Faust. Der Tragödie erster Teil. Johann Wolfgang von Goethe

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Faust. Der Tragödie erster Teil - Johann Wolfgang von Goethe

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Herr der Ratten und der Mäuse,

      Der Fliegen, Frösche, Wanzen, Läufe

      Befiehlt dir, dich hervorzuwagen

      Und diese Schwelle zu benagen,

      So wie er sie mit Öl betupft –

      Da kommst du schon hervorgehupft!

      Nur frisch ans Werk! Die Spitze, die mich bannte,

      Sie sitzt ganz vornen an der Kante.

      Noch einen Biss, so ists geschehn! –

      Nun, Fauste, träume fort, bis wir uns wiedersehn!

      faust erwachend. Bin ich denn abermals betrogen?

      Verschwindet so der geisterreiche Drang,

      Dass mir ein Traum den Teufel vorgelogen

      Und dass ein Pudel mir entsprang?

      Studierzimmer

      Faust, Mephistopheles

      faust . Es klopft? Herein! Wer will mich wieder plagen?

      mephistopheles . Ich bins.

      faust . Herein!

      mephistopheles . Du musst es dreimal sagen.

      faust . Herein denn!

      mephistopheles . So gefällst du mir!

      Wir werden, hoff ich, uns vertragen;

      Denn dir die Grillen zu verjagen,

      Bin ich als edler Junker hier:

      In rotem, goldverbrämtem Kleide,

      Das Mäntelchen von starrer Seide,

      Die Hahnenfeder auf dem Hut,

      Mit einem langen, spitzen Degen –

      Und rate nun dir kurz und gut,

      Dergleichen gleichfalls anzulegen,

      Damit du, losgebunden, frei,

      Erfahrest, was das Leben sei.

      faust . In jedem Kleide werd ich wohl die Pein

      Des engen Erdelebens fühlen.

      Ich bin zu alt, um nur zu spielen,

      Zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

      Was kann die Welt mir wohl gewähren?

      Entbehren sollst du! sollst entbehren!

      Das ist der ewige Gesang,

      Der jedem an die Ohren klingt,

      Den, unser ganzes Leben lang,

      Uns heiser jede Stunde singt.

      Nur mit Entsetzen wach ich morgens auf,

      Ich möchte bittre Tränen weinen,

      Den Tag zu sehn, der mir in seinem Lauf

      Nicht Einen Wunsch erfüllen wird, nicht Einen,

      Der selbst die Ahnung jeder Lust

      Mit eigensinnigem Krittel mindert,

      Die Schöpfung meiner regen Brust

      Mit tausend Lebensfratzen hindert.

      Auch muss ich, wenn die Nacht sich niedersenkt,

      Mich ängstlich auf das Lager strecken:

      Auch da wird keine Rast geschenkt,

      Mich werden wilde Träume schrecken.

      Der Gott, der mir im Busen wohnt,

      Kann tief mein Innerstes erregen;

      Der über allen meinen Kräften thront,

      Er kann nach aussen nichts bewegen:

      Und so ist mir das Dasein eine Last,

      Der Tod erwünscht, das Leben mir verhasst.

      mephistopheles . Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommner Gast.

      faust . O selig der, dem er im Siegesglanze

      Die blutgen Lorbeern um die Schläfe windet,

      Den er, nach rasch durchrastem Tanze,

      In eines Mädchens Armen findet!

      O wär ich vor des hohen Geistes Kraft

      Entzückt, entseelt dahingesunken!

      mephistopheles . Und doch hat jemand einen braunen Saft,

      In jener Nacht, nicht ausgetrunken!

      faust . Das Spionieren, scheints, ist deine Lust.

      mephistopheles . Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewusst.

      faust . Wenn aus dem schrecklichen Gewühle

      Ein süss-bekannter Ton mich zog,

      Den Rest von kindlichem Gefühle

      Mit Anklang froher Zeit betrog,

      So fluch ich allem, was die Seele

      Mit Lock- und Gaukelwerk umspannt

      Und sie in diese Trauerhöhle

      Mit Blend- und Schmeichelkräften bannt!

      Verflucht voraus die hohe Meinung,

      Womit der Geist sich selbst umfängt!

      Verflucht das Blenden der Erscheinung,

      Die sich an unsre Sinne drängt!

      Verflucht, was uns in Träumen heuchelt,

      Des Ruhms, der Namensdauer Trug!

      Verflucht, was als Besitz uns schmeichelt,

      Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug!

      Verflucht sei Mammon, wenn mit Schätzen

      Er uns zu kühnen Taten regt,

      Wenn er zu müssigem Ergetzen

      Die Polster uns zurechtelegt!

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