Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch

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gewesen sei, so lange den Wolfspelz umgehängt, bis er ein Wolf geworden sei. Seine Mutter, die Erzherzogin Maria, die sich in den verschiedenen Klöstern, denen sie angehörte, mit Andachtsübungen auf den Tod vorbereitete, stimmte eifrig ein und riet zu vorsichtiger Zurückhaltung, um es weder mit Rudolf noch mit Matthias zu verderben; auch ihr Bruder, der alte Herzog von Bayern, Ferdinands Schwiegervater, sei der Meinung, da Ferdinand nun einmal in dieser Klemme stecke, müsse er ein wenig dissimulieren, um Zeit zu gewinnen, inzwischen könne dies oder das geschehen und die Lage sich ändern.

      Einen Trost gewährte das Anerbieten Schweikhards von Mainz, er wolle nach Prag reisen und Frieden stiften. Die kaiserliche Majestät sei zwar ein wenig spanisch und besonders, im Grunde aber gut und fromm, man müsse ihn nur zu nehmen wissen. In den jetzigen gefährlichen Läuften dürfe nicht noch ein Familienstreit zu den vielen im Reiche obschwebenden Zwistigkeiten kommen; auch Matthias meine es ja nicht böse, bei allseitigem gutem Willen werde sich die Sache wohl wieder einrenken lassen.

      Der Reichstag hatte inzwischen keine guten Früchte gezeitigt. Im Februar wurden die württembergischen Gesandten wegen des durch einen Schlagfluß herbeigeführten jähen Todes des Herzogs Friedrich zurückgerufen, worauf auch die übrigen Evangelischen einer nach dem andern abreisten.

      *

      Der Kaiser hatte in ohnmächtiger Wut zusehen müssen, wie Matthias sich zum Herrn von Ungarn machte, und erfuhr nun auch von seinen geheimen Verhandlungen mit den unzufriedenen böhmischen Ständen, so daß er sich nicht mehr verhehlen konnte, wie nahe er daran war, auch die böhmische Krone zu verlieren. Der zuverlässigste unter seinen Räten, Hannewald, wie auch der ihm unbedingt ergebene katholische Kanzler, Popel von Lobkowitz, rieten ihm beide, einen Landtag einzuberufen, auf welchem die Stände ihre Forderungen vortragen könnten; dies sei das einzige Mittel, das Vertrauen wieder herzustellen. Hannewald war ein kluger, arbeitskräftiger Mann, der einzig den Vorteil des Kaisers im Auge hatte, alle Menschen außer sich selbst verachtete und durch nichts aus dem Geleise zu bringen war. Zuweilen betrank er sich so, daß er für einige Tage aussetzen mußte; aber das einmal gesteckte Ziel behielt er trotzdem im Auge. Er beredete den Kaiser sogar dazu, den Landtag in Person zu eröffnen, denn im Volk sei das Gerede im Schwange, der echte Kaiser Rudolf sei lange tot, man halte einen im Schloß verborgen, der ihm ähnlich sehe, darum müsse er sich einmal öffentlich zeigen.

      Die dem außerordentlichen Ereignis vorausgehenden Tage war Rudolf unruhig mit den Vorbereitungen zu seinem Aufputz beschäftigt; er wollte einen schönen und majestätischen Eindruck hervorbringen. Als er mit niedergeschlagenen Augen, von dem Kanzler und einigen Räten geleitet, in den hohen und weiten Versammlungssaal trat, zitterten seine Knie vor ängstlicher Erregung; er hatte das Gefühl, als starrten ihm die Blicke der anwesenden Stände wie Lanzenspitzen entgegen. Dem war jedoch nicht so: die schwarzgekleidete, ein wenig gebeugte Gestalt des Kaisers, der feine Silberschimmer, der über seinen Haaren lag, der Ausdruck des Leidens auf seinem bleichen Gesicht erregte Mitleid und Rührung in den Gemütern und schlug für den Augenblick die feindliche Leidenschaft nieder. Diese gesänftigte Stimmung, die er mit einem verstohlen auf die Versammelten geworfenen Blick erhaschte, erleichterte es ihm, die wenigen Worte, die er zu sprechen hatte, in würdevoller Haltung und mit dem Schein edler Gelassenheit vorzutragen.

      Als die Sitzung vorüber war und er sich von der ungewohnten Anstrengung erholt hatte, ließ er auftischen und nahm mit Frauen und Zechgenossen eine Mahlzeit ein. In heiterer Laune machte er sich über die trotzigen Stände lustig, die er am Narrenseil springen ließe; nichts, nichts würde er von ihren Forderungen bewilligen, sie möchten sitzen und beraten und Paragraphen schreiben, solange es sie gelüstete, zuletzt schickte er sie mit langer Nase heim. Es trug zu seinem Wohlbefinden bei, daß Lang auf einer Reise abwesend war; denn dessen Fall war, seit die Sache mit Matthias zum Ausbruch gekommen war, beschlossen. Bei seiner Rückkehr wurde er verhaftet, vor ein Gericht gestellt, und auf sein Vermögen wurde Beschlag gelegt. Einen Teil davon erhielten die vielen Herren, die nun Klagen einreichten, sie hätten Lang große Summen ausgezahlt, damit er ihre Anliegen, Beförderungen und andere Gnadenakte beim Kaiser betreibe, aber keinen Erfolg gesehen; das übrige fiel dem Kaiser zu. Viele wünschten, den hochmütigen und habgierigen Mann am Galgen oder auf dem Scheiterhaufen enden zu sehen; allein das Gericht fand eine solche Schärfe dem ehemaligen Liebling des Kaisers gegenüber nicht angezeigt, zumal da ihm weder in hochverräterischen Handlungen noch in Zauberei etwas Eigentliches nachzuweisen war, und ließ es bei Verlust des Vermögens und der Freiheit auf Lebenszeit bewenden.

      Matthias hatte sich die künftige Größe mehr Mühe und Arbeit kosten lassen, als von seiner Natur zu erwarten war, nur in einem wichtigen Punkte blieb er hartnäckig, nämlich in dem einer standesgemäßen Heirat. Hätte er einen ehelichen Nachfolger gehabt, so hätte er weit mehr Aussicht auf allgemeine Anerkennung gehabt, als jetzt der Fall war, und er selbst wie die Verfechter seiner Sache hätten viel ruhiger in die Zukunft blicken können. Die Schwierigkeit bestand aber darin, daß er seit Jahren mit einer Frau namens Susanna Wachter zufrieden und bequem lebte, von der er sich durchaus nicht trennen wollte. Diese hatte einen feurigen und herrschsüchtigen Charakter, weswegen die Menschen im allgemeinen nicht mit ihr anzubinden liebten; ihn jedoch, der ihr vollkommen ergeben war, versorgte sie mütterlich, und ihre genaue Bekanntschaft mit seinen Gewohnheiten und Bedürfnissen ermöglichte es ihr, ihm das tägliche Leben glatt eingehen zu lassen.

      Die ersten Versuche Khlesls, diesen heiklen Gegenstand anzurühren, ließ Matthias abgleiten, als ob er ihn nicht verstehe; dann wehrte er sich, indem er die Heirat auf die Zeit verschieben wollte, wo er sein Ziel erreicht hätte. Das gehe nicht an, sagte Khlesl, man müsse einmal zugeben, daß seine Jugend ohnehin verrauscht sei, wolle er noch Nachkommenschaft erzielen, so müsse er sich dazuhalten. Seinem früheren Stande hätte es hingehen mögen, daß er sich eine Beischläferin genommen habe, jetzt müsse er als ein Mann und Christ den Pflichten seines hohen Amtes nachkommen. In seiner Verblendung bilde er sich ein, daß von der Susanna Wachter seine Seligkeit abhänge; wenn er aber einmal eine andere koste, werde er merken, daß der eine Teig gewälzt und gebacken sei wie der andere und daß dieselbe Ware auf jedem Markte feil sei. Um ihn davon zu überzeugen, führte ihm Khlesl bei Gelegenheit eines Reichstages eine hübsche Person zu, die sich bereit erklärte, wenn es so der Wille Gottes sei, dem Erzherzog entgegenzukommen; aber schon nach kurzer Zeit wurde Matthias ihrer überdrüssig und verlangte mit verdoppelter Sehnsucht Susanna Wachter zurück. Dieser Umstand legte die Vermutung nahe, daß Matthias von der Wachter behext und unfähig gemacht sei, Kinder zu erzeugen oder überhaupt sich mit anderen Frauen einzulassen. Mit Vorstellungen, welche Gefahr er an der Seite dieses Weibes laufe, brachte Khlesl es allmählich dahin, Matthias ein wenig ängstlich und mißtrauisch zu machen und ihn wenigstens zum Anhören seiner Vorschläge zu bewegen.

      Es war die jüngste Schwester des Herzogs von Bayern, Magdalena, die Khlesl ins Auge gefaßt hatte, um damit seinem Schützling den Beistand dieses tatkräftigen und glaubensstrengen Herzogs zu sichern, und Matthias ließ es endlich zu, daß der Bischof nach München reiste und insgeheim anklopfte, wie die Werbung des Erzherzogs am dortigen Hofe aufgenommen werden würde. Da Magdalena bisher noch keine Bewerber gehabt hatte, die ernstlich in Betracht gekommen wären, begann die Frage ihrer Versorgung dem alten Herzog, ihrem Vater, ernste Gedanken zu machen, und die Aussicht auf diese Heirat versetzte ihn in nicht geringe Aufregung. Allerlei Bedenken standen freilich entgegen: erstens das Alter des Matthias, der damals fünfzig Jahre alt war, ferner sein wunderliches Verhältnis zu Rudolf und sein verwegenes Scharmutzieren in Ungarn und Böhmen, womit er noch alles verspielen könne. Hiergegen führte Khlesl an, wie lästerlich und schändlich es in Prag zugehe, daß Gottes Beistand dem Matthias nicht fehlen könne und daß er ja auch nichts Unbrüderliches gegen Rudolf vorhabe, sondern auf dem Wege der Billigkeit bleiben wolle. Anders ließ sich die Erzherzogin Maria, Wilhelms Schwester, vernehmen: er solle sich doch den stinkenden Matthias vom Leibe halten, schrieb sie ihrem Bruder; nach außen scheine er vielleicht noch ein wenig, aber innen sei alles verfault, und der Teufel werde über kurz oder lang damit davonfahren. Ob Wilhelm nicht wisse, daß seine Hure, die Wächter, ihm die Manneskraft abgehext habe? Das wäre ein gottloser Handel, wenn er seine Tochter einem solchen Manne gäbe, von dem

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