Gesammelte Werke von Cicero. Марк Туллий Цицерон

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Gesammelte Werke von Cicero - Марк Туллий Цицерон

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vergebens sich um Geld oder Macht oder Reichthum oder Ruhm gemüht haben, wenn sie die Lust nicht erlangen, wegen der sie so viel und so schwer in der brennenden Erwartung, sie zu erreichen, sich geplagt haben. (§ 61.) Nun schaut auch auf jene kleinlichen und ängstlichen Seelen, die entweder an Allem verzagen oder boshaft, neidisch, schwerfällig, lichtscheu, verläumderisch, scheusslich sind, oder schaut auf Andere, die sinnlichen Ausschweifungen ergeben, oder muthwillig, tollkühn und waghalsig und zugleich unmässig und träge niemals bei einer Meinung beharren. Deshalb hören in dem Leben solcher Leute die Unannehmlichkeiten niemals auf, und deshalb ist kein Thor glücklich und kein Weiser unglücklich. Unsere Gründe für diesen Satz sind weit besser als die der Stoiker; denn diese wollen nur, ich weiss nicht welches Schattenbild für ein Gut anerkennen, was sie mit einem weniger gehaltvollen als blendenden Namen das Rechte nennen; die auf dies Rechte gestützte Tugend soll keiner Lust bedürfen, sondern allein zum glücklichen Leben genügen.

      Kap. XIX. (§ 62.) Allerdings kann dies in einem gewissen Sinne behauptet werden, ohne dass wir dem entgegentreten; im Gegentheil, wir stimmen zu, da Epikur das Glück des Weisen immer so beschreibt, dass er seine Begierden in Schranken hält, den Tod nicht scheut, in Betreff der unsterblichen Götter ohne alle Furcht ist, die Wahrheit kennt und nicht ansteht, das Leben zu verlassen, wenn es so besser ist. So ausgerüstet, befindet der Weise sich stets in der Lust; zu jeder Zeit überragt bei ihm die Lust den Schmerz, da er des Vorgegangenen sich dankbar erinnert und das Gegenwärtige in seiner ganzen Fälle und Annehmlichkeit bewusst erfasst; er sorgt sich nicht um das Kommende, sondern geniesst in dessen Erwartung das Gegenwärtige. So ist er von jenen Fehlern, die ich vorhin erwähnte, völlig frei und wird von einer hohen Freude erfüllt, wenn er das Leben des Thoren mit dem seinigen vergleicht. Treffen den Weisen einmal Schmerzen, so sind sie doch nie von einer solchen Stärke, dass er nicht immer mehr haben sollte von dem, was ihn erfreut, als von dem, was ihn ängstigt. (§ 63.) Vortrefflich ist der Ausspruch Epikur's, dass das Schicksal dem Weisen nur wenig in den Weg trete; dass die grössten und wichtigsten Angelegenheiten nach seinem Rath und seiner Anweisung besorgt werden, und dass selbst ein unendlich langes Leben nicht mehr Lust gewähren könne, als schon das jetzige beschränkte gewähre. Von Eurer Dialektik meinte er, dass sie kein Mittel zum bessern Leben sei und selbst bei den Erörterungen nichts nütze; auf die Naturwissenschaften legte er aber grosses Gewicht; durch sie könne auch die Kraft der Worte, die Natur der Rede und das Verhältniss der Einstimmung und des Widerstreits erkannt werden, und durch die Erkenntniss der Natur aller Dinge werde man allein von dem Aberglauben befreit, von der Todesfurcht erlöst und nicht irregeführt durch jene Unkenntniss der Dinge, welche oft ausserordentliche Schrecknisse veranlasse. Selbst sittlich besser werde man, wenn man gelernt habe, was die Natur verlangt. Hält man die Erkenntniss der Dinge unverrückt fest und bewahrt man dabei jene Regel, die für die Erkenntniss der Dinge gleichsam vom Himmel gefallen ist und nach der sich alle Urtheile über die Dinge bestimmen, so wird man niemals, durch die Rede eines Andern besiegt, seine Meinung aufzugeben brauchen. (§ 64.) Aber ohne Erkenntniss der Natur der Dinge wird man niemals die Ansprüche der Sinne vertheidigen können. Ueberdem kommt Alles, was man im Geiste sieht, von den Sinnen, und man kann nur dann mittelst ihrer Etwas wahrnehmen und erkennen, wenn sie sämmtlich als wahrhaft gelten, wie Epikur's Lehre besagt. Erkennt man dies nicht an und leugnet man eine Erkenntniss durch die Sinne, so kann man bei solcher Beseitigung derselben nicht einmal das verständlich machen, was man verhandelt. Auch wird mit Aufhebung der Kennt nisse und Wissenschaften aller Anhalt für die Führung des Lebens und die Besorgung der Geschäfte unmöglich. Somit wird durch die Naturwissenschaft auch die Festigkeit gegen alle Todesfurcht und die Unerschütterlichkeit gegen die Drohungen der Religion gewonnen. Ist die Unwissenheit über die verborgenen Dinge beseitigt, so tritt die Ruhe des Gemüths ein, und wenn die Natur der Begierden und ihrer Arten eingesehen ist, so folgt die Mässigung. Mit jener erwähnten Regel der Erkenntniss und mit dem von ihr geleiteten Urtheile wird die Unterscheidung des Wahren und Falschen gewonnen.

