Else Ury: Die beliebtesten Kinderbücher, Romane, Erzählungen & Märchen (110 Titel in einem Band). Else Ury

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Else Ury: Die beliebtesten Kinderbücher, Romane, Erzählungen & Märchen (110 Titel in einem Band) - Else Ury

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herabgezogen, als wolle er weinen und dürfe nicht.

      Kein anderer sieht das. Vater ist glücklich, wie glänzend seinem Mädel das Jahr in Tübingen körperlich sowohl wie geistig bekommen ist. Sein Blick ruht immer wieder auf seinem anmutigen Nesthäkchen. Annemaries Gesicht ist nicht so regelmäßig schön wie die feinen, blassen Züge von Vera Burkhard. Dafür ist es jugendfrisch und blühend.

      »Annemie – Marrgot und ich, wirr brringen dich zwei Neuigkeiten mit – rrate!« begann Vera aufgeregt.

      »Ihr habt euch verlobt?« Klaus, der jetzt ebenfalls wieder daheim war, kam seiner Schwester zuvor.

      »Wir beide miteinander?« lachte Margot.

      »Viel, viel schönerr. Ihrr Männerr denkt immerr, alles drreht sich in die Welt nurr um euerr Wenigkeit. Ich werrde zu Herrbst eine künstlerrische Atelier fürr Kinderrbildnisse erröffnen. Ich haben geschickt auf das Ausstellung fürr künstlerrische Photogrraphie und sein worrden prrämiierrt.« Veras zartes Gesicht strahlte.

      »Wie freue ich mich für dich. Verachen, daß du so schöne Erfolge hast«, stimmte Annemarie in die Freude mit ein.

      »Unser Mastvieh auf der pommerschen Klitsche wurde auch vorigen Herbst prämiiert.« Der Klaus war doch immer noch solch ein Frechdachs wie früher.

      »Als höfliches Kavalierr du würrdest werrden niemals prrämiierrt, Klaus.« Wenn die Freundinnen da waren, gab es Neckereien und Wortgeplänkel wie einst in Kindertagen.

      Margot druckste. Sie wollte so gern ihre Neuigkeit ebenfalls los werden.

      »Ich – –« begann sie.

      »Höfliches Kavalier wird man nicht unter Kühen und Ochsen.« Klaus zuckte gleichmütig die Achseln.

      »Na, erlaube mal gefälligst«, legte Nesthäkchen los. »Die Hauptzeit deines Lebens hast du doch wohl nicht unter Kühen und Ochsen verbracht.«

      »Dann waren es Gänse.«

      »Ich habe ebenfalls – – –«, mit ihrer immer noch bescheidenen Schüchternheit versuchte Margot vergeblich, in dem Lachen sich Gehör zu verschaffen.

      »Was hast du ebenfalls, Margot? Dein Leben unter Gänsen zugebracht? Ich habe, soweit es euer Kränzchen betrifft, niemals daran gezweifelt.«

      »Der Klaus ist schrecklich verwildert. Der reine Bauer ist er geworden. Das wird viel Mühe kosten, ihn wieder zu kultivieren«, seufzte Annemarie drollig.

      »Kinder, nun laßt doch bloß mal Margot ihre Neuigkeit loswerden. Sie erstickt ja sonst«, unterbrach Hans die Übermütigen.

      »Richtig! Auch ein prämiiertes Mastvieh?« Klaus entfesselte wieder eine Lachsalve. Denn auf die überschlanke Margot angewandt, wirkte die Bezeichnung besonders komisch.

      Margot schwieg beleidigt. Die Empfindlichkeit hatte sie aus ihren Backfischtagen ins Leben mit hinübergenommen.

      »Beleimigt?« Klaus schnitt eine Grimasse. »Zimpfere Stadtjungfer! Da – zur Versöhnung!« Er schob ihr ein Praliné zwischen die Lippen.

      »Kinder, ihr müßt den Spaß nicht zu weit treiben«, lenkte Frau Braun ein. »Also, Margot, jetzt berichte du uns.«

      Margot schluckte ihre Empfindlichkeit mit dem Praliné zugleich hinunter.

      »Ich bin an einem Verlage für Entwürfe von Buchschmuck angestellt worden«, berichtete sie jetzt doch wieder freudig stolz.

      »Gratuliere, großartig, was ihr schon erreicht habt! Und unsereins krabbelt immer noch auf der untersten Stufe der Wissenschaftsleiter herum. Eigentlich könnte ich euch beneiden.« Annemarie seufzte.

