Durch Wüste und Harem. Karl May

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Durch Wüste und Harem - Karl May

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Kein Arzt, kein Fakir und kein Zauberer vermochte den Schritt ihrer Krankheit aufzuhalten. Da hörte mein Herr – den Allah erfreuen möge – von dir und deinem Ruhme und daß der Tod vor deiner Stimme flieht. Er sandte mich zu dir und läßt dir sagen: Komm und nimm den Tau des Verderbens von meiner Blume, so soll mein Dank süß sein und hell wie der Glanz des Goldes.«

      Diese Beschreibung einer bejahrten Frau schien mir ein wenig überschwänglich zu sein.

      »Ich kenne den Ort nicht, an welchem dein Herr wohnt. Ist er weit von hier?«

      »Er wohnt am Strande und sendet dir ein Boot. In einer Stunde wirst du bei ihm sein.«

      »Wer wird mich zurückfahren?«

      »Ich.«

      »Ich komme. Warte draußen!«

      Er nahm seine Schuhe und zog sich zurück. Ich erhob mich, warf ein anderes Gewand über und griff nach meinem Kästchen mit Aconit, Sulphur, Pulsatilla und all’ den Mitteln, welche in einer Apotheke von hundert Nummern zu haben sind. Bereits nach fünf Minuten saßen wir in dem von vier Ruderern bewegten Kahne, ich in Gedanken versunken, Halef Agha aber stolz wie ein Pascha von drei Roßschweifen. Im Gürtel trug er die silberbeschlagenen Pistolen, die ich in Kairo geschenkt erhalten hatte, und den scharfen, glänzenden Dolch, in der Hand aber die unvermeidliche Nilpeitsche, als das beste Mittel, sich unter der dortigen Bevölkerung Achtung, Ehrerbietung und Berücksichtigung zu verschaffen.

      Zwar war die Hitze nicht angenehm, aber die stromaufwärts gehende Bewegung unseres Fahrzeuges brachte uns mit einem kühlenden Luftzuge in Berührung.

      Es ging eine Strecke weit an Durrha-, Tabak-, Sesam- und Sennespflanzungen vorüber, aus deren Hintergrunde schlanke Palmen emporragten; dann folgten unbebaute Flächen, über welche sich ein niederes Gestrüpp von Mimosen und Sykomoren hinstreckte; endlich kam nacktes, jeder Vegetation bares Gestein, und mitten aus den wohl bereits vor Jahrtausenden herumgestreuten Felsblöcken erhob sich die quadratische Mauer, durch welche wir uns den Eingang suchen mußten.

      Als wir anlangten, bemerkte ich, daß ein schmaler Kanal aus dem Flusse unter der Mauer fortführte, jedenfalls um die Bewohner mit dem nötigen Wasser zu versehen, ohne daß dieselben sich aus ihrer Wohnung zu bemühen brauchten. Unser Führer schritt uns voran, führte uns um zwei Ecken zu der dem Wasser abgekehrten Seite und gab an dem dort befindlichen Thore ein Zeichen, auf welches uns bald geöffnet wurde.

      Das Gesicht eines Schwarzen grinste uns entgegen, doch beachteten wir seine tief bis zur Erde herabgehende Reverenz gar nicht und schritten vorwärts, an ihm vorüber. Architektonische Schönheit durfte ich bei einem orientalischen Prachtgebäude nicht erwarten, und so fühlte ich mich auch nicht überrascht von der kahlen, nackten, fensterlosen Front, welche das Haus mir zukehrte. Aber das Klima des Landes hatte denn doch einen etwas zu zerstörenden Einfluß auf das alte Gemäuer ausgeübt, als daß ich es zur Wohnung eines zarten, kranken Weibes hätte empfehlen mögen.

      Früher hatten Zierpflanzen den schmalen Raum zwischen der Mauer und dem Gebäude geschmückt und den Bewohnerinnen eine angenehme Erholung geboten; jetzt waren sie längst verwelkt und verdorrt. Wohin das Auge nur blickte, fand es nichts als starre kahle Öde, und nur Scharen von Schwalben, welche in den zahlreichen Rissen und Sprüngen des betreffenden Gebäudes nisteten, brachten einigermaßen Leben und Bewegung in die traurige tote Scene.

      Der voranschreitende Bote führte uns durch einen dunkeln, niedrigen Thorgang in einen kleinen Hof, dessen Mitte ein Bassin einnahm. Also bis hierher führte der Kanal, welchen ich vorhin bemerkt hatte, und der Erbauer des einsamen Hauses war klugerweise vor allen Dingen darauf bedacht gewesen, sich und die Seinigen reichlich mit dem zu versorgen, was in dem heißen Klima jener Länderstriche das Notwendigste und Unentbehrlichste ist. Zugleich bemerkte ich nun auch, daß der ganze Bau darauf gerichtet war, die jährlich wiederkehrenden Überschwemmungen des Nils schadlos aushalten zu können.

