Der letzte Admiral 3: Dreigestirn. Dirk van den Boom
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Читать онлайн книгу Der letzte Admiral 3: Dreigestirn - Dirk van den Boom страница 17
Und ohne ein weiteres Wort sprechen zu müssen, wurde Ryk klar, warum Sia so intensiv gemustert worden war.
Denn die alte Frau, die sich mit mühsamen Schritten in den Raum schleppte, machte dabei Geräusche. Es war nicht das Stöhnen eines geplagten Körpers, erschöpft von der Last der Jahre und der Anstrengung der Fortbewegung, kein Seufzen oder Keuchen. Nichts dergleichen kam über die Lippen der fragilen Gestalt. Mit den weißen Spinnenweben als Haupthaar und der fleckigen, fast durchsichtigen Haut war sie beinahe das weibliche Gegenstück zu Ritas Großvater, an den niemand hier gerne zurückdachte.
Das Geräusch, das sie hörten, war ein singendes. Ryk kannte es. Es war das eines sich anstrengenden Elektromotors, verbunden mit einer Hydraulik. Er kannte das Geräusch, denn in Extremsituationen war es auch aus Sias Leib hörbar, es war die Quelle der großen Kraft, die in ihren schlanken Gliedmaßen steckte. Sia war auf dem aktuellen Stand irdischer Technik, was auch immer davon noch übrig war, unterlag ständiger Wartung und war auf der Perlenwelt, als sie noch in Gnaden der Auri gestanden hatten, überprüft und verbessert worden. Danach war sie noch einmal in der Krankenstation der Korvette gewesen, die manches chronische Leid aus ihrem Körper hatte verbannen können. Sie war eine funktionierende, verbesserte und junge Hybride.
Ein Luxus, den die alte Frau schon lange nicht mehr genossen hatte. Soweit ihre Haut zu erkennen war, schien diese grün und blau geschlagen, mit Flecken und Wunden, die wenig mit ihrem Alter zu tun hatten, sondern mit dem, was Sia selbst trocken »verpasste Werkstatttermine« nannte. Die Geräusche, die ihr biomechanischer Hybridkörper von sich gab, ließen nur ein Urteil zu und Sias erschrockenem Gesichtsausdruck war anzusehen, dass sie zu einem ähnlichen Schluss gekommen war: Die alte Dame, wie sehr sie auch um Würde rang, um aufrechten Gang, die traurigen, mitleidigen Blicke ignorierend, pfiff aus dem letzten Loch, und das leider nicht einmal im übertragenen Sinne.
Sie war eine Hybride.
Und sie stand am Ende ihres Weges.
Sias und ihre Blicke trafen sich. Sia stand auf und ging auf die Dame zu, die angetan war mit einem weiten Kleid aus einem unbekannten Stoff, dunkelgrün, ohne Muster, ein Zelt, in dem sie beinahe verschwand und das hoffentlich nicht so schwer war, wie es aussah.
»Ich bin Sia.«
Die alte Frau starrte sie an und schien jedes Detail ihres Körpers, jede elegante und kraftvolle Bewegung der Jüngeren mit einer Mischung aus Unglauben und Faszination aufzunehmen. Sie bewegte ihre Lippen, ohne ein Wort zu sagen, als wollte sie erst einmal üben. Dann sprach sie.
»Mein Name ist Cenn. Ich habe nicht mehr damit gerechnet, eine zu treffen, die wie ich ist. Was für ein wunderschöner, wunderschöner Anblick. Und zugleich so erschreckend.«
Cenns Stimme, leise, wie knisterndes Papier, brach zum Ende hin, überwältigt von einer Rührung, die den zerbrechlichen Leib wie eine Welle zu durchfluten schien.
Sia reichte Cenn die Hand, diese ergriff sie und sofort übernahm Sia es, die alte Frau zu stützen.
»Wir setzen uns«, sagte Cenn, die Stimme etwas gefasster.
Sie taten es, eine langwierige Prozedur unter dem Singen des Elektromotors und unter Beanspruchung von Gelenken, für die bereits alles zu viel war. Cenns Gesicht blieb beinahe ausdruckslos, nur kurz zuckten die Mundwinkel, blinzelten die blassen Augen. Ryk kannte diese Anzeichen, er kannte sie gut aus Sias perfektem Antlitz, wenn der momentane Schmerz der Implantate, des Metalls in der Haut überwältigend schien. Es war jetzt viel besser, seit der Perlenwelt und dem Autodoc der Korvette, weniger Zucken und kein leises, nur nachlässig unterdrücktes Stöhnen mehr. Ein Segen für Sia und einer, den Ryk in diesem Moment von Herzen der alten Frau wünschte.