      »Dafürr steigen du späterr um so höherr auf das Leiterr herrauf«, tröstete Vera.

      »Und Vaters Assistentin zu werden, ist gar nichts – he, du Schlingel?« Dr. Braun hob das Gesicht seiner Jüngsten zu sich empor. »Bist ja so kleinlaut, Lotte. War dein Herr Lehrer heute nicht mit dir zufrieden?«

      Annemarie stimmte in das Lachen der andern über Vaters Witz mit ein. Nur die Mutter fühlte, daß hinter dem Lachen ungeweinte Tränen standen. –

      Immer blauer, immer goldener wurden die Maientage. Das Blühen und Duften, das Farbenleuchten und Glühen ward von Tag zu Tag berauschender. Unnatürlich heiß war es für Frühlingstemperatur. Jeden Morgen blickte man in den strahlenden Himmel, ob sich denn noch immer nicht das kleinste Wölkchen zeigen wollte.

      Da – eines Mittags, ein leiser Schleierdunst über der Kuppel des Charlottenburger Schlosses, das über Baumwipfel hinweg zum Krankenhause herübergrüßte. Bei der Mittagstafel hatte dieser zartweiße Dunst einen so lebhaften Gesprächsstoff ergeben, wie nur je ein interessanter Krankheitsfall. Die einen meinten, es ziehe herauf, die andern, es sei noch gar keine Aussicht auf Abkühlung.

      Als Annemarie nach Tisch ihr Krankenjournal erledigt hatte, war der feine Dunst schon zu weißlichen Dampfwölkchen verdichtet. Als man mit der Nachmittagsvisite fertig war, segelten grauschwarze Wolken wie aufgescheuchte Raubvögel um den Schloßturm.

      Jetzt stand Annemarie im Portal des Krankenhauses und blickte prüfend in die drohenden Wolkenmassen. Ob sie noch trocken zu Vera kam? Die Freundin erwartete sie, und wenn sie erst heimfuhr, um sich Mantel und Schirm zu holen, wurde es spät. Ach was – das Wetter drohte ja schon seit Stunden. So schnell entlud es sich nicht. Und wenn auch – Annemarie hätte nicht Doktors leichtsinnig unbekümmertes Nesthäkchen sein müssen, um sich von ein paar Wolken ins Bockshorn jagen zu lassen.

      Freilich, sie hatte noch ein Stück Weges zu gehen bis zum Schloß. Von dort aus konnte sie dann die elektrische Bahn benutzen. Vorwärts!

      Nachdem das junge Mädchen etwa fünf Minuten trotz der Schwüle im Eiltempo gelaufen war, sielen die ersten Tropfen. Schwer und langsam. Umkehren? Ausgeschlossen! Es war ja gar nicht mehr weit bis zum Schloß. Und die himmlische Wäsche konnte ihrem weißen Sommerkleid nicht viel schaden. Annemarie beschleunigte ihr Tempo.

      Schneller aber noch als sie war der Gewitterregen. Wolkenbruchartig rauschte er plötzlich wie eine Dusche über Doktors Nesthäkchen herab. Blitze zuckten wie gelbe Schlangen. Donner krachte.

      »Fräulein Annemarie – Fräulein Annemarie –!« narrte sie der Gewittersturm oder war das wirklich Rudolf Hartensteins Stimme hinter ihr?

      Annemarie jagte weiter, vom Sturm vorwärts getrieben. Nicht einmal den Kopf vermochte sie zu wenden.

      »Fräulein Annemarie –!« da hatte er sie erreicht.

      Ein schwarzes Regendach wölbte sich über ihre triefenden Blondhaare. Ein Gummimantel hing ihr plötzlich schützend über dem durchweichten Kleid.

      »Was laufen’s denn gar so arg, Fräulein Kollega, nehmen’s mich doch mit«, meinte Rudolf, nachdem er wieder Atem schöpfen konnte. »Sie sind ja gut ausg’waschen. Kommen’s nur ein bißle näher, einhaken mögen’s ja nit, gelt? ‘s geht halt auch so!« Er hielt den Schirm schräg über ihr Haupt, ungeachtet dessen, daß er nun selbst naß wurde.

      Ihn unterfassen? Nein! Erst heute vormittag hatte er sie wieder geärgert. Sie sei viel zu huschelig, um Ärztin zu werden, hatte er gemeint. Daran dachte er scheinbar nicht mehr. Er hatte wirklich ein kurzes

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