Die Bergung. Hans Leip

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Die Bergung - Hans Leip

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und ihr gewechselt, das über einen Gruß hinausging, und vorerst brachten die zufälligen Begegnungen im Büro oder am Bollwerk den Schritt kaum bis an die Tür jener Panzerung. Ja, die Straße des Alltags schien von da ab nur mit wandelnden Panzertürmen bedeckt; Fischer Hörn, der Inspektor, die Seeleute und die Wirtin, Tante Butt, ja selbst Tine Möller, deren Kinder und Mutter Neels einbegriffen. Die Öltanks und die Glocken sehen ähnlich aus, haben aber keine Türen. Der Direktor der Bergungsreederei gehörte entschieden zu den türlosen Öltanks, der Pastor entschieden zu den Glocken, bei denen niemand lange lebendig neben der schwingenden Zunge wohnt. Tralssen jedoch hatte die Tür zu sich selber sicherlich nur allzu lange zugeschlagen, um ungestörter das zu tun, was er beliebte, nämlich auf Beute zu schießen, gewalttätig der See zu Leibe zu gehn, seine Mannschaft zu beherrschen und, drei siegreiche Lampen übereinander im Vormast, einträgliche Erfolge in den Hafen zu schleifen.

      Tralssen war ein Mann von sechsunddreißig Jahren, auf der Kante des Lebens, da es sich entscheidet, ob man Junggeselle bleibt oder nicht.

      Immerhin hatten seine Tankschlitze schärfer als die braunen hübschen Mandeln seines Steuermanns ein Bild Alvels, des Büromädchens sowohl als der Tänzerin, aufgenommen. Und es war das seiner flüchtigen Tänzerin, das sich ungefragt in ihm aufstellte neben Seekarten und Peilkompaß, Bergungsberichten und Besatzungssorgen, das zwischen Sachlichem, Gewohntem, Handlichem und Seefestem sich blumenhaft eingefunden hatte, aus seefremden Gärten das schmale Etwas in wenig mehr als einem Hemd von sandgelbem Abendkleid, ihrer Haarfarbe ähnlich, dies Wesen dennoch Fleisch und Blut, die zarten Gewölbe, die den Sinnen zur Freude sind und so unvergleichlich wesenloser blühten als die Erinnerung vergorener Matrosenjahre, als das nasenbrechende Parfüm, das prasselnde Licht, das Gold und Knallrot und der billige lila Tüll, als die marksaugende, dampfige überdrüssige Üppigkeit hinter den Spielbudenplätzen der Häfen. Nach dem Tango hatte sie von dem Stuhl, dahin er sie zurückführte, einen blaßgraugestreiften Seidenschal genommen und sich um die Schultern gelegt. Die anmutige Bewegung, mit der sie diese Verhüllung vollzog, war Tralssen besonders klar im Gedächtnis geblieben. Er fand später, daß der Seehorizont oftmals die gleiche Farbtönung aufwies wie Alvels Schal, und an solchen Tagen fand die Mannschaft den Kapitän in trefflicher Laune.

      Tralssen dachte also oft an Alvel.

      Aber deswegen die Panzertür aufmachen? Er sah immer das Nächstliegende. Er war wie viele Leute seines Schlages ein naturhafter Rechner, der das Gegebene ohne Umschweife einsetzt und um die Lösung nicht bange ist, der die Logarithmen benutzt, ohne nach ihrer Herleitung zu fragen, dem die Unbekannten sich ohne große Mathematik zu Bekannten wandeln, wenn es die Gnade so will. Alvel schien ihm sehr unbekannt. Und die Gnade ließ auf sich warten.

      Die Wandlung geschah erst nach der Bergung des Tankdampfers „Pontos“.

      Eine Bergung, die ihn zugleich berühmt machte und sein Fallstrick wurde.

      *

      Es war wildester April. Da geriet jener norwegische Walöltanker „Pontos“ vor der Insel Sylt in Höhe Hörnum auf Grund. Er rief um Bergungshilfe, und im Verlauf von sechs Stunden waren drei tüchtige Seeschlepper zur Stelle, aber zwei gaben während der Nacht den Kampf mit der schweren See auf. Nur Tralssen hielt aus. Es gelang ihm gegen vier Uhr morgens, als die Flut unerwartet hoch stieg, durch Brecher und Brandung hindurch an den gestrandeten Tanker so weit heranzukommen, daß vom „Tiger“ eine Leine hinübergeschossen werden konnte.

      An der Leine wird das Wier befestigt, der Schleppdraht, und von den Leuten auf dem Havarierten eingeholt und auf dem Vorschiff um Ankerspill und Mastfuß oder wie es geeignet scheint, belegt, fest und dreifach gesichert und an den Scheuerstellen mit Schmattings umwickelt, mit irgendwelchem Plünnenzeug, damit es um Gottes willen halte, das gesegnete stählerne Rettungstau, das zum Bergungsdampfer hinübergeht, und die kostbare schenkeldicke, wundervoll federnde Manilatrosse, die am Schlepphaken hängt.

      Alles ging soweit gut. Aber was war mit der Manila?