»Es tut mir so leid«, sagte Cenn. Sie hatte mit beiden Händen Sias Rechte ergriffen und drückte diese fest.
»Was tut Ihnen leid?«, fragte Sia etwas verwirrt.
Cenn teilte diese Verwirrung nun, das war ihr anzusehen. Sie war tatsächlich davon ausgegangen, dass Sia ihre Bemerkung ohne weitere Erklärungen verstand. »Was? Mein Kind. Das, was sie dir angetan haben. Das Leid, die Qualen, die Entbehrungen. Die vielen falschen Versprechungen. Dein Leben muss eine Folter sein, jede Bewegung voller Schmerz. Die ganzen Prozeduren eine Abfolge permanenter Entwürdigung. Nicht mehr die Herrin über den eigenen Körper, sondern Werkzeug jener, die dich missbrauchen. Ich weiß genau, wie du dich fühlen musst, mein Kind. Mein ganzes Leben lang habe ich nichts anderes erlebt.« Sie senkte die Stimme zu einem kaum noch vernehmbaren Wispern. »So bin ich aus Kryv geflohen und das war alles, was ich an Widerstand leisten konnte. Ich entzog mich ihrer Macht und jetzt sitzen sie da, denn ihre einzige Blaupause ist davongelaufen und sie können keine wie mich mehr quälen.« Sie sah Sia intensiv an. »Gib ihnen niemals diese Macht zurück, mein Engelchen. Das musst du mir versprechen.«
Sia wusste nicht, was sie da wem genau versprechen sollte. Mit jedem Wort aus dem Mund der alten Dame war ihre offensichtliche Verwirrung nur noch größer geworden. Sie sah Ryk hilfesuchend an, doch dem fiel nicht mehr ein, als ratlos mit den Schultern zu zucken.
»Mir … geht es gut«, sagte Sia dann und drückte wie zur Bestätigung die Hände der Alten. Ryk erwartete mit jeder Bewegung, dass diese darunter zerbrechen würde, dann aber erinnerte er sich, wen er da vor sich hatte. Niemand zerbrach eine Hybride so leicht, auch nicht eine so alte.
»Gut?«, hauchte Cenn voller Unglauben. »Was kann an deinem Zustand gut sein, mein Kind?«
»Ich fühle mich wohl«, versuchte Sia, sich begreifbar zu machen. »Ich habe keine Schmerzen, zumindest derzeit nicht. Meine Implantate funktionieren. Und mich hat niemand mit falschen Versprechungen zu etwas gezwungen. Ich weiß nicht, was in jenem Ort namens Kryv passiert, ich komme nicht von hier. Vielleicht geschehen dort schlimme Dinge, und wenn das so ist und wenn es Hybride wie uns betrifft, dann will ich es gerne erfahren. Aber dort, woher ich komme, ist es nicht so. Dort wird niemand gezwungen, so zu werden. Viele wünschen es sich freiwillig. Es ist erstrebenswert. Und wenn es das für jemanden nicht ist, muss er es auch nicht werden. Ich hoffe, Sie verstehen mich.«
Cenn hatte die Augen weit aufgerissen. Sie schien diese Worte aufzusaugen wie ein trockener Schwamm das Wasser, ihre Lippen zitterten. Das hörte sich für sie offenbar wie ein Märchen an und sie schüttelte andauernd den Kopf, bis Sia geendet hatte. »Du wurdest nicht aus der Krippe ausgewählt und dann bereitet, gesalbt und geschnitten, um durch die Prozedur den Plänen der Älteren zu dienen?«
»Kein Hybride wird bereits als Kleinkind operiert. Das Mindestalter ist sechzehn, manche sind älter, wenn sie den ersten Eingriff haben. Natürlich dienen wir Hybriden der Gemeinschaft, in die wir hineingeboren wurden, und wir teilen im Regelfall ihre Ziele. Aber es gibt Dissens unter uns, Streit um die richtige Richtung, Mangel an Einigkeit, und hin und wieder auch jene, die die Gemeinschaft deswegen verlassen.«
Für eine Weile hatte es so ausgesehen, als würde Sia selbst in diese Kategorie gehören. Ryk erinnerte sich schmerzhaft daran. Was wäre wohl aus ihr geworden, wenn diese Trennung ernsthafter Natur und nicht nur vorgetäuscht gewesen wäre?
»Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Wie nennt ihr euch? Hybride?«
»Das ist unsere Bezeichnung.«
»Wir werden die Erwählten oder Gesalbten genannt.«
»Mit diesem Begriff kann ich nichts anfangen. Seid ihr auf dieser Welt eine Art Religion?«
Cenn lachte, ein Geräusch wie knisterndes Feuer. »So kann man es wohl sagen. Es ist