft. Wie viel Kraft müssen sie haben, um all dies zu überstehen und nun mit ihren Erzählungen ans Licht zu bringen, was inhaftierte Frauen bis zum jetzigen Zeitpunkt in syrischen Haftanstalten erdulden müssen, und ihre Stimmen und ihre Schreie hörbar zu machen. Wir haben ihre Schreie vernommen und werden sie weiter hören, denn in diesem Buch hallt ihr Echo wider: Die Schreie dieser Frauen, die auf Freiheit und Rettung hoffen, dringen durch die Wände der Gefängnisse und Gefängniszellen.

      Mit diesem Bericht gedenken wir nicht nur dieser Frauen, sondern aller Häftlinge, die in Syrien immer noch den abscheulichsten Arten von körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt ausgesetzt sind und sogar dem Tod. Wir wollen zum Nachdenken darüber anregen, wie wir dem syrischen Volk beistehen können, den Männern, Frauen und Kindern, die auf Rettung hoffen, auf Freiheit und Erlösung von all dieser Gewalt, Unterdrückung und Willkür.

      Die Täter müssen verfolgt und vor Gericht gestellt werden, damit sie ihrer gerechten Strafe nicht entkommen. Das ist eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, zu verhindern, dass sich derartige Verbrechen wiederholen. Den überlebenden Frauen muss Gerechtigkeit widerfahren. Nur so können sie seelisch und körperlich heilen, die Achtung der Gesellschaft zurückgewinnen und vollständige Rettung erfahren, indem sie auch von der Gewalt der sie umgebenden Gesellschaft befreit werden.

      Einleitung

      „Im Gefängnis wird dir deine Identität genommen; du bist ein Niemand, deshalb ist alles möglich: Erniedrigung, Folter, Demütigung, Vergewaltigung, all das ist unausweichlich.“ NADA

      „Vergewaltigung hinterlässt tiefe psychische Spuren … In meiner langen Zeit im Gefängnis haben sich nur zwei Frauen getraut, mir von ihrer Vergewaltigung zu erzählen. Ich habe niemandem davon erzählt … All die Einzelheiten des Leids im Gefängnis hinterlassen Narben, die auch nach vielen Jahren nicht wirklich verheilen.“ LAMA

      Nada, die während der Revolution inhaftiert war, und Lama, die in den 1980er Jahren im Gefängnis war, sind zwei Beispiele dafür, was Frauen im Gefängnis erleben. Ihre Aussagen beschreiben nicht nur ihr eigenes Leid, sondern die Erfahrungen und das Leid aller Frauen, die wir für diesen Bericht getroffen haben.

      Die Zitate, die wir wiedergeben, wurden aus den Zeugenaussagen von Frauen ausgewählt, die zwischen 1980 und 2017 im Gefängnis waren und Widerstand geleistet haben. Es ist eine Gelegenheit, sich mit diesen wichtigen Erfahrungen zu befassen, auch wenn sie noch so grausam sind. Im ersten Teil beschäftigen wir uns mit den Methoden und der Dauer der Verhaftung und den Bedingungen, die diese Frauen erlebten. Wir berichten auch darüber, wie die Geheimdienste mit den besonderen Bedürfnissen von Frauen umgehen.

      Im zweiten Teil beleuchten wir die Formen von Gewalt, denen sie ausgesetzt waren, angefangen von Folter über sexuelle und psychische Gewalt bis hin zur Stigmatisierung.

      Im dritten Teil beantworten die Frauen unsere Fragen danach, wie ihre Familien und die Menschen in ihrem sozialen Umfeld mit ihnen umgingen. Sie haben dort die Gelegenheit, über die bitteren psychischen und körperlichen Folgen ihrer Erfahrungen zu sprechen, aber auch über ihre unterschiedlichen Fähigkeiten, das Geschehene zu verarbeiten, sich zu widersetzen und den Kampf gegen alle Formen von Unterdrückung und Ungerechtigkeit fortzuführen, um zu erreichen, dass Gerechtigkeit siegt und die Verbrecher zur Rechenschaft gezogen werden.

      Dieser Bericht hat nicht zum Ziel, die systematische und umfassende Anwendung von Gewalt gegen Frauen, darunter sexuelle Gewalt, durch das Regime seit 2011 nachzuweisen. Das wurde bereits mehrfach in anderen Berichten getan, die vom UNHRC1 und der IICI Syria2 herausgegeben wurden, sowie in den Berichten syrischer3

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