Indienfahrt. Waldemar Bonsels

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Indienfahrt - Waldemar Bonsels

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style="font-size:15px;">       aus ihrer Stimme brechen die Augen des Todes

       wie aus den Berggefilden des ewigen Schnees.“

      Ich hatte diese Verse in Maratta von einem Fakir gehört und sie mir später geben lassen, wobei ich erfuhr, daß sie alter Herkunft sind und einem viel gesungenen Liede der Bergvölker der West-Gates entstammen. Nun dachte ich in diesem Augenblick zwar nicht an sie, sondern die Verse schienen an mich zu denken, sie bemächtigten sich meiner in dieser schrecklichen Lage, und mir geschah aufs neue das ergreifende Wunder jener erhabenen Gelassenheit, die, in Augenblicken der Angst, wie eine höhere und unbeteiligte Gewalt über uns hereinbrechen kann.

      Darüber sah ich eine große Schlange herangleiten, ihr schmaler Kopf war wohl eine Handbreit über dem Erdboden erhoben, und als er ins Licht kam, sah ich die feine Zunge eifrig spielen. Es erschien mir, als lächelte das Tier.

      Unter meinen Augen begann nun das grausame Spiel der Schlange, das alle Völker auf Erden kennen und rühmen oder verfluchen. Keinem anderen Tiere ist die geheimnisvolle Macht dieser Wirkung verliehen, die lautlos, unerklärbar, und wie aus einer unterirdischen Welt des Bösen stammend, daherkommt. Kraft und Mut, oder gute Waffen und kühner Sinn bringen ihrer Herrschaft nur selten Gefahr, denn sie hat neben vielen magischen Mitteln jenes furchtbare in ihrer Begleitschaft, das auch den Helden wehrlos macht, den Ekel. Aber neben ihm und vielem anderen, das ihr Wesen enthält, erstrahlt jener dämonische Abglanz aus ihren Regungen, der uns wie eine alte Erinnerung an den beständigen Triumph des Bösen anmutet. So ist ihr listiges Schleichen mit Weihe gepaart, ihre Schönheit mit Verstecktheit und ihre Macht mit Niedrigkeit. Alle Eigenschaften, welche dem Starken Freimut verleihen, verbindet sie, wie in einer heimlichen Genugtuung eigennütziger Bosheit, mit Falsch. Die Elemente von Wasser, Erde und Luft scheinen bei den Bewegungen dieses Körpers ihre unterscheidende Eigenart einzubüßen, denn der Gang der Schlange ist dem keines anderen Lebewesens zu vergleichen; in ihm ist das einfältige Rieseln des Wassers mit den Beschwörungen der Magier verbunden.

      Die Schlange umkreiste eine verwundete Ratte, die noch lebte, fuhr aus ihrem verschlafenen Tanz, der alle Wesen bannt, jählings zu und begann das erbeutete Tier zu verschlingen. Ihre Sorglosigkeit und die überlegene Sicherheit ihres Tuns erregte meine Bewunderung in hohem Maße, es war, als wäre sie sich keiner Feindschaft bewußt, die ihr etwas anzuhaben vermöchte. Das Zimmer blieb still, nur von der Decke rieselte bisweilen ein feiner Staub, und die zackigen Lichtornamente am Boden rückten langsam beiseit. Die Erde kreist, dachte ich, mit mir, mit dieser Räuberin, mit den kleinen Sterbenden und Toten dieses Raumes und mit allen, von denen ich durch ein unendliches Meer getrennt bin. Draußen schnarchte Panja, und Elias war an meinem Rücken eingeschlafen. So nahm ich vorsichtig vom Kofferrand eine der großen indischen Landzigarren, die braun wie Torf und feucht wie Erde sind, zündete sie an und wartete auf den Morgen. Meine Gedanken zogen mit den Rauchwolken in die grünliche Dämmerung, und ihr Gegenstand war das Leben der Menschen und Tiere auf der merkwürdigen Erde.

       Cannanore, die Fischer und das Meer

       Inhaltsverzeichnis

      Ehe die Morgendämmerung hereinbrach, trieb es mich hinaus, um den stillen Kampf der roten Morgensonne mit dem grünlichen Silberlicht des Mondes zu sehen. Oft sah ich die einsamen, hohen Palmen am Meer auf der einen Seite in rote Glut getaucht, während die andere noch die silbernen Wahrzeichen des Mondlichts trug, aus dessen kaltem Leuchten sie langsam im Morgenwind zu erwachen schienen. In solcher Licht- und Farbenpracht standen sie gegen das bewegte Meer, dessen Stimmen den heraufeilenden Tag begrüßten.

      Aber ich sollte diesen Morgen nicht zur Freude des herrlichen Anblicks gelangen, denn Panja hatte mit mir zu verhandeln.

      „Sahib,“ rief er, als ich um Wasser bat, „was ist dies für ein Haus, in welches du eingezogen bist!“

      Ich begann es zu beschreiben, aber er unterbrach mich mitleidig.

      „Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugemacht!“ rief er, und die herausfordernde Traurigkeit seiner Augen grenzte geradezu an Mißachtung.

      „Sieh, Panja,“ sagte ich so freundlich, als es mir möglich war, „ich brauche nun Wasser, bedenke die Sitten meines Landes.“

      Da führte mich Panja durch den Garten, ohne noch etwas zu sagen, denn er verzweifelte offenbar daran, mich anders als durch Tatsachen von der Ungerechtigkeit meiner Forderung zu überzeugen.

      Die ganze Frische des indischen Frühlingsmorgens umfing uns. Alle Blüten strömten von Tau über, ihre Farben leuchteten im ersten Licht, so daß meine Augen das Entzücken dieser Pracht nicht zu fassen vermochten, und der Geruch von Nässe, Erde und tausend aufbrechenden Blumen ließ mich taumeln vor Glück. Auch über Panja kam dieser Rausch, als risse das irdische Lebensheimweh der Blühenden seine Seele, wie auch die meine, mit sich empor. Er hob die braune Nase in die Luft, lächelte breit in einfältigem Behagen und sah sich nach mir um. Mit allen Sinnen sog er die Frische und das Licht ein, und sein dunkler, nackter Körper glänzte von Tau.

      Als wir am Ende des Gartens, dicht beim Palmendickicht, an der Zisterne anlangten, erblickte ich anfänglich nichts als eine turmartige Wildnis von Schlinggewächsen, und erst als Panja die Ranken zerteilte, gewahrte ich die zum Wasserspiegel niederführende Treppe, die wie in eine unterirdische Höhle hinabging. Die zerbröckelten Steinquadern in der Dämmerung waren von seltsamen Moosen übergrünt und fast ganz bedeckt, ein kühler Modergeruch kam mir entgegen, und Panja, der den Eifer seiner Entrüstung vergessen zu haben schien, warnte mich mit einem geflüsterten Wort und sah fast ehrfürchtig drein. Sein braunes Gesicht unter dem weißen Turban schaute aus einer Wolke halboffener, roter Blüten hervor, die so groß wie Kinderköpfe waren. Ein Falter, wie aus blauem Samt, erhob sich schläfrig aus ihrem Ampellicht und zog lautlos davon, in die Pflanzenwildnis hinein.

      „Du darfst nicht hinabsteigen,“ sagte Panja, „überall hockt der Tod im halben Licht, hierhin geht er aus dem Tag der Menschen; tritt zurück. Ich habe das Wasser gesehen, es ist grün wie sterbendes Laub und von Pflanzen bedeckt, es trägt Blumen, die niemals ein Sonnenstrahl getroffen hat und die deshalb giftig sind, wie die Schlange und das Fieber, die bei ihnen wohnen.“ Dann besann er sich plötzlich, seine kindlichen Augen verloren ihren andächtigen Ernst und er sagte mit gerunzelter Stirn:

      „Solch ein Haus mietest du! Wie lange willst du hier bleiben? Wir reisen nach Bitschapur zurück, ich werde alles in die Koffer stecken.“

      Auf dem Rückwege trafen wir Pascha, den Koch, der über die Straße kam und auf das Haus zuging. Einen roten Tonkrug mit Wasser auf der Schulter, schritt er durch die Sonne, die inzwischen aufgegangen war. Aus dem Hause drang Holzfeuergeruch. Pascha grüßte mich mit der freien Hand und schritt stumm an mir vorüber. Mir war zumute, als sei er stolz auf sein Land und auf seine Pflicht, gönnte mir das erste nicht und täte das zweite um seiner selbst willen. In seinen großen, samtartigen Augen, unter den langen Wimpern, verbarg sich sein Verlangen nach den Bergen. Seine männliche Gestalt entzückte mich, ich empfand plötzlich den Namen, den ich ihm zugelegt hatte, als lächerlich und wünschte mir, den seinen zu wissen, nur um ihn vor mich hinsagen zu können, diesen fremdartigen Namen seines fremden Geschlechts aus den Bergen. Mich ergriff aufs neue jene sonderbare Traurigkeit, die mich in Indien nie verlassen hat, und die dem menschlichen Herzen, allem Unerforschbaren gegenüber, eigentümlich ist.

      Panjas empfindsamer Sinn für alle meine Regungen, die sein Interessengebiet berührten, ahnte auf seine Weise, daß Paschas wortlose Tätigkeit mir wohlgefiel. Er sagte:

      „Diese Hunde aus den Felsspalten haben eine

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