      Kap. XX. (§ 65.) So bleibt mir für unsre Besprechung nur noch ein wichtiger Gegenstand, die Freundschaft, deren Möglichkeit Ihr bestreitet, wenn die Lust das höchste Gut sein soll. Epikur sagt von ihr, dass unter allen Dingen, welche die Weisheit für ein glückliches Leben beschaffen könne, keines grösser und fruchtbarer und angenehmer sei, als die Freundschaft; ein Ausspruch, den er nicht blos durch seine Studien, sondern noch mehr durch sein Leben, seine Thaten und Sitten bestätigt hat. Welch grosses Gut die Freundschaft ist, zeigen schon die Fabeln, welche die Alten erfunden haben. Obgleich seit dem entferntesten Alterthume dergleichen in grosser Zahl und Mannichfaltigkeit gedichtet worden sind, so finden sich von Theseus bis zu Orest doch kaum drei Freundschaftspaare darin. Welche grössere Schaaren von Freunden, die in fester Liebe verbunden waren, hat dagegen Epikur in seinem einen und noch dazu kleinen Hause versammelt? Noch jetzt wiederholt sich dies bei den Epikureern. Doch ich komme zur Sache zurück und brauche nicht von den Personen zu reden. (§ 66.) Ich finde, dass die Unsrigen in dreifacher Weise die Freundschaft besprochen haben. Die Einen leugnen, dass die auf Freundschaft bezügliche Lust ebenso wie die eigene Lust um ihrer selbst willen zu suchen sei. Damit scheint Manchem die Festigkeit der Freundschaft erschüttert; indess halten Jene an ihrem Ausspruch fest und helfen, wie mir scheint, sich leicht aus dieser Schwierigkeit heraus, indem sie behaupten, dass, wie nach dem Früheren die Tugenden, so auch die Freundschaft nicht ohne Lust sein könne. Ein einsames Leben ohne Freunde sei voll Gefahren und Furcht, deshalb fordere schon die Vernunft, sich Freunde zu erwerben; deren Erlangung gebe der Seele Vertrauen, und sie lasse sich dann die Hoffnung auf zu gewinnende Lust nicht nehmen. (§ 67.) So wie der Hass, der Neid, die Geringschätzung der Lust zuwider sind, so sind die Freundschaften nicht blos die treuesten Beschützer der Lust, sondern bewirken auch die Lust, nicht blos bei den Freunden, sondern auch bei sich selbst; sie gewähren nicht blos einen gegenwärtigen Genuss, sondern stärken auch durch die Hoffnung auf die folgenden und spätern Zeiten. Wenn man also in keiner Weise ohne Freundschaft ein angenehmes Leben sich sicher und dauerhaft erhalten kann, und wenn man die Freundschaft, ohne die Freunde wie uns selbst zu lieben, nicht bewahren kann, so wird gerade dies in der Freundschaft verwirklicht und die Freundschaft mit der Lust verknüpft; denn man erfreut sich an der Lust der Freunde wie an seiner eigenen und leidet ebenso mit ihren Aengsten. (§ 68.) Deshalb ist der Weise gegen seine Freunde ebenso gesinnt wie gegen sich selbst, und die Mühe, die er für seine eigene Lust, übernehmen würde, übernimmt er auch für die seiner Freunde. Alles, was von den Tugenden gesagt worden und von der Art, wie sie immer der Lust einwohnen, das gilt auch von der Freundschaft. Herrlich ist der Ausspruch Epikur's, der ohngefähr so lautet: »Derselbe Grundsatz, welcher die Seele ermuthigt, kein Uebel als ein ewiges oder anhaltendes zu fürchten, lässt auch erkennen, dass während dieses Lebens der Schutz der Freundschaft der festeste ist.« (§ 69.) Manche Epikureer verhalten sich indess etwas verzagter gegen Euer Schimpfen, aber sind doch ganz scharfsinnig. Sie fürchten, dass alle Freundschaft hinkend werden würde, wenn man sie nur der eignen Lust wegen begehrte. Nach ihnen erfolgt zwar das Zusammentreten, die Verbindung und der Wille zu gemeinsamem Umgang zuerst um der eignen Lust willen; wenn aber der fortgesetzte Verkehr die Vertraulichkeit herbeigeführt habe, so erwachse daraus eine solche Liebe, dass die Freunde, auch wenn die Freundschaft keinen Nutzen gewährt, sich um ihrer selbst willen lieben. Sie meinen, dass man durch Gewohnheit ja schon Plätze, heilige Orte, Städte, Gymnasien, das Feld, die Hunde, die Pferde, die Spiele, die Leibesübungen und Jagden lieb zu gewinnen pflege; um so viel mehr und mit mehr Recht könne dies also auch für den Umgang mit Menschen geschehen. (§ 70.) Man behauptet sogar, dass die Weisen einen Bund geschlossen haben, die Freunde nicht weniger wie sich selbst zu lieben; dies halte ich nicht allein für möglich, sondern es ist auch oft geschehen, und es erhellt, dass eine solche Verbindung das trefflichste Mittel für ein angenehmes Leben sein muss. Aus Alledem kann man abnehmen, dass das Wesen der Freundschaft nicht leidet, wenn das höchste Gut in die Lust gesetzt wird, sondern dass ohnedem die Verbindungen der Freundschaft überhaupt nicht angetroffen werden können.

      Kap. XXI. (§ 71.) Wenn somit das, was ich gesagt, heller und klarer ist als die Sonne; wenn ich Alles als aus dem Quell der Natur geschöpft dargelegt habe; wenn meine ganze Rede ihre Bestätigung durch die Sinne, als den unbestochenen und wahrhaften Zeugen, erhält; wenn die kleinen Kinder, ja selbst die stummen Thiere es unter Führung ihrer Lehrerin Natur beinahe aussprechen, dass nur die Lust glücklich mache

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