      In diesen Hof hinab gingen mehrere hölzerne Gitterwerke, hinter denen jedenfalls die zum Aufenthalt dienenden Räume lagen. Ich konnte ihnen jetzt keine große, zeitraubende Betrachtung schenken, sondern gab meinem Diener einen Wink, mit der Apotheke, welche er umhängen hatte, hier des weiteren zu harren, und folgte dem Wegweiser in das Selamlük des Hauses.

      Es war ein geräumiges, halbdunkles und hohes Zimmer, durch dessen vergitterte Fensteröffnungen ein wohlthuend gedämpftes Licht fiel. Durch die aufgeklebten Tapeten und Arabesken und Ornamente hatte es einen wohnlichen Anstrich erhalten, und die in einer Nische stehenden Wasserkühlgefäße erzeugten eine recht angenehme Temperatur. Ein Geländer trennte den Raum in zwei Hälften, deren vordere für die Dienerschaft, die hintere aber für den Herrn und die besuchenden Gäste bestimmt war. Den erhöhten Hintergrund zierte ein breiter Diwan, welcher von einer Ecke bis in die andere reichte, und auf welchem Abrahim-Mamur, der »Besitzer von vielen Beuteln«, saß.

      Er erhob sich beim Eintritte, blieb aber der Sitte gemäß vor seinem Sitze stehen. Da ich nicht die dort gewöhnliche Fußbekleidung trug, so konnte ich mich ihrer auch nicht entledigen, sondern schritt, unbekümmert um meine Lederstiefel, über die kostbaren Teppiche und ließ mich an seiner Seite nieder. Die Diener brachten den unvermeidlichen Kaffee und die noch notwendigeren Pfeifen, und nun konnte das weitere folgen.

      Mein erster Blick war natürlich nach seiner Pfeife gerichtet gewesen, denn jeder Kenner des Orients weiß, daß man an derselben sehr genau die Verhältnisse ihres Besitzers zu erkennen vermag. Das lange, wohlriechende und mit stark vergoldetem Silberdraht umsponnene Rohr hatte gewiß seine tausend Piaster gekostet. Teurer aber noch war das Bernsteinmundstück, welches aus zwei Teilen bestand, zwischen denen ein mit Edelsteinen besetzter Ring hervorschimmerte. Der Mann schien wirklich »viele Beutel« zu besitzen, nur war dies kein Grund, mich befangen zu machen, da mancher Inhaber einer Pfeife im Werte von zehntausend Piastern seinen Reichtum doch nur den geknechteten Unterthanen entwendet oder geraubt hat. Lieber also einen prüfenden Blick in das Gesicht!

      Wo hatte ich diese Züge doch nur bereits einmal gesehen, diese schönen, feinen und in ihrer Mißharmonie doch so diabolischen Züge? Forschend, scharf, stechend, nein, förmlich durchbohrend senkt sich der Blick des kleinen, unbewimperten Auges in den meinen und kehrt dann kalt und wie beruhigt wieder zurück. Glühende und entnervende Leidenschaften haben diesem Gesichte immer tiefere Spuren eingegraben; die Liebe, der Haß, die Rache, der Ehrgeiz sind einander behilflich gewesen, eine großartig angelegte Natur in den Schmutz des Lasters herniederzureißen und dem Äußeren des Mannes jenes unbeschreibliche Etwas zu verleihen, welches dem Guten und Reinen ein sicheres Warnungszeichen ist.

      Wo bin ich diesem Manne begegnet? Gesehen habe ich ihn; ich muß mich nur besinnen; aber das fühle ich, unter freundlichen Umständen ist es nicht gewesen.

      »Sallam aaleïkum!« ertönte es langsam zwischen dem vollen, prächtigen, aber schwarzgefärbten Barte hervor.

      Diese Stimme war kalt, klanglos, ohne Leben und Gemüt; es konnte einem dabei ein Schauer ankommen.

      »Aaleïkum!« antwortete ich.

      »Möge Allah Balsam wachsen lassen auf den Spuren deiner Füße und Honig träufeln von den Spitzen deiner Finger, damit mein Herz nicht mehr höre die Stimme seines Kummers!«

      »Gott gebe dir Frieden und lasse mich finden das Gift, welches an dem Leben deines Glückes nagt,« erwiderte ich seinen Gruß, da nicht einmal der Arzt nach dem Weibe des Muselmannes fragen darf, ohne den größten Verstoß gegen die Höflichkeit und Sitte zu begehen.

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