Aus den Akten der Agence O. Georges Simenon

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Aus den Akten der Agence O - Georges  Simenon Red Eye

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hat. Gut. Vor halb sieben gibt es keinen Zug nach Dunkerque.

      Und wenn sie das Auto genommen hat? Er zählt die Kilometer auf der Straßenkarte und überschlägt es im Kopf …

      Das Telefon klingelt.

      »Chef! Das Hôtel Franco-Belge.«

      »Hallo? Spreche ich mit dem Hoteldirektor? Der Direktor ist nicht da, sagen Sie? Sie sind die Rezeptionistin? Hier spricht die Polizei …«

      Nicht nötig, zu sagen, dass es nur eine Privatdetektei ist.

      »Hören Sie, Madame, in den letzten paar Wochen müssen Sie mehrere kleine Päckchen für einen Gast erhalten haben, Madame Olry … Stimmt das?«

      Die Rezeptionistin wiederholt den Namen.

      »Madame Olry? Warten Sie, ich frage nach. Ich hab mit der Post nichts zu tun … Jean! Ist irgendwelche Post für eine Madame Olry gekommen? Wie bitte? Ja, Monsieur, es stimmt. Die Dame hat uns anscheinend irgendwo aus dem Ausland geschrieben und uns gebeten, ihre Post für sie aufzuheben … Jean! Woher kommt die Post für die Dame? Nur einen Moment, Monsieur … Wie bitte, Jean? Aus Bern in der Schweiz?«

      Und dann kommt ihre Stimme lauter durch das Telefon.

      »Aus Bern, Monsieur. Anscheinend sind hier mehrere kleine Päckchen für sie angekommen. Einen Moment bitte, Madame … Jean, kümmerst du dich bitte mal um Madame?«

      War es Intuition? Émile wird blass.

      »Bitte legen Sie nicht auf, Madame! Madame! Sagen Sie, haben Sie nicht eben mit einer Frau gesprochen, die in Ihr Hotel gekommen ist?«

      »Ja, Monsieur.«

      »Ist die Frau mit einem Auto gekommen?«

      »Einen Moment. Ich seh mal nach … Ja, Monsieur, vor der Tür steht ein Auto. Ein Taxi aus Paris …«

      »Bitte sprechen Sie nicht so laut, um Himmels willen! Und sprechen Sie nicht so viel! Hören Sie nur zu, was ich Ihnen jetzt sage. Sie dürfen die Frau auf keinen Fall gehen lassen. Sie wird Sie wahrscheinlich nach der Post für Madame Olry fragen. Sie müssen unbedingt …«

      »Sie glauben, dass das Madame Olry ist?«

      »Dumme Kuh!«, ruft Émile wutentbrannt.

      Die ahnungslose Rezeptionistin tappt mitten in den Fettnapf, als wäre es das Natürlichste auf der Welt. Selbstverständlich wendet sie sich sofort zu der Frau um und fragt:

      »Sie sind Madame Olry, nicht wahr? Ich hab hier jemanden am Telefon, der …«

      »Halten Sie um Himmels willen den Mund!«

      »Was? Ich kann Sie nicht verstehen?«

      »Verdammt! Was macht die Dame jetzt?«

      »Warten Sie. Ich rufe sie zurück. Madame! Hören Sie, Madame! Was in aller Welt … Jean, lauf der Dame nach und frag sie, ob sie … Hallo? Sind Sie noch da? Können Sie sich das vorstellen? Die Dame ist wieder ins Auto gestiegen … Ja, Jean? Das Taxi ist abgefahren, sagst du? Hallo? Das Taxi ist wieder abgefahren, Monsieur. Sagen Sie mir, was ich jetzt tun muss. Was ist, wenn jemand die Päckchen abholen will?«

      »Wo sind sie?«

      »Ich weiß nicht. Wahrscheinlich in der Schreibtischschublade, wo wir die Post für unsere Gäste aufheben. Wir kriegen eine Menge davon.«

      »Madame, Sie müssen diese Päckchen sofort in Ihrem Safe einschließen. Sie dürfen sie niemandem aushändigen. Wenn die Dame zurückkommt … Aber das ist wohl kaum zu befürchten. Nach dem, was sie gehört hat, ist das nicht sehr wahrscheinlich. Nein, sie wird sicher nicht zurückkommen, Madame. Auf Wiederhören, Madame.«

      Als er auflegt, funkeln seine Augen wild. Er wischt sich über die Stirn und lässt sich auf einen Stuhl fallen.

      »Wenn ich diese Idiotin von Rezeptionistin in die Finger kriege!« Und Torrence, der von alldem nichts mitbekommen hat, fragt:

      »Was ist denn los?«

      »Wir hatten sie schon in der Falle! Während ich am Telefon war, stand sie in der Hotellobby. Sie war gerade aus Paris gekommen, mit einem Taxi! Noch ein paar Sekunden mehr, und sie hätte die Päckchen verlangt, die dort für sie lagen. Wir hätten nur noch dafür sorgen müssen, dass in dem Moment die Polizei reinkommt und sie festnimmt. Ich wusste, dass ich nicht auf dem Holzweg war, ich konnte mich unmöglich geirrt haben. Es musste einfach ein Hotel in der Nähe der Grenze sein. Verstehst du, Torrence? Es ist ganz simpel. Nach jedem Einbruch sind die Juwelen einfach in kleinen Päckchen abgeschickt worden, adressiert an eine Madame Olry, und nicht mal per Einschreiben. Direkt zu einem Hotel an der belgischen Grenze. Damit, falls irgendwas schiefgeht …«

      Er nimmt eine Zigarette aus der Schachtel, aber wie üblich vergisst er, sie anzustecken. Allmählich beruhigt er sich wieder. Am Ende muss er sogar lächeln.

      »Sie muss sich wirklich gefragt haben, wie ich …«

      Es war gleichzeitig ein Gefühl der Zufriedenheit und der Wut: das Gefühl, gegen einen starken Gegner gekämpft zu haben; das Gefühl, es mit einem Ebenbürtigen zu tun gehabt zu haben.

      Und diesmal hat keiner verloren!

      Zumindest hat Émile die Juwelen wiedergefunden, und das war alles, was die Versicherung von ihm verlangt hat. Aber Dolly … Aber war es Dolly? Oder Denise? Wie auch immer, inzwischen hatte sie genug Zeit, über die Grenze zu kommen.

      Er würde sie wahrscheinlich nie wiedersehen.

      Wie würde sie ihn in Erinnerung behalten?

      Wie würde er sie in Erinnerung behalten?

      »Was soll ich jetzt tun, Chef?«, will Torrence wissen.

      »Du rufst jetzt besser die Versicherung an. Bitte sie, jemanden vorbeizuschicken, der dich nach Dunkerque begleiten soll. Du wirst ihnen sagen, dass … Nun, dass du letzte Nacht, dank deiner besonderen Vorgehensweise und der unvergleichlichen Organisation der Agence O, entdeckt hast, dass …«

      »Der Direktor der Kriminalpolizei wird sicher wissen wollen, was aus der jungen Frau geworden ist.«

      »Tja, sag ihm einfach die Wahrheit. Sag ihm, dass du keinen blassen Schimmer hast!«

      In dem Moment klingelt es an der Tür. Barbet kann nicht aufmachen, denn er überwacht immer noch das Majestic. Also öffnet Émile selbst, ohne daran zu denken, dass er immer noch seinen Smoking trägt.

      »Sie möchten den Chef sprechen? Wen darf ich melden? Bitte nehmen Sie Platz, ich sehe mal nach, ob er Sie empfangen kann.«

      Deutsch von Sabine Schmidt

      Der Schuppen am Teich

      I Wo Torrence und sein Fotograf Émile sich trotz arktischer Kälte und in einer wenig einladenden Landschaft auf die Suche nach einer Leiche machen

      »Verdammter Beruf, Saftladen, verdammter«, knurrt Torrence, als er an Longjumeau vorbeifährt und ein gemütliches kleines Bistro bemerkt,

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