      Die Leute des „Tiger“ arbeiteten auf dem Achterschiff bis an die Brust im tosenden Wasser. Die Manila, immer so sauber an Deck aufgeschossen, war in den wilden Erschütterungen unklar geworden, war ein verkinkter riesiger Schlangenknäuel, daran die harten, triefenden Fäuste verzweifelt rissen. Tralssen stand hoch darüber auf dem Laufsteg, der um den Schornstein herum nach achtern führt. Unter ihm die wühlende Masse kochte gleichsam im Scheinwerferlicht; zum erstenmal in seinem nüchternen Gehirn stieß ihm eine Bemerkung, die er in einem Buche über eine ähnliche Sachlage gelesen, als treffend auf, ja, der Trossenballen kochte wie ein Riesenknödel im Gischt, und nun sah er eine neue steile Brecherwand wie eine ungeheure Schaumkelle heranfegen. Und indes er schon dem Manne, der am gelegensten stand, zubrüllte, er solle den Schlepphaken wahrnehmen, sah er, wie die heranstürmende Woge, den Scheinwerferkegel erreichend, gelb aufleuchtete, und das erinnerte ihn in diesem Augenblick, der seine Gedanken weiß Gott zu anderem als zu Erinnerungen brauchte, an ein gewisses mattgelbes seidenes Abendkleid. Die Schaumkelle indes, groß wie ein Kuppeldach, kämmte schon krachend über das Achterschiff hin, und es mutete ihn fast lächerlich an, als sie das verklammerte Riesenbündel aus gedrehtem Hanf und Ölzeuggestalten wie einen Suppenkloß abfischen wollte. Wie Tralssen vorausgesehen, slippte der Schwung die Trosse vom Haken oder hätte es vielmehr getan, wenn nicht Bootsmann Möller, rechtzeitig durch die unmenschlich brüllende Stimme seines Kapitäns aufmerksam gemacht, sich mit jäher Wucht auf die Trossenschlinge geworfen und sie tatsächlich über die armdicke Eisenzinke zurückgebracht hätte.

      Dann aber wurde Möller von dem abschießenden Strudel gefaßt, und der prellte ihn rücklings über eine der Gleitschienen, die wie die Rippen eines Verdecks das halbe Achterschiff überspannen. Der gewaltige Sog packte auch das Trossenknäuel und klemmte es hinter die Trommel der Trossenwinde. Das freie Stück bis zum Haken zog sich steif, das dicke Tau quetschte sich über die Brust des unglücklichen Bootsmannes. Zwei Leute würgten sich heran, packten Möllers Beine, aber die Trosse hielt ihn fest, zumal das Achterdeck wie eine Schaukel aus dem Getobe hochkippte. Man hörte in dem Aufruhr Möllers Stimme nicht, aber man sah in dem unbarmherzigen Scheinwerferlicht, wie gräßlich er litt. Bottwender war es, der plötzlich ein Beil zur Hand hatte und Miene machte, die Trosse zu kappen, doch nicht ohne vorher, befehlsgewohnt, einen Blick zum Kapitän hinaufzuschicken. Und Tralssens kurze Gebärde, mehr als sein scharfer, vom Sturm zerhauener Zuruf, stoppte Bottwenders Versuch, den Armen zu befreien. Wie durch ein Wunder allerdings begann gerade jetzt der verklemmte Trossenklumpen sich zu entwirren. Die Trosse lief aus, als sei nichts gewesen, sie hob sich von der Winde, und Möller rutschte leblos aufs Deck. Sein Rückgrat war gebrochen, sein Brustkorb eingedrückt, dennoch atmete er noch. Man brachte ihn in die Messe, eben bevor das Licht auf dem „Tiger“ erlosch und Scheinwerfer, Peildeck und die halbe Funkbude über Seite gingen.

      Die gleiche zertrümmernde Grundsee rollte, kaum geschwächt, mit furchtbarer Gewalt sodann gegen den Tanker, der fünfzig Faden weiter quer auf der Schlickbank saß. Auch seinen Aufbauten spielte sie übel mit, schob ihn aber zugleich schräg über die Bank hinweg auf eine Rinne zu, die quer dahinter läuft und bei der hohen Flut genügend Wasser führte, so daß er plötzlich flott kam.

      Tralssen hatte sich in dem Höllensturz gehalten. Die Laufstegnock in Lee, seiner naturhaften Mathematik ohne viel Überlegung der richtige Standpunkt, war im Schutz des dicken Schornsteins unversehrt geblieben. Er erkannte sofort, als der „Tiger“ sich bebend aufrichtete, daß der Kampf nicht verloren, sondern, falls Maschine, Ruder und Trosse hielten, gewonnen sei. Ohne die Gewalt der Brecher hätte sein Schlepper allein den Neuntausendtonnendampfer schwerlich vom Sand heruntergekriegt. Wie in ähnlichen Lagen früherer Erfolge erstand in ihm eine jähe Erleuchtung, die er halb erstickt, halb sonderbar verzückt in sich brennen fühlte. Ihm war, indes er sich durch den Wirrwarr nach vorn tastete, als habe er das ahnungsweise alles so eingerechnet.

      Die beiden Funker des „Tiger“ wrangen sich halbtot, abgeschunden, aber nicht ernstlich verletzt aus den Trümmern ihres Bereichs. Die letzte Meldung,

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