Mami Bestseller Box 1 – Familienroman. Jutta von Kampen
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Während sich Henrik und seine Tochter auf den Weg machten, war Gitta nicht in der Lage, irgendetwas zu tun. Sie hatte eigentlich die Fenster putzen wollen, aber das passte jetzt sowieso nicht mehr. In wenigen Minuten würde Reni hier sein, ihre kleine Reni, die sie schon so sehr vermisste. Ob es der Kleinen genauso ging?
Sich diese Frage zu stellen, war völlig überflüssig. Knapp zwanzig Minuten später lief Reni auf sie zu, strahlte vor Wiedersehensfreude und warf sich in ihre Arme.
Henrik bekam bei diesem Anblick feuchte Augen, und er schwor sich, sein Kind nie mehr derartigen Konflikten auszusetzen.
»Bist du jetzt wieder gesund?« Reni hatte es sich auf Gittas Schoß bequem gemacht und schaute sie forschend an.
»Ja, jetzt bin ich wieder gesund.«
»Dann kannst du ja wieder bei uns wohnen. Komm, wir packen ganz schnell deine Sachen.« Renis Initiative war kaum noch zu bremsen. Henrik meinte daher ablenkend: »Ihr beide könnt ja zuerst einmal euer Wiedersehen feiern, ich muss aber jetzt los, einkaufen und Auto waschen lassen. Wenn ich wieder hier bin, gehen wir zum Italiener und essen Pasta. Einverstanden?«
»Na klar, Papa. Pasta ist prima. Nicht, Tante Gitta, Pasta ist prima. Du kommst doch mit?«
Gitta brachte es nicht fertig, dem Kind eine Absage zu erteilen. Sie konnte dessen traurige Augen nicht sehen.
Und so erwiderte sie scheinbar erfreut: »Natürlich komme ich mit. Ich habe schon sehr lange keine Pasta mehr gegessen.«
»Da freuen wir uns aber mächtig, nicht wahr, Renimaus?« Henrik tätschelte seinem Töchterchen den Rücken und drückte bei der Gelegenheit Gitta einen Kuss auf die Wange.
Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, behielt Gitta das Kind noch für eine Weile auf ihrem Schoß und genoss es, dessen Körper zu spüren.
Die Kleine hatte abgenommen. Das war nicht zu übersehen. Die junge Frau machte sich Vorwürfe, sie so lange alleingelassen und nur an ihren eigenen Kummer gedacht zu haben. Andererseits gab es keine Lösung für dieses Problem. Sie konnte doch nicht zu einem Mann zurückkehren, der sie betrogen hatte und vermutlich immer wieder betrügen würde.
Gitta unterdrückte ein lautes Seufzen, während sie Reni fest an sich drückte. Und sie dachte an Evelin, an diese gefühlskalte Frau, die sich besser kein Kind angeschafft hätte. Ob die sich noch änderte und ihrem Kind eine echte Mutter sein konnte? Wahrscheinlich nicht.
»Ohne dich ist es bei uns gar nicht mehr schön«, vertraute ihr Reni jetzt an. »Wir sind beide so allein, der Papa und ich. Manchmal kommt die Oma und trinkt bei uns Kaffee, aber die geht bald wieder weg, die ist ja auch schon alt und muss sich ausruhen.«
»Ja, mein Mäuschen, so ist es wohl. Aber jetzt besucht ihr die Mutti sicher öfter.« Gitta konnte sich diese Frage nicht verkneifen und war dann überrascht, als Reni energisch verkündete: »Da fahren wir doch nicht hin, und bei uns war die auch nicht mehr. Papa hat mal am Telefon ganz böse zu ihr gesagt, dass sie uns in Ruhe lassen soll.«
Ja, wenn sie weit weg ist, dann kriegt er so etwas hin, und wenn sie bei ihm ist, dann kriecht er zu ihr ins Bett, dachte Gitta erbost. Ich müsste doch einen Knall haben, wenn ich mich wieder mit ihm einließe.
In diesem Augenblick umarmte Reni sie stürmisch und flüsterte ihr zu: »Ich lasse dich nie wieder weg. Dich hab ich lieb, weil du meine richtige Mutti bist.«
»Ich hab dich auch lieb«, erwiderte Gitta gerührt und tief bewegt. »Du bist doch mein kleines Mädchen. Aber sag doch, was wir machen wollen, bis dein Papa zurückkommt.«
»Mensch ärgere dich nicht spielen und Saft trinken«, kam es prompt zurück, was Gitta unwillkürlich lächeln ließ. Ihre Pflegetochter wusste, was sie wollte.
Als Henrik zwei Stunden später wieder bei ihnen auftauchte, vernahm er schon im Flur das fröhliche Lachen seines Kindes, sah gleich darauf dessen vergnügte Miene und hörte, wie dieses Kind triumphierend erklärte: »Ich habe drei Mal gewonnen, Papa, und Tante Gitta nur zwei Mal. Und jetzt habe ich Hunger.«
»Wir auch, nicht wahr, Gitta?« Henrik schaute bittend zu derjenigen hin, die ihn vor Wochen verlassen hatte, und fügte dann noch hinzu: »Ich habe schon einen Tisch bestellt.«
Und als sie nicht antwortete und an ihm vorbeisah, bat er so leise, dass Reni ihn nicht verstehen konnte: »Nun gib deinem Herzen schon einen Stoß. Wenn du mit uns in ein Lokal gehst, verpflichtet dich das zu nichts. Ich weiß, dass ich die Suppe auslöffeln muss, die ich mir dummerweise eingebrockt habe, aber Reni soll so wenig wie möglich darunter leiden.«
»Sie kann ja auch nichts dafür.«
»Nun kommt endlich, sonst werden die Nudeln noch kalt.« So rief Reni die beiden, die sich immer noch nicht einigen konnten, laut zur Ordnung. Und sie war es auch, die an diesem Tag keine schlechte Stimmung mehr aufkommen ließ. Es war beinahe so wie früher.
*
»Du hast – eine Tochter??« Evelin konnte es nicht fassen, was ihr der Professor eben bei einem Glas Prosecco gestanden hatte. Sie schaute ihn entgeistert an und wiederholte ungläubig: »Du hast wirklich eine Tochter?«
»Eine große Tochter«, ergänzte Hartmuth Grünberg amüsiert lächelnd. »Sie heißt Lena, ist bereits 23 Jahre alt, studiert Sozialpädagogik und liebt Kinder. Einen festen Freund hat sie natürlich auch. Wenn du mich heiratest, kannst du möglicherweise bald Großmutter werden.«
»Hartmuth!!«
Über ihre Empörung konnte er nur schallend lachen.
»Warum lachst du eigentlich?«, fauchte sie ihn an. »Dazu hast du überhaupt keinen Grund. Wir sind seit beinahe drei Monaten zusammen, und ich weiß nicht einmal, dass du ein Kind hast. Verstehst du dich nicht mit deiner Tochter?«
»Wir verstehen uns ausgezeichnet.«
»Und warum war sie noch nie hier?«
»Weil sie ein Jahr in den USA studiert hat und jetzt erst wieder zurück ist. Sie wird also bald hier auftauchen. Und damit du nicht aus allen Wolken fällst, habe ich dir heute von ihr erzählt. Mit ihrer Mutter war ich übrigens nie verheiratet, hatte aber immer und habe noch Kontakt zu ihr. Sie ist eine nette Frau und hat längst einen anderen Mann.«
»Und warum hast du sie nicht geheiratet?«
»Sie konnte sich damit nicht abfinden, dass ich beruflich so viel unterwegs war, aber eigentlich passen wir nicht zusammen«, gab er ruhig zurück.
»Und es hat dir nichts ausgemacht, dein Kind nur selten zu sehen?«
»So selten war das gar nicht. Natürlich hat sie Gertis Mann lieber als mich, der ist ihr Papsi, und ich bin bloß der Papa. Aber was macht das schon, wenn alle zufrieden sind und das Kind in Liebe und Geborgenheit aufwächst?«
Evelin verstand die leise Mahnung, die in seinen Worten enthalten war, sagte aber nichts, sondern dachte nur, dass es ein Familienleben, wie sie es sich vorstellte, in der Wirklichkeit nicht gab. Reni war nicht immer ein artiges Kind und würde auch bald zur Schule kommen, und Henrik würde nicht immer der Mann sein, der sie leidenschaftlich begehrte. In einem Satz: Sie war einem ganz normalen Familienalltag