Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida Pfeiffer

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Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke - Ida Pfeiffer

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denn zu seinem Unterhalte hat es wenig nöthig, und wohl nirgends arbeitet der Pöbel mehr, als er für den unumgänglichen Bedarf braucht; in Italien vollends, wo bei Tage die Hitze groß, des Abends die Temperatur so himmlisch ist, will Alles nur genießen, aber nicht arbeiten.

      Ich sah Männer oft halbe Tage lang mittelst eines kleinen Stöckchens Kugeln durch einen kleinen, in die Erde befestigten Ring treiben, — eines der beliebtesten Volksspiele. Die Weiber stehen oder sitzen beständig vor den Häusern und schwätzen oder zanken, und die Kinder leben gar den ganzen Tag auf der Gasse. — Über jede Kleinigkeit gerathen sowohl Alte als Junge in Streit, dann stoßen sie mit den Füßen auf einander, was bei Weibern oder Mädchen gar anmuthig läßt! selbst mit Messern sind sie gleich bei der Hand.

      Will man das Volk Neapels recht beobachten, so muß man seine Wohnung im Viertel St. Lucia aufschlagen. In den kleinen Seitengäßchen wohnen die Fischer, Fachini, Lazaroni und Schiffer, die den größten Theil des Tages auf der großen Straße St. Lucia zubringen, die zugleich eine Hauptpassage der Spazierengehenden, Fahrenden und Reitenden ist. Längs des Hafens findet man eine Menge Verkäufer von Austern und Schalthieren, die sie frisch vom Meere bringen. Die Lazaroni gehen nicht mehr halb nackt, wie sonst; auch das gemeine Volk ist ziemlich gut gekleidet, doch durchaus nicht originell.

      Hier rollten auch die meisten schönen Equipagen vorüber, in welchen höchst elegante Damen und Herren sitzen.

      Die Männer, selbst viele der besseren Klasse, kaufen alle Lebensbedürfnisse ein, als: Fleisch, Brot, Geflügel u.s.w. Letzteres wird in ganz Italien sehr stark gegessen. Besonders liebt man Indiane (kalkutische Hähne), die auch zerlegt und theilweise nach Gewicht verkauft werden. An Sonn- und Feiertagen sind die Kaufläden mit Waaren und Lebensmitteln, die Fleischbänke und Geflügelstände eben so den ganzen Tag eröffnet, wie an Werktagen. In ganz Italien sieht man der Art keine Heiligung eines Feiertages.

      Am fünfzehnten Tage war ich wieder so weit hergestellt, daß ich mit einiger Mäßigung meine Touren beginnen konnte.

      Ich beschränkte mich Anfangs auf Kirchen, Palläste und das Museum, besonders weil das Wetter über alle Maßen schlecht war. Es regnete, oder besser gesagt, der Regen strömte fast täglich vom Himmel, und in solchem Falle schießt das Wasser gleich Bächen von den Seitengassen herab, dem Meere zu. Neapel liegt größtentheils auf einer Anhöhe, Kanäle sind nirgends angebracht, folglich muß sich das Wasser selbst Bahn brechen, was zum Theil auch sein Gutes hat, weil es die Stadt, in deren Seitengassen ein Schmutz sondergleichen herrscht, ein Bischen rein fegt.

      Ein Urtheil zu fällen über die Herrlichkeiten und Kunstschätze, welche ich hier und ferner in Rom, Florenz u.s.w. gesehen habe, wäre von mir, die ich keine Kennerin bin, eine Albernheit. Ich kann nur andeuten, was ich gesehen habe.

      Ich hielt mich bei meinen Wanderungen größtentheils an die Eintheilung und Angaben des Reisehandbuches von August Lewald, das jeder Reisende als sehr richtig und zweckmäßig erproben wird.

      Den Anfang machte ich mit dem königlichen Pallast, der nahe meiner Wohnung in St. Lucia gelegen, mit der einen Seite die Fronte gegen das Meer, mit der andern gegen den schönen, großen Platz bildet. Er hat zwei und vierzig Fenster in der Reihe. Von seinem Innern konnte ich nichts sehen, als die reich verzierte Kapelle, denn die königl. Familie war beständig anwesend, und daher der Zugang in die Gemächer nicht gestattet.

      Dem Schlosse gegenüber steht die herrliche Rotunda, auch Kirche des heil. Franzesco de Paula genannt. Zu beiden Seiten dieser Kirche reihen sich, von schönen Säulen getragen, halb kreisförmige Portiken, unter welchen mehrere Kaufläden angebracht sind. Die Rotunda ist mit einer herrlichen Kuppel gedeckt, die auf 34 Marmorsäulen ruht. Die Altäre, zwischen welchen kolossale Statuen von weißem Marmor in Nischen stehen, sind rings an den Wänden angebracht, und zum Theil mit sehr schönen Altarbildern, Arbeiten neuerer Zeit, geschmückt. An dem Hauptaltare ist viel Lapis-Lazuli verschwendet. In den höhern Räumen der Kuppel laufen zwei Gallerien mit schönen, eisernen Geländern. Die ganze Kirche ist mit grauem Marmor überkleidet, sogar die Beichtstühle sind von diesem Gestein. Der Eintritt in dieses Gotteshaus überrascht, denn Alles hat hier eine eigene Gestaltung. Von außen hält man es aber eher für ein anderes Prachtgebäude, als für eine Kirche. Die berühmte Rotunda zu Rom gab das Modell für diese ab, nur die Portiken sind jenen an der Peterskirche nachgebildet.

      Auf dem Platze vor dieser Kirche stehen zwei große Reiterstatuen von Erz.

      Von hier kömmt man gleich in die beiden schönsten und belebtesten Straßen der Stadt, nämlich in die Chiaja und Toledo. Unweit von da steht das imposante Theater St. Carlo, welches nicht nur das größte in Italien, sondern in ganz Europa seyn soll. Schon von außen macht es einen herrlichen Anblick. Es hat eine ziemlich lange und breite Vorhalle, die auf Säulen gestützt ist, unter welcher die Equipagen vorfahren, damit man trocken und bequem aus- und einsteigen kann. Diesen Abend war „besonders große Vorstellung", ich ging hinein, und fand das Innere des Hauses wahrhaft überraschend. Es enthält sechs Stockwerke, lauter Logen. Ich zählte im ersten Range vier und zwanzig. Jede hat beinahe die Größe eines kleinen Zimmers, zwölf bis fünfzehn Personen haben bequem Raum. Einen herrlichen feenartigen Anblick soll es gewähren, wenn der äußere Schauplatz, wie dieß oft bei besondern Feierlichkeiten der Fall ist, ganz beleuchtet wird. Ober dem Portale der Bühne ist, wie beinahe in allen Theatern Italiens, eine Uhr angebracht, die nicht nur die Stunden, sondern auch die Minuten angibt. Eine „außerordentliche Vorstellung" fängt gleich nach 6 Uhr an und hört gewöhnlich eine, auch zwei Stunden nach Mitternacht auf. Ich sah diesen Abend ein kleines Ballet, darauf folgten zwei Akte einer Oper, sodann ein Luftspiel, und den Schluß machte ein großes, brillantes Ballet. Bei Beneficien gibt man absichtlich so vielerlei Vorstellungen, um das Publikum recht anzuziehen, und nebst dem sind die Preise noch um ein Fünftel niedriger.

      Der größte Platz, Largo del Castello, schließt sich beinahe an das Theater an, er ist von länglicher Form und trägt mehrere pallastähnliche Gebäude; in einem derselben befindet sich das Finanzministerium und die Polizeibehörde. Ein hübscher Brunnen, an welchem das Wasser über Felsen stürzt und einen kleinen Fall bildet, ist nicht zu übersehen.

      Etwas weiter links kommt man auf den Platz Medina, auf welchem der schönste Springbrunnen Neapels steht. In der Mitte dieser beiden Plätze, hart am Meere, liegt das Castell nuovo, welches ganz die Form der Bastille haben soll. Es ist stark befestigt und dient zur Vertheidigung des Hafens. An diesem geht es äußerst lebhaft zu, manche Stunde ergötzte ich mich an dem Gewühle, besonders an Sonn- und Feiertagen, wo sich Improvisatoren, Sänger, Musiker und allerlei Gaukler einfinden.

      Unweit vom Hafen ist eine lange Gasse, in der sehr viele Garküchen und eine Menge Stände mit Lebensmitteln aller Art etablirt sind. Hierher geht man des Abends, wenn man das Volk um die Maccaroni-Kesseln versammelt sehen will; doch zuvor lasse man Uhr und Börse zu Hause, selbst das Sacktuch ist nicht sicher.

      Von dem Gedränge und Geschrei, was da herrscht, kann man sich keinen Begriff machen. Große Kessel stehen vor den Boutiken, und mit einer großen hölzernen Gabel oder mit einem Löffel faßt der Wirth eine Portion Maccaroni auf einen Teller und reicht ihn dem Verlangenden hin. Einige verzehren ihre Lieblingsspeise mit, andere ohne Fett und Käse, je nach Beschaffenheit des Kassastandes. Alle aber essen — mit den Händen. Zahllos ist das Heer der Hungrigen, und man hat große Mühe, in dieser breiten Straße sich während der allgemeinen Futterungszeit durch die Menge zu drängen. Nicht weit von dieser Volksstraße sind zwei Theater mit Pulcinellos aufgeschlagen. Die Marionetten des einen haben eine Höhe von anderthalb, jene des zweiten gar von drei Fuß.

      Dann gibt es noch ein Volkstheater, in welchem Komödien lustigen und traurigen Inhalts aufgeführt werden, in jeder muß der Hanswurst vorkommen. Die übrigen Theater, als nuovo, Carlini u.s.w. haben ungefähr die Größe des Leopold- und Josephstädter-Theaters, und mögen etwa acht hundert Personen fassen.

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