Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola

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widersprechen. Dann wandte er sich zu Silvère und sagte:

      Du bist noch einfältig genug, sie zu verteidigen? Sie haben ja auch deine Muter beraubt, und das arme Weib wäre nicht gestorben, wenn sie die Mittel gehabt hätte, sich besser zu pflegen.

      Nein, Ihr seid nicht gerecht, Oheim, sprach der junge Mann; meine Mutter ist nicht wegen mangelnder Pflege gestorben, und ich weiß auch, daß mein Vater niemals einen Sou von der Familie seines Weibes angenommen haben würde.

      Ach, laß mich zufrieden! Dein Vater hätte das Geld gerade so angenommen wie jeder andere. Wir sind in unwürdiger Weise ausgeplündert worden und müssen unser Gut wiederbekommen.

      Und Macquart begann zum hundertstenmal die Geschichte mit den fünfzigtausend Franken. Sein Neffe, der sie schon auswendig wußte, geschmückt mit allen Abweichungen, hörte ihm ungeduldig zu.

       Wenn du ein Mann wärest, sagte Antoine schließlich, würdest du eines Tages mit mir kommen, und wir würden zusammen bei den Rougon einen hübschen Krawall machen. Wir würden nicht eher wieder fortgehen, als bis man uns Geld gäbe.

      Doch Silvère wurde ernst und erwiderte mit klarer Stimme:

      Wenn diese Elenden uns geplündert haben, dann um so schlimmer für sie! Ich mag ihr Geld nicht. Hört, Oheim! es ist nicht unsere Sache, unsere Familie zu züchtigen. Wenn sie schlecht gehandelt haben, werden sie eines Tags schrecklich gestraft werden.

      Oh, welch ein großer Einfaltspinsel! schrie der Oheim. Laß uns nur erst die Stärkeren sein, dann sollst du sehen, wie ich meine Rechnung mit diesen Leuten mache. Der liebe Gott kümmert sich wenig um uns! Es ist eine gar schmutzige Familie, die unsrige! Wenn ich Hungers stürbe, würde keiner dieser Schelme mir auch nur einen Bissen trockenen Brotes zuwerfen.

      Wenn Macquart diesen Gegenstand berührte, konnte er nimmer aufhören. Er zeigte die blutenden Schwären seines Neides ganz offen. Er ward wild, wie ein Stier, wenn er daran dachte, daß er allein in der Familie Pech hatte und daß er Kartoffeln aß, während die anderen nach Belieben Fleisch haben konnten. Alle seine Anverwandten, selbst seine Großneffen, gingen bei solchen Gelegenheiten durch seine Hände und gegen jeden wußte er Anschuldigungen und Drohungen vorzubringen.

      Ja, ja, wiederholte er bitter, sie würden mich verrecken lassen, wie einen Hund.

      Zuweilen bemerkte Gervaise schüchtern und ohne von ihrer Arbeit aufzublicken:

      Und doch, Vater, hat Vetter Pascal sich gut zu uns erwiesen, als du im vorigen Jahr krank warst.

       Er hat dich ärztlich behandelt, ohne einen Sou Entgelt zu fordern, fügte Fine hinzu, indem sie ihrer Tochter zu Hilfe kam; oft genug hat er mir ein Fünffrankenstück in die Hand gedrückt, damit ich dir Kraftbrühen bereiten könne.

      Er! Er hätte mich krepieren lassen, wenn ich nicht von so starker Leibesbeschaffenheit wäre! rief Macquart. Schweiget, ihr dummen Weiber! Ihr würdet euch »einfädeln« lassen, wie die kleinen Kinder. Alle möchten mich am liebsten tot sehen. Wenn ich wieder krank würde, sollt ihr mir nicht meinen Neffen holen, denn ich fühlte mich nicht ganz sicher in seinen Händen. Das ist ein Arzt für die Bettler; er hat keinen einzigen »anständigen« Menschen in seiner ganzen Praxis.

      Und weil er einmal im Schwünge war, ließ er sich immer mehr gehen.

      Gerade so wie die Schlange Aristid! fuhr er fort. Der ist ein falscher Bruder, ein Verräter. Oder gehst du etwa seinen Artikeln im »Unabhängigen« auf dem Leim, Silvère? Da wärest du ein nicht gewöhnlicher Schafskopf! Ich habe immer behauptet, daß dieser eingeschmuggelte Republikaner mit seinem würdigen Vater unter einer Decke spielt und daß es bei diesem Spiele um unsere Haut geht. Du wirst schon sehen, wie er den Mantel dreht. Und erst sein Bruder, der berühmte Eugen, dieser dicke Tölpel, mit dem sie so viel Staat machen! Von diesem verbreiten sie gar, er habe eine schöne Stellung in Paris! Ach ja, ich kenne diese schöne Stellung. Als Spitzel ist er angestellt in der Jerusalem-Straße.

      Wer hat Euch das gesagt? Ihr wißt nichts davon, unterbrach ihn Silvère, dessen schlichter Sinn endlich durch die erlogenen Beschuldigungen seines Oheims beleidigt wurde.

      So? Ich weiß nichts davon? Glaubst du? Und ich sage dir, er ist ein Spitzel ... Du in deiner Gutmütigkeit würdest dich scheren lassen, wie ein Schaf. Du bist kein Mann. Ich will von deinem Bruder Franz nichts Schlimmes sagen; aber wenn ich an deiner Stelle wäre, würde es mich doch arg verdrießen, so schmutzig behandelt zu werden, wie er dich behandelt. Er erwirbt in Marseille schweres Geld, und es fällt ihm nie ein, dir ein Zwanzigfrankenstück zu senden, damit du dir dann und wann ein kleines Vergnügen gönnen könntest. Wahrhaftig, wenn du eines Tages in Not wärest, würdest du dich an ihn vergeblich um Hilfe wenden.

      Ich brauche niemanden, entgegnete der junge Mann stolz und gereizt. Meine Arbeit genügt, um mich und Tante Dide zu erhalten. Ihr seid grausam, Ohm!

      Ich sage nur die Wahrheit und möchte dir die Augen öffnen. Unsere Familie ist eine schmutzige Familie; das ist traurig, aber es ist so. Selbst der kleine Maxime, der Sohn Aristids, dieser neunjährige Balg, streckt die Zunge gegen mich heraus, wenn er mich sieht. Dieser Knirps wird eines Tages seine Mutter prügeln, und das wird recht sein. Du magst sagen was du willst: diese Leute verdienen ihr Glück nicht. Aber so ist es in allen Familien; die Guten verkümmern, und die Schlechten gedeihen.

      All die schmutzige Wäsche, die Macquart mit so vielem Behagen vor seinem Neffen wusch, widerte den jungen Menschen in der Seele an. Er hätte lieber seine Träume weitergesponnen. Wenn er sich allzu ungeduldig zeigte, wandte Antoine die großen Mittel an, um ihn gegen seine Anverwandten zu erbittern.

      Verteidige sie nur, sagte er und wurde scheinbar ruhiger. Ich habe mich darauf eingerichtet, nichts mehr mit ihnen zu tun zu haben. Was ich dir darüber sage, geschieht nur aus Liebe zu meiner armen Mutter, die diese ganze Sippe in einer wahrhaft empörenden Weise behandelt.

       Es sind Elende! murmelte Silvère.

      Oh, du weißt nichts davon. Es gibt nichts so Schmachvolles, was die Rougon nicht von der armen Alten sagen. Aristides hat seinem Sohne verboten, sie zu grüßen. Felicité spricht davon, die Alte in ein Narrenhaus stecken zu lassen.

      Bleich wie sein Hemd, hörte der junge Mensch diese Reden.

      Genug! rief er; ich mag nichts mehr wissen. All dies muß ein Ende nehmen.

      Gut, gut, ich schweige schon, da es dich ärgert, sagte der alte Halunke, einen gemütlicheren Ton anschlagend. Es gibt aber doch Dinge, die du wissen mußt, wenn du nicht eines Tages die Rolle eines Tölpels spielen willst.

      Indem er sich so bemühte, Silvère gegen die Rougon aufzuhetzen, war es Macquart ein auserlesener Genuß, dem jungen Menschen Tränen des Schmerzes zu erpressen. Er verabscheute diesen vielleicht noch mehr als die übrigen, weil er ein vorzüglicher Arbeiter war und niemals trank. Darum strengte er seinen boshaftesten Scharfsinn an, um die grausamsten Lügen zu erfinden, die den armen Burschen im Herzen trafen; er ergötzte sich dann an seiner Blässe, an dem Zittern seiner Hände, an seinen trostlosen Blicken mit der Wollust eines bösen Geistes, der seine Schläge berechnet und sein Opfer an der empfindlichsten Stelle getroffen hat. Wenn er Silvère genügend verletzt und verbittert zu haben glaubte, ging er endlich auf die Politik über.

      Man hat mir versichert, sagte er halblaut, daß die Rougon einen bösen Streich vorbereiten.

      Einen bösen Streich?

      Ja; in einer der nächsten Nächte wird man sich aller guten Bürger der Stadt bemächtigen und sie in den Kerker

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