Deutsche Geschichte. Ricarda Huch
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Dass Friedrich eine so maßvolle Haltung bewahrte, war Verdienst des Deutschordensmeisters Hermann von Salza, dem daran lag, die beiden Häupter der Christenheit in ein gutes Verhältnis zu bringen. Auf seinen Rat hörte der Kaiser wie sonst auf wenig Menschen, weil er ihn achtete und fühlte, dass er immer das jeweils Beste wollte. Von dem nicht größten, aber interessantesten aller Kaiser ist wie vom Zebra schwer zu sagen, welches die Grundfarbe seines Charakters war. Er war nicht, wie sein Großvater Friedrich Barbarossa, der allem und allen gegenüber unerschütterlich der gleiche war, aus Heiterkeit und Zorn immer wieder in das Gleichgewicht ruhigen Ernstes übergehend. Friedrich II. liebte es, mit den Dingen zu spielen, es gab nichts, was seine italienische Skepsis nicht benagte; aber er selbst wollte sehr ernst genommen sein, und das geheiligte Fundament, auf das er sich stellte, durfte nicht angetastet werden. Er erlaubte sich kecke Scherze über christliche Glaubenssätze, betonte aber zugleich seine Rechtgläubigkeit, verfolgte die Ketzer und führte die Sprache des bibelfesten Bekenners im witzigen Munde. Sein scharfer Verstand durchdrang Dinge und Menschen, durchschaute alle Falschheiten und sah hinter hochtrabenden Ankündigungen die niedrigen Absichten; das gab ihm ein Gefühl der Überlegenheit und ließ ihn die Menschen verachten. Vor nichts hatte er Ehrfurcht außer vor seiner kaiserlichen Würde. Er ermahnte seinen Sohn Konrad, eifrig zu studieren, damit er tüchtig und weise werde. Denn die Könige, schrieb er ihm, werden geboren wie die übrigen Menschen und sterben auch wie sie. Sie hörten auf, Könige zu sein, wenn sie die königliche Weisheit vergäßen und sich von Privatinteressen beherrschen ließen. Dann aber sprach er von dem edlen Blut der Fürsten, dem ein feiner und edler Geist eingegossen sei, und er pflegte vom Blut der Staufer als vom Reichsgeblüt oder dem Blut der Göttlichen zu sprechen. Solche Ausführungen waren zuweilen ein Redeprunk, den er für angemessen hielt und über den er in manchen Augenblicken vielleicht lachte, da er wirklich überzeugt war, dass Könige Menschen wären wie alle Menschen; zugleich aber fühlte er sich hoch über allen Menschen sowohl durch seine Abkunft wie durch seine Begabung und Persönlichkeit. Er hatte zu seinem kühlen Verstande und nüchternen Scharfblick die Vehemenz des Genies und das schmerzlich selige Selbstbewusstsein des Letzten einer bedeutenden Familie. Auch seine äußerliche Erscheinung war nicht einfach: man rühmte sein schönes Gesicht und sein königliches Auftreten, aber seine Kurzsichtigkeit und früh eintretende Kahlköpfigkeit veranlassten einen Araber zu der Bemerkung, als Sklave würde er nicht viel gegolten haben. Da er das Schillernde seines Wesens und das Vielfachgeschliffene seines Geistes empfand, liebte er die schlichten, festgegründeten, einfachen Menschen wie Hermann von Salza und Landgraf Ludwig den Heiligen von Thüringen; diesen hatte er durch Hermanns Vermittlung kennengelernt. Auch darin war er italienisch, dass ihm Freundschaft der Männer mehr galt als Liebe der Frauen. Er war viermal verheiratet und hatte Liebesverhältnisse mit mehreren Frauen, ohne dass eine jemals Einfluss auf ihn gehabt zu haben scheint. Die Söhne, die aus den flüchtigen Verbindungen hervorgingen, liebte er mehr als die rechtmäßigen. Auch die Nahestehenden sah er zuweilen mit den Schlangenaugen an, die seine Feinde ihm zuschrieben, voll böser Kälte, und doch konnte er rückhaltlos vertrauen und warmherzige edle Männer an sich fesseln.
Hermann von Salza verstand den schwer zu durchdringenden italienisierten Staufer in seiner Größe und wusste ihn anderen verständlich zu machen. Ihm hauptsächlich mag es zu verdanken gewesen sein, dass eine Versöhnung zwischen Papst und Kaiser stattfand und dass diese vorläufige Klammer eine Zeit lang hielt. Die Ordnung seines sizilianischen Staates und ein Aufenthalt in Deutschland beschäftigten den Kaiser; sowie er aber mit einem auserlesenen, hauptsächlich aus Süddeutschen bestehenden Heere zurückkehrte, um die Lombardei zu unterwerfen, brach Gregor aus der mühsam bewahrten Zurückhaltung vor. Die Argumente, deren er sich bediente, waren die eines Papstes, aber sein Hass war der eines Königs von Rom und Italien. Friedrich solle nicht die Lombarden bekämpfen, sagte er, sondern die Sarazenen, mit denen aber verkehre er in Freundschaft, einer schnöden, verwerflichen für einen christlichen Kaiser. Solle er Italien, sein Erbland, verlieren, rechtfertigte sich Friedrich, um das entfernte Land der Sarazenen zu erobern? Wäre er, ein einzelner Mensch, imstande, die mächtigen Sarazenen zu besiegen? Gerade darum wolle er Italien unterwerfen, das reich an Waffen, Pferden und allen erdenklichen Schätzen sei, weil er diese Schätze zum Kampfe gegen die Ungläubigen verwenden wolle. Als dann Friedrich seine natürliche Tochter Selvaggia dem Ezzelino von Romano zur Frau gab und damit einen treuergebenen Anhänger in der Lombardei gewann, seinen Sohn Enzio mit der Erbin von Sardinien verheiratete, über das der Papst Lehensrechte