Die Pastoralsymphonie. Андре Жид

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Die Pastoralsymphonie - Андре Жид

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war Zeit zum Abendessen. Mein Schützling, dem unsere alte Rosalie beim Aufwarten reichlich feindliche Blicke zuwarf, verschlang gierig den Teller Suppe, den ich ihm hinstellte. Die Mahlzeit verlief schweigend. Ich hätte wohl mein Abenteuer erzählen, mit den Kindern sprechen und sie rühren mögen, indem ich ihren Sinn öffnete für das Ungewöhnliche einer so vollkommenen Entblößung, ihr Mitleid und ihr Mitgefühl für jene erweckte, die Gott unserer Aufnahme empfohlen hatte; aber ich fürchtete, Amaliens Gereiztheit von neuem zu entfachen. Es war, als sei die Parole ausgegeben, das Ereignis zu vergessen und sich darüber hinwegzusetzen, so gewiß es auch war, daß keiner von uns an etwas anderes zu denken vermochte.

      Ich war aufs äußerste gerührt, als ich, eine Stunde nachdem alle zu Bett gegangen waren und Amalie mich allein in der Stube zurückgelassen hatte, meine kleine Charlotte die Tür halb öffnen und barfüßig im Hemdchen hereinschleichen sah; als sie sich mir dann an den Hals warf und mich wild küßte, flüsternd:

      „Ich hatte dir nicht richtig Gutnacht gesagt.“

      Dann, mit leiser Stimme, indem sie mit der Spitze ihres Zeigefingerchens auf die unschuldig schlafende Blinde wies, die sie, bevor sie sich dem Schlafe überließ, aus Neugier noch einmal hatte sehen wollen:

      „Warum habe ich ihr denn keinen Kuß gegeben?“

      „Du wirst es morgen tun. Lassen wir sie jetzt, sie schläft“, sagte ich, indem ich sie zur Tür geleitete.

      Dann kehrte ich zurück, setzte mich wieder hin und arbeitete bis zum Morgen, halb lesend, halb meine nächste Predigt vorbereitend.

      Gewiß bezeigte sich Charlotte, dachte ich (ich entsinne mich dessen noch), heute viel liebreicher als ihre anderen Geschwister; aber hat mich nicht jedes in diesem Alter zuerst in die Irre geführt, sogar mein großer Jakob, heute so distanziert, so verhalten..? Man glaubt sie zärtlich – sie sind nur schmeichlerisch und kosend.

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