Durch Wüste und Harem. Karl May

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Durch Wüste und Harem - Karl May

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Ring an meinen Finger gesteckt hatte, und kehrte mit Halef zu der Leiche zurück. Über ihr schwebten beharrlich die Geier, welche sich nun nach unserer Entfernung auf das Kamel niederließen.

      »Was gedenkest du nun zu thun, Sihdi?« fragte der Diener.

      »Es bleibt uns nichts übrig, als den Mann zu begraben.«

      »Willst du ihn in die Erde scharren?«

      »Nein; dazu fehlen uns die Werkzeuge. Wir errichten einen Steinhaufen über ihm; so wird kein Tier zu ihm gelangen können.«

      »Und du denkst wirklich, daß er ein Giaur ist?«

      »Er ist ein Christ.«

      »Es ist möglich, daß du dich dennoch irrst, Sihdi; er kann trotzdem auch ein Rechtgläubiger sein. Darum erlaube mir eine Bitte!«

      »Welche?«

      »Laß uns ihn so legen, daß er mit dem Gesichte nach Mekka blickt!«

      »Ich habe nichts dagegen, denn dann ist es zugleich nach Jerusalem gerichtet, wo der Weltheiland litt und starb. Greife an!«

      Es war ein trauriges Werk, welches wir in der tiefen Einsamkeit vollendeten. Als der Steinhaufen, welcher den Unglücklichen bedeckte, so hoch war, daß er der Leiche vollständigen Schutz gegen die Tiere der Wüste gewährte, fügte ich noch so viel hinzu, daß er die Gestalt eines Kreuzes bekam, und faltete dann die Hände, um ein Gebet zu sprechen. Als ich damit geendet hatte, wandte Halef sein Auge gegen Morgen, um mit der hundertundzwölften Sure des Korans zu beginnen:

      »Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Sprich: Gott ist der einzige und ewige Gott. Er zeugt nicht und ist nicht gezeugt, und kein Wesen ist ihm gleich. Der Mensch liebt das dahineilende Leben und lässet das zukünftige unbeachtet. Deine Abreise aber ist gekommen, und nun wirst du hingetrieben zu deinem Herrn, der dich auferwecken wird zum neuen Leben. Möge dann die Zahl deiner Sünden klein sein und die Zahl deiner guten Thaten so groß wie der Sand, auf dem du einschliefst in der Wüste!«

      Nach diesen Worten bückte er sich nieder, um seine Hände, die er mit der Leiche verunreinigt hatte, mit dem Sande abzuwaschen.

      »So, Sihdi, jetzt bin ich wieder tahir, was die Kinder Israel kauscher nennen, und darf wieder berühren, was rein und heilig ist. Was thun wir jetzt?«

      »Wir eilen den Mördern nach, um sie einzuholen.«

      »Willst du sie töten?«

      »Ich bin ihr Richter nicht. Ich werde mit ihnen sprechen und dann erfahren, warum sie ihn getötet haben. Dann weiß ich, was ich thun werde.«

      »Es können keine klugen Männer sein, sonst hätten sie nicht ein Hedjihn getötet, welches mehr wert ist, als ihre Pferde.«

      »Das Hedjihn hätte sie vielleicht verraten. Hier siehst du ihre Spur. Vorwärts! Sie sind fünf Stunden vor uns; vielleicht treffen wir morgen auf sie, noch ehe sie Seddada erreichen.«

      Wir jagten trotz der drückenden Hitze und des schwierigen, felsigen Bodens mit einer Eile dahin, als ob es gelte, Gazellen einzuholen, und es war dabei ganz unmöglich, ein Gespräch zu führen. Diese Schweigsamkeit aber konnte mein guter Halef unmöglich lange aushalten.

      »Sihdi,« rief er hinter mir, »Sihdi, willst du mich verlassen?«

      Ich drehte mich nach ihm um.

      »Verlassen?«

      »Ja. Meine Stute hat ältere Beine als dein Berberhengst.«

      Wirklich triefte die alte Hassi-Ferdschahn-Stute bereits von Schweiß, und der Schaum flog ihr in großen Flocken von dem Maule.

      »Aber wir können heute nicht wie gewöhnlich während der größten Hitze Rast machen, sondern wir müssen reiten bis zur Nacht, sonst holen wir die beiden, welche vor uns sind, nicht ein.«

      »Wer zu viel eilt, kommt auch nicht früher als der, welcher langsam reitet, Effendi, denn – Allah akbar, blicke da hinunter!«

      »Ah, sie sind es!«

      »Ja, Sihdi, sie sind es. Auch ihnen ist es zu heiß gewesen, und sie haben beschlossen, zu warten, bis die größte Glut vorüber ist.«

      »Oder sie haben sich verweilt, um die Beute zu teilen. Zurück, Halef, zurück, damit sie dich nicht bemerken! Wir werden das Wadi verlassen und ein wenig nach West reiten, um zu thun, als ob wir vom Schott Rharsa kämen.«

      »Warum, Effendi?«

      »Sie sollen nicht ahnen, daß wir die Leiche des Ermordeten gefunden haben.«

      Unsere Pferde erklommen das Ufer des Wadi, und wir ritten stracks nach Westen in die Wüste hinein. Dann schlugen wir einen Bogen und hielten auf die Stelle zu, an welcher sich die beiden befanden. Sie konnten uns nicht kommen sehen, da sie in der Tiefe des Wadi saßen, mußten uns aber hören, