Perry Rhodan Neo 240: Das neue Plophos. Oliver Plaschka
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Plophoser wie Ambolition dagegen waren der festen Überzeugung, dass sie die Kinderstube verlassen mussten. Die Jahre der Unselbstständigkeit waren vorbei. Das Zicklein war erwachsen geworden.
Also hatten sich er und ein paar Freunde von der Universität zusammengefunden und ihre Bewegung gegründet. Zunächst anonym im Mesh, dem Kommunikations- und Datennetz der Solaren Union, – aus dieser Zeit stammten auch ihre Aliasnamen –, dann in Person. Mitte der 2080er-Jahre war das gewesen. Der Name »Capra« und ein Logo – mit einer besonders bockig aussehenden Ziege, was sonst – hatten sich rasch gefunden. Sie nähten es auf ihre Kleidung und sprühten es auf Fahrzeuge und Hauswände.
Der Rest hatte länger gebraucht. Irgendwann hatte Katharsia auf den Tisch geschlagen, den Streit unterbrochen und gesagt, wenn sie den Menschen ernsthaft helfen wollten, sollten sie erst mal die Armut bekämpfen, die in New Taylor verglichen mit Trade City oder gar Terrania ein unerträgliches Ausmaß anzunehmen drohte. Sie hatten diese alte Lagerhalle angemietet und einen Ein-Dollar-Shop darin eröffnet, dazu ein Café und eine Leseecke, in der sie ihr Infomaterial verteilten.
Wie sich rasch zeigte, hatten sie den Ernst der Lage sogar noch unterschätzt, denn es kam praktisch niemand zum Lesen oder zum Einkaufen. Das Café dagegen lief gut, zumindest die kostenlosen Angebote, und schließlich sahen die Studierenden ein, dass sie kein Kulturzentrum oder Ähnliches führten – sondern eine Armenküche.
Schon damals waren die Zustände auf Plophos erbärmlich gewesen. Mochte man auf der Erde gern so tun, als wären nur die Besten der Besten für das Leben in den Kolonien bereit, gab es in Wahrheit viele Gründe, alles hinter sich zu lassen. Und nicht jede Biografie fand in der Fremde den Erfolg, der ihr auf der Erde verwehrt geblieben war. Die Kolonisten waren Pioniere – aber das hieß nicht, dass Plophos sie reich, respektiert oder glücklich gemacht hätte. Das Elend war auf diesem Planeten genauso zu Hause wie anderswo, mehr noch vielleicht.
Dann war Hondro gekommen und hatte Plophos vom Rest der Solaren Union isoliert. Er hatte die Kontrollstation des Sonnentransmitters sabotiert und erst wieder Kontakt zu den interstellaren Handelswegen gestattet, nachdem die Kolonie schon fest unter seiner Kontrolle war.
Dazu brauchte er keine korrupten Beamten und keine geheimen Sicherheitskräfte, obwohl er beides durchaus zur Genüge besaß. Er konnte seinen Willen einfach jedem Mann und jeder Frau aufzwingen, die ihm im Weg standen – mittels einer Art Mutantengabe, die irgendwie mit dem Dunkelleben in Zusammenhang stand, das viele Plophoser mehr oder weniger stark infiziert hatte. Manchmal konnte man es sogar sehen, als schattenhafte Erscheinung, die stark Betroffene umwehte wie Rauch, oder als ölige Schlieren in ihren Augen. Und im Zentrum dieser dunklen Mächte saß Hondro wie die Spinne im Netz.
Nach und nach beseitigte er alle Politiker, Wirtschaftsvertreter und Prominente, die ihn nicht unterstützten. Manche unterwarf er, manche ersetzte er durch Getreue, manche brachte er schlichtweg um. Als einfacher Plophoser konnte man nur hoffen, dem Diktator nicht aufzufallen, und sich mit dem neuen System arrangieren. Doch mit jedem Monat, der verging, rutschte Plophos tiefer ins Elend.
Katharsia wusste nicht, wie es ihnen so lange gelungen war, ihre Arbeit fortzusetzen. Vielleicht waren sie schlicht zu kleine Fische, uninteressant für einen Despoten. Vielleicht, dachte sie manchmal, kamen sie Hondro ja sogar gelegen: ein Haufen junger Männer und Frauen, die ohne Lohn die ärgsten Auswirkungen seines Protektionismus zu mildern versuchten und seiner Botschaft eines plophosischen Sonderwegs nicht mal unbedingt abgeneigt waren. Mutmaßungen, die Ambolition stets weit von sich wies. Capra war für ihn das Wichtigste in seinem Leben und seine Motive über jeden Zweifel erhaben.
Katharsia für ihren Teil glaubte, dass es so etwas wie positiven Patriotismus einfach nicht gab: Die Überhöhung des Eigenen führte immer zur Herabsetzung des Anderen. Woran sie glaubte, war das Gebot, ihren Mitmenschen zu helfen. Und das duldete keinen weiteren Aufschub.
»Alle anpacken!«, dirigierte sie das knappe Dutzend müder Gestalten, die sich von ihren Lagern aufrafften. »Schafft den Schmutz raus! Öffnet die Fenster! Ihr da, macht Kaffee und Essen! Der Rest von uns sieht nach, wer dort draußen am dringendsten unsere Hilfe braucht.«
Gemeinsam mit Ambolition und ein paar Freunden trat Katharsia hinaus in den trüben Morgen von New Taylor. Die vier Sonnen verbargen sich hinter Wolken wie blasse Lampions, und ein leichter Nieselregen ging auf den Asphalt nieder. Die Straßen sahen aus wie nach einer Flutkatastrophe. Allerorten hatten die Menschen ihre Häuser verlassen, um nach Angehörigen zu suchen, Schutt und Abfall wegzuräumen oder einfach nur mit großen Augen darüber zu staunen, dass sie den Albtraum überstanden hatten.
Ambolition half, einen eingeklemmten Mann aus seinem verunglückten Wagen zu befreien, während Katharsia mit den anderen Wasserflaschen und Energieriegel verteilte. Sie würden auch Decken und Medikamente brauchen. Die Leute hatten teils tagelang nichts mehr gegessen und auf der Straße geschlafen; von Einsatzkräften und Krankenwagen fehlte noch immer jede Spur.
Langsam arbeiteten sie sich die Straße hinab. Katharsia wusste nicht, weshalb sie und ihre Mitstreiter eher wieder auf den Beinen waren als andere – vielleicht, weil sie jünger oder weil sie Strigoiden waren. Vielleicht hatten sie tatsächlich weniger stark unter Hondros Einfluss gestanden, vielleicht hatten sie schlicht Glück gehabt. Besorgt behielt sie ihr Komarmband im Blick, während sie den Geschwächten aufhalf, die Verwirrten beruhigte.
Noch zeigte sich kein klares Nachrichtenbild. Die Berichterstattung lag in der Hand einiger weniger unabhängiger Journalisten und Beobachter. Die großen Nachrichtensender waren stumm oder speisten nur KI-generierte Inhalte ins Mesh. New Taylors Behörden schienen völlig am Boden zu sein. Es mehrten sich Mutmaßungen, dass Iratio Hondro spurlos verschwunden war. Das beste Indiz, dass es sich so verhielt, war wahrscheinlich, dass er solche Berichte niemals zugelassen hätte, wenn er noch da gewesen wäre. Katharsias Instinkt sagte ihr, dass er fort war – und noch im Gehen hatte er New Taylor eine blutige Wunde geschlagen.
Da lenkte ein lautes Tosen und Donnern ihren Blick zum Himmel. Sie hob den Kopf, so wie alle auf der Straße – und sah hilflos mit an, wie ein Gleiter schlingernd aus dem Himmel herabtauchte und in das zwei Block entfernte Stadtarchiv einschlug.
Eine Sekunde oder zwei verschlug es ihr den Atem. Sie konnte nicht denken, nicht reden, nicht atmen. Der Donner der Explosion hallte durch die sirenenerfüllten Straßen, und eine riesige Staubwolke quoll höher und höher, bis eine frühe Nacht über New Taylor hereinbrach.
Ohne dass sie darüber nachdachte, setzten sich ihre Füße in Bewegung. Langsam erst, dann immer schneller. Irgendwann bemerkte sie Ambolition an ihrer Seite. Im Rennen wandte sie den Kopf und sah, dass Liberty und Nepenthes ihnen ebenfalls folgten. Und dahinter, noch zögerlich, die gerade erwachenden Bewohner New Taylors.
Rauch und Staub an der Absturzstelle waren so dicht, dass sie kaum etwas erkennen konnten. Ihre Augen und ihre Kehle brannten, und nur ihre Patina schützte sie vor der Hitze der Brände. Hastig band sich Katharsia ihr Halstuch vor den Mund, so wie früher auf Demonstrationen.
»Wo ist die Feuerwehr?«, schimpfte Ambolition. »Wieso sind keine Rettungskräfte vor Ort?«
»Sie sind noch nicht einsatzbereit«, antwortete Katharsia. »Oder es ist ihnen egal.«
»Wir sind hier. Uns ist es nicht egal.«
»Hör auf zu reden und hilf!« Sie mühte sich, die Trümmer beiseitezuräumen, ohne sich die Hände zu verletzen. Irgendwo im Geröll glaubte