Texten fürs Web: Planen, schreiben, multimedial erzählen. Stefan Heijnk

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Texten fürs Web: Planen, schreiben, multimedial erzählen - Stefan Heijnk

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Planen fürs Web 1

      Aufmerksamkeit auf Webseiten zu binden ist eine echte Herausforderung. Wer Menschen über digitale Kanäle für seine Inhalte begeistern möchte, sollte deshalb wissen, wie die Nutzer an den Bildschirmen ticken: Wohin schauen sie zuerst? Wann beginnen sie mit dem Scrollen? Wann steigen sie ins Lesen ein? Wie viele Sekunden investieren sie ins Überfliegen von Startseiten oder inneren Seiten? Und vor allem: Was genau ist in ihren Augen eigentlich attraktiver Content? Wer die Antworten auf diese Fragen kennt, kann seine Webseiten zielgerichtet layouten und mit Inhalten füllen. In diesem Kapitel geht es deshalb um die Psychologie der Nutzerinnen und Nutzer. Vorgestellt werden die zentralen Befunde der User-Experience-Forschung zum Blick- und Leseverhalten auf mobilen und auf Desktop-Webseiten. Und es wird gezeigt, was daraus für die Praxis folgt.

       Das Nutzer-Hirn am Haken

      Beim Texten fürs Web geht es letztlich um zwei Dinge: um die Inhalte und um die Form multimodaler Webseiten, auf denen sie unterbreitet werden. So weit, so simpel. Komplexer wird es durch den dritten Faktor, der im Spiel ist: die Menschen. Wer Content fürs Web plant und produziert und damit Menschen erreichen will, sollte deshalb zumindest im Groben wissen, wie sie mit Webseiten interagieren. Davon handelt dieses Kapitel.

      Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, wie Facebook, Instagram und andere Social-Media-Plattformen es schaffen, jeden Tag Milliarden meist junger Menschen für viele, viele Stunden an kleine und große Monitore zu fesseln? Oder wie es den großen Online-Games Minecraft, Fortnite oder Grand Theft Auto gelingt, ihre Nutzer täglich so tief in den Bann zu ziehen, dass sie ihre Freizeit mehr oder weniger zwanghaft an Bildschirmen verbringen? Zufall ist das jedenfalls nicht. Dahinter steckt vielmehr eine ausgefeilte psychologische Maschinerie, ein wohldurchdachtes, fein gesponnenes Netz aus Anreizen, Aufgaben, Cliffhangern und Belohnungen.

      Der US-amerikanische Kognitionspsychologe Nir Eyal hat sich die Mechanismen dieser Maschinerie genau angesehen – und enthüllt, wie Menschen damit subtil beeinflusst und psychologisch gewissermaßen an den Haken genommen werden. Moralisch-ethisch ist das Ganze sicherlich nicht unproblematisch, schließlich geht es letztlich um Manipulationstechniken. Auf der anderen Seite wird durch seine Analyse erst transparent und damit auch diskutabel, wie Unternehmen das Verhalten von Menschen für ihren Geschäftserfolg gezielt beeinflussen. Seine Beobachtungen hat er in einem Modell beschrieben, das er sinnbildlich als »Haken-Modell« bezeichnet. Auch fürs Web-Publishing lässt sich daraus lernen.

      Eyals Haken-Modell besteht aus vier Elementen beziehungsweise Phasen: Auslöser, Aktion, variable Belohnung und Investition. Ein Auslöser ist der psychologische Ausgangspunkt für ein bestimmtes Verhalten. Das ist immer so, denn ohne Stimulus gibt es keine Reaktion. Unterschieden wird zwischen inneren und äußeren Auslösern. Produkte, die zur Gewohnheit werden sollen, müssen zunächst durch äußere Auslöser auf sich aufmerksam machen. Das kann ein Call-to-Action in einer E-Mail sein, ein geteilter Link auf Twitter, eine Push-Notification auf dem Smartphone oder eine klitzekleine Zahl an einem App-Icon, die auf wartende Mitteilungen oder neue Inhalte hinweist. Folgt ein Nutzer immer wieder dem gleichen äußeren Auslöser, dann wird das Verhalten zur Gewohnheit. Es wird also nicht mehr darüber nachgedacht, ob man etwas tut – es wird einfach gemacht. Das ist das Ziel. Damit sich das tatsächlich so einstellt, muss der äußere Auslöser regelmäßig stark genug sein und sich möglichst rasch in einen inneren Auslöser wandeln. Das wiederum gelingt dann, wenn Gefühle und Wünsche berührt sind, beispielsweise Langeweile zerstreut oder Frust aufgelöst wird oder soziale Bindungen aufgebaut werden. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Aufgabe von Produktdesignern ist es zu erkennen, welches Gefühl angesprochen werden soll, wie also der anzusprechende innere Auslöser aussieht: Welches Problem wird gelöst? Welcher Schmerz wird gelindert? Welches Bedürfnis wird befriedigt?

      Im Anschluss an das Wahrnehmen eines äußeren und eines inneren Auslösers findet dann ein Handeln statt, eine Aktion. Hier ist absolut entscheidend, dass das, was getan werden soll, auch wirklich mühelos getan werden kann. Es geht also um Nutzerfreundlichkeit, es geht darum sicherzustellen, dass das aktuelle Bedürfnis störungsfrei befriedigt werden kann. Hier geht es um Usability.

      Was das Haken-Modell dann von einer herkömmlichen Feedbackschleife unterscheidet, ist die dritte Komponente: die variable Belohnung. Eyal beschreibt das so: »Die wenig überraschende Reaktion Ihres Kühlschranks, beim Öffnen der Tür immer das Licht im Inneren einzuschalten, treibt Sie nicht dazu, ihn immer und immer wieder aufzumachen, oder? Wenn Sie (…) jedoch eine gewisse Variabilität hinzufügen – zum Beispiel, indem wie durch Zauberhand bei jedem Öffnen ein anderer Leckerbissen in Ihrem Kühlschrank auftaucht –, kommt im Handumdrehen Faszination ins Spiel. Variable Belohnungen sind eines der machtvollsten Werkzeuge, die Unternehmen einsetzen, um Nutzer an den Haken zu bekommen.« Hier geht es also um Wow-Effekte.

      In der letzten Phase muss der Nutzer schließlich ein bisschen arbeiten, er muss investieren – mit Zeit, Daten, Mühe, sozialem Kapital oder Geld. Es geht nicht darum, dass nur flott das Portemonnaie geöffnet wird: »Vielmehr impliziert die Investition eine Handlung, die den Service für die nächste Runde verbessert: Freunde einladen, Vorlieben angeben, virtuelle Guthaben einrichten (…).« Das Produkt wird mit Persönlichem angereichert und auf diese Weise immer wertvoller. Wer dann beispielsweise die Herausforderungen des nächsten Levels in einem Online-Game erahnt und sich deshalb neues Zubehör zulegt, der wird es schon bald auch einsetzen wollen. Vor allem: immer wieder einsetzen wollen. Und: Wenn sich das Zubehör als nützlich erweist, wird noch mehr Zubehör gewollt. Es können also permanent neue Auslöser angeboten werden, die dazu führen, dass immer neues Zubehör gewollt ist. Der Kreis schließt sich.

       Dreh- und Angelpunkt: Content mit Haftkraft

      Den Bogen vom Hakenmodell zum Web-Publishing zu schlagen ist relativ einfach. Auch hier dreht sich letztlich alles um diese eine Frage: Mit welchen Inhalten können wir, kann ich unsere oder meine Zielgruppe begeistern und binden? Wie lässt sich per Content eine Haftkraft aufbauen, die gegen andere Möglichkeiten, Zeit zu verbringen, gewinnt?

      Leider gibt es keine einfache Antwort auf diese Frage, kein Patentrezept. Es kommt darauf an. Aber worauf genau? Auslöser sind im redaktionellen Tagesgeschäft im Überfluss vorhanden. Alles, was neu und relevant ist, kann ein Auslöser für Kontakt sein. Sicher ist: Inhaltliche Haftkraft entsteht nur dann, wenn die Qualität der Auslöser stimmt. Sie stößt Aktion an, sie ist Belohnung und Triebkraft für weitere Zeitinvestition. Im Zentrum jeder Content-Strategie steht deshalb immer das Nützlich-Sein für eine bestimmte Gruppe von Menschen. Helmut Markwort, Gründungs-Chefredakteur des Magazins Focus, hat für seine Redaktion einmal die Leitlinie festgelegt: »Fakten, Fakten, Fakten – und immer an die Leser denken«. Fürs digitale Publizieren würde ich das abwandeln in: »Nutzen, Nutzen, Nutzen – und immer an die User denken«. Überall, wo Inhalte fürs Web produziert werden, sollte diese Leitidee in großen Buchstaben an der Wand hängen. Nur über zielgruppengerechten Nutzwert entsteht Stickyness, also Haftkraft.

      Das Nützlich-Sein ist dabei breit gefächert zu denken. Nützlich sein kann nicht nur das Kochrezept für Pannacotta mit Minz-Pesto und Erdbeersauce oder eine Checkliste für vorbeugende Maßnahmen gegen Bettwanzen oder auch ein Ratgeber für die perfekte Rasenpflege im Schrebergarten. Nützlich kann im Prinzip alles sein: Witze sind nützlich als Lachstoff. Nachrichten sind nützlich zur politischen Meinungsbildung. Katzenvideos sind nützlich als Schmunzelzeitvertreib. Hauptsache ist, dass sich der Nutzwert der angebotenen Inhalte den Nutzern schnell und überzeugend erschließt. Als Content-Anbieter

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