Der letzte Admiral 3: Dreigestirn. Dirk van den Boom
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Читать онлайн книгу Der letzte Admiral 3: Dreigestirn - Dirk van den Boom страница 8
»Sia«, sagte Momo. »Ich verstehe dich nicht.«
Ryk nickte ihm zu. Uruhard saß mit gerunzelter Stirn da und wollte nicht zugeben, dass er möglicherweise den Faden verloren hatte. Vielleicht hatte er das auch gar nicht.
Sia jedenfalls, erleichtert darüber, eine weitere Lektion an ihr Publikum gebracht zu haben, schenkte ihnen allen ein Lächeln und zeigte auf den Tank. »Wenn die Quantenphysiker recht haben, wird das Wesen, das aus diesem Tank steigt, mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Seele haben, wenn die biologisch-chemischen Prozesse und Zustände für den Ausdruck einer solchen in der materiellen Welt vorhanden sind. Was sie sein werden, denn Unionstechnologie hat wirklich gut funktioniert, wie wir alle sehen. Man nennt es einen Klon. Und er wird funktionieren. Wie gut, weiß ich nicht. Aber die Ankündigung des Admirals, wir würden unser Gespräch fortsetzen können, weist darauf hin, dass er ganz genau wusste, was er da tat.«
»Aber warum bringt er sich dann um?«, fragte Ryk.
»Keine Ahnung.«
»Das weißt du nicht?«
Sia sah ihn missbilligend an. »Ich weiß viel, aber bei Weitem nicht alles. Stell mich nicht immer auf ein Podest, das meiner nicht gerecht wird.«
Dass die Sängerin durch ihre Vorträge manchmal selbst dazu neigte, sich auf dieses Podest zu stellen, ob sie es nun als solches wahrnahm oder nicht, erwähnte Ryk besser nicht. Er liebte diese Frau, daran bestand kein Zweifel, und er fürchtete ihre Missbilligung. Letzteres hing damit zusammen, dass sie verdammt noch mal auf diesem Podest stand und, egal was sie sagte, unausweichlich nur auf ihn herabblicken konnte.
Es war so. Sie wollte es vielleicht nicht. Aber es war so.
Sie mussten beide wohl noch lernen, mit dieser Tatsache richtig umzugehen.
Drei Stunden, hatte der Selbstmörder gesagt.
Anstatt über Quantenphysik und Hirnforschung nachzudenken, widmete sich Ryk dem Nahrungsautomaten, der mit zuverlässiger Emsigkeit Kohlenhydrate ausspuckte, und zwar zu viel davon. Das war Ryk allerdings in diesem Moment egal, vor allem weil er entdeckte, dass der Schokoladenkuchen tatsächlich so schmeckte, wie er Schokolade in Erinnerung hatte. Er aß zu viel davon, fühlte sich dann aufgebläht und träge, warf sich auf das Sofa und merkte irgendwann, dass sein Kopf an Momos Schulter ruhte, was dieser mit der tiefen Gelassenheit aufrichtig empfundener Freundschaft akzeptierte. Ryk döste einige Zeit vor sich hin, ohne richtig einzuschlafen, aber es half, das Zeitgefühl so weit zu betrügen, dass er die drei Stunden überstand, ohne in Grübelei oder Langeweile zu verfallen.
Er spürte Sias Hand an seiner Schulter und fuhr hoch.
»Es ist so weit.«
Er war sofort hellwach und sah sich um, doch die Umgebung hatte sich nicht verändert und der Tank rumpelte immer noch leise vor sich hin. Erst wollte er fragen, wie Sia zu ihrer Erkenntnis kam, dann erkannte auch er, dass sich die Anzeigen auf den Kontrollflächen verändert hatten, ohne im Einzelnen zu verstehen, was sie aussagten.
Ein sanftes Zischen erklang.
Uruhard zuckte und öffnete die Augen. Auch er war weggenickt. Momo hingegen war ohnehin wach und aufmerksam, was man allerdings nur an seinem aufmerksamen Blick erkennen konnte.
Ein dumpfer Laut erklang und der Deckel des Tanks begann sich zu bewegen. Ein Schwall sehr unangenehm stinkender Luft entwich. Es roch ein wenig wie die Müllhalden unter einem Hivestock, wenngleich es kein Verwesungsgeruch war. Ryk rümpfte die Nase, erhob sich, schaute hinüber zum Tank und sah darin, bedeckt von einem weißlichen, halb durchsichtigen Schleim, einen nackten Mann liegen.
Admiral Rothbard. Oder, wie Sia ihn mittlerweile überzeugt hatte, eine sehr gute Kopie.
Er stank wirklich.
Mit einer heftigen Bewegung richtete sich der Körper auf. Ihm entrang sich ein Aufstöhnen, ein Japsen nach Luft folgte und der Schleim tropfte zäh an der Haut hinab. Es blubberte vor Mund und Nase, als der Mann heftig ausatmete. Er rieb sich die Augen in einer automatischen Bewegung und der Schleim löste sich widerwillig. Rothbard blinzelte und seufzte erneut, mit einem rasselnden Geräusch aus seinem Brustkorb, als wären die Lungen nur widerwillig bereit, ihre Pflicht zu erfüllen.
Er bewegte den Kopf, schaute die vier Menschen an, die ihn anstarrten, und wirkte orientierungslos, vielleicht sogar überrascht. Dann klärte sich sein Gesichtsausdruck, als hätte jemand einen Knopf gedrückt und Informationen freigegeben.
Er schaute an sich herab, bemerkte Schleim und Nacktheit und blieb dennoch unbekümmert. Mit bedächtigen Bewegungen kletterte er aus dem Tank. Etwas unsicher und schwankend. Das Gleichgewicht zu halten war für ein Neugeborenes sicher nicht einfach, auch nicht für ein so großes. Dafür klappte es ganz gut. Er tapste zur Wand, öffnete eine Luke und holte ein großes Handtuch mit Blümchenmuster hervor, auf das Ryk eine Weile verwundert starrte, da es so dermaßen deplatziert wirkte, dass der Anblicke beinahe physische Schmerzen verursachte.
Mit methodischen Bewegungen trocknete sich der Säugling vom Schleim, der, je länger er der Luft ausgesetzt war, zu bröckeln begann und wie gräulicher Schnee zu Boden rieselte. Aus dem gleichen Fach wie das Handtuch holte der Mann dann eine Uniform und zog sie an. Mit jeder Minute wurden seine Bewegungen sicherer, als würde sich der Körper an alles erinnern. Als er fertig angezogen dastand, sah er exakt so aus wie das Exemplar, das sie hierhergeführt hatte. Lächelte genauso. Redete genauso.
»Sie haben gewartet. Das ist ein vorbildliches Verhalten. Ich habe jetzt großen Hunger. Bitte entschuldigen Sie mich, wenn ich mich erst einmal stärken muss. So eine Geburt ist eine aufreibende Sache und verbrennt eine Menge Energie. Aber setzen wir uns doch wieder. Ah, Moment.«
Rothbard drehte sich um, drückte eine Taste und der Tank schloss sich. Unmittelbar danach waren ein Pumpgeräusch und ein Gurgeln zu vernehmen. Die Vorbereitungen für die nächste Geburt waren in vollem Gange. Der Reinigungsroboter erschien und begann, die auf dem Boden verteilte Sauerei zu beseitigen.
Als sie alle saßen und Rothbard sich ein stattliches Menü aus dem Automaten geordert hatte, begann dieser, unterbrochen durch heftiges Kauen, mit seinen Erklärungen. »Sie werden sich gewiss über die Art unserer Begegnung wundern. Aber ein Teil des Rätsels ist ja bereits aufgelöst, wenn Sie alles aufmerksam beobachtet haben und nicht völlig verblödet sind: Ich bin ein Klon, eine Kopie des Originals, basierend auf der DNA, die im Tank vor unsagbar langer Zeit gespeichert wurde. Mit jeder Geburt werden Erinnerungsinhalte in mein Gehirn transferiert.« Er klopfte sich seitlich an den Schädel. »Ist weniger, als man denkt. Seit der Tank in Betrieb ist, wurde ich sieben Mal geweckt. Meine Lebensspanne darf nicht länger als acht Stunden betragen. Dann muss ich mich töten. Unangenehme Sache. Seit dem vorletzten Mal sind Jahre vergangen, aber Ihre Ankunft hat den Tank getriggert. Sieht so aus, als hätte ich jetzt noch einige dicht aufeinander folgende Zyklen vor mir. Will jemand vom Eiertoast? Ist ganz köstlich.«
Alle schüttelten den Kopf. Rothbard mampfte weiter. Kleine Stücke Eiertoast flogen von seinen Lippen, als er wieder das Wort ergriff.
Er war nicht so, wie Ryk sich das erträumt hatte. Aber jeder Held wirkte seltsam, wenn er gerade geboren worden war und großen Hunger verspürte. Ryk ermahnte sich. Er musste sich doch langsam mit dem Gedanken anfreunden, dass alles nicht so war, wie er sich das vorstellte.
Nichts