Herzversagen - Ein Schweden-Krimi. Jonas Moström
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Ein wohlbekanntes Klopfen an der Tür unterbrach seine Gedanken. Monika Roos trat lächelnd ein. Sie war die Sekretärin der Abteilung und das Zentrum, um das sich alles drehte, sie hatte die Kontrolle über alles und alle. Und das betraf nicht nur die Arbeit. Wollte man sich jemandem anvertrauen, dann war Monika Roos definitiv die falsche Person. Aber die Sekretariatsaufgaben erledigte sie rasch und fehlerfrei und immer mit dem kompletten Service.
»Hallo, Johan.«
Axberg nickte zum Gruß.
»Gibt’s was Neues?«
Er hatte den Zettel in ihrer Hand schon gesehen, und die Frage war eher rhetorisch.
»Nichts Besonderes. Dieser Pfarrer hat wieder angerufen . . . Und natürlich auch deine Oma. Sie war sehr ärgerlich, dass die Zentrale sie nicht weiterverbunden hat.«
Axberg lächelte.
»Sie hat Schwierigkeiten, sich die Durchwahl zu merken. Was wollte der Pfarrer?«
»Mit dir reden. Mit keinem anderen. Er hat den Diebstahl einer Uhr angezeigt.«
»Ach ja?«
»Und dann wollte er noch wissen, warum ihr nicht weiter im Fall seiner Mutter ermittelt.«
Axberg überkam eine lähmende Müdigkeit.
»Ich verstehe.«
Monika Roos verließ das Zimmer und schaute neugierig auf die halboffene Tasche mit der Sportbekleidung, die direkt hinter der Tür stand. Axberg sah auf den Zettel, knüllte ihn zu einem Ball zusammen und warf ihn weg. Er schaffte es nicht, Pfarrer Ekstedt anzurufen, um ihm die Situation ein weiteres Mal zu erklären. Dass die Polizei keine Verbrechen aufklären kann, die nur in der Fantasie existieren. Mit oder ohne Uhrendiebstahl. Gleichzeitig war es seltsam, dass der Pfarrer sich bei etwas so sicher war, das so völlig unsinnig wirkte. Wahrscheinlich eine Art Trauerreaktion, dachte Axberg und trank ein Glas Wasser aus, das auf dem Schreibtisch stand. Obwohl das Glas höchstens eine halbe Stunde dort gestanden hatte, war das vorher eiskalte Wasser bereits lauwarm.
Er fragte sich, wie es seiner Oma bei der Hitze ging und wählte ihre Nummer. Nachdem er es fünfzehn Mal hatte klingeln lassen, legte er auf und versuchte es noch einmal. Keine Antwort. Hoffentlich ist sie nicht gestürzt, dachte er besorgt.
Axbergs Großmutter hatte vor vielen Jahren eine entscheidende Rolle in seinem Leben gespielt. Als er zwölf Jahre alt war, kamen seine Eltern bei einem Autounfall ums Leben, einem Frontalzusammenstoß mit einem Lastwagen außerhalb von Gävle. Sie waren auf dem Heimweg nach einem Wochenende bei Bekannten in Stockholm. Axberg hatte bei seinen Großeltern auf Frösön bei Östersund geschlafen. Er erinnerte sich daran, dass er in der Küche saß und Rhabarberkompott aß, als der Anruf kam. Die Zeit danach war turbulent und verwirrend. Er war bei den Eltern seines Vaters geblieben, die auch das Sorgerecht für ihn bekamen. Sie wurden während seiner Jugend zu seinen Leitfiguren und seiner Stütze. Seit sein Großvater vor acht Jahren an einem Herzinfarkt gestorben war, gab es nur noch Oma Rosine – ein schwacher Schatten der Frau, die seine Großmutter früher einmal gewesen war.
Axberg sah sie vor sich. Wie sie unsicher durch seine Wohnung tappte und dabei ihre Hände fast krampfhaft um die Gehhilfe krallte. Sehr lange hatte sie sich geweigert, die Gehhilfe zu benutzen. Sie nannte sie »Teufelsmaschine«, mit deren Hilfe sie direkt ins Fegefeuer marschieren würde. Axberg beschloss, in einer Stunde noch einmal anzurufen.
Es klopfte drei Mal an der Tür, und Sankari kam herein. Axberg fiel auf, dass sein kahler Kopf rot vor Sonnenbrand war. Dadurch bekam der ansonsten so beruhigende Anblick des Kollegen etwas fast Boshaftes.
»Hallo«, sagte Axberg. »Wie geht’s?«
Sankari setzte sich auf einen Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtischs. Er kratzte sich am Bart und blinzelte mit den Augen. Axberg wusste schon lange, dass Sankari gute Nachrichten brachte, wenn er so zufrieden aussah.
»Möglicherweise haben wir was in dem Drogenfall entdeckt . . .«
Sankari sprach langsam, als wollte er es noch eine Weile auskosten.
»Wir haben am Hedengrenska Gymnasium eine Lehrerin gefunden, die glaubt, etwas gesehen zu haben.«
Axberg nickte.
»Ein Auto«, fuhr Sankari fort. »Genauer gesagt, einen schwarzen BMW, der an zwei aufeinanderfolgenden Freitagen um die Schule herumfuhr. Beide Male am Nachmittag, als die Schule zu Ende war und die Schüler nach Hause gingen.«
Sankari lehnte sich zurück und machte eine Pause.
»Sprich weiter«, sagte Axberg.
»Da sie wusste, dass die Schüler in letzter Zeit mehr Drogen nehmen, schrieb sie sich die Autonummer auf.«
»Hat sie den Fahrer gesehen?«
»Nein, die Scheiben waren dunkel. Außerdem war sie sich auch nicht sicher, ob der Wagen überhaupt angehalten hat. Sie war nämlich in ihrem Klassenzimmer und hatte keine komplette Übersicht.«
Axberg verzog müde das Gesicht.
»Wem gehört das Auto?«
»Warte, dazu komme ich noch . . .«
Sankari rieb sich ein paar lose Hautschuppen vom Nasenrücken.
»In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass der Wagen auch bei dieser großen Raveparty in der aufgegebenen Reifenfabrik am Hafen diesen Winter gesehen wurde. Damals gehörte der BMW zu den Autos, die uns verdächtig vorkamen. Es wurde zwar nichts beschlagnahmt, aber wir haben ein paar Jugendliche erwischt, die was anderes im Blut hatten als nur Sachen aus Papas Bar.«
»Ich erinnere mich daran«, sagte Axberg. »Alle haben sich geweigert zu erzählen, was sie genommen haben und woher sie es hatten.«
»Genau«, sagte Sankari und wischte sich ein paar Schweißtropfen von der Stirn. »Verdammt warm. Kannst du noch ein paar Fenster aufmachen?«
Axberg öffnete alle Fenster und ließ Luft hinein, die fast noch stickiger war als die drinnen.
»Der Wagen gehört einem gewissen Ralf Sedin«, fuhr Sankari fort.
»Klingt bekannt. Was haben wir über ihn?«
»Ein Kleinkrimineller mit dem üblichen Kram. Misshandlungen, Hehlerei, Autodiebstahl. Für Geld macht er fast alles. Aber keine schweren Verbrechen.«
»Wo befindet er sich jetzt?«
»Hier in der Stadt und fährt in ebendem Auto durch die Gegend. Wenn wir Glück haben, taucht er heute vielleicht noch einmal auf. Aber bei diesem Durcheinander müssen wir ganz vorsichtig an den Fäden ziehen. Sonst wird das ganze Knäuel zu einem Knoten, der sich nicht mehr entwirren lässt.«
Axberg stand auf.
»Klingt, als bekämen wir vielleicht trotzdem den Weg hinein, den wir brauchen. Sag mir Bescheid, sobald etwas passiert.«
»Aber sicher«, sagte Sankari und trottete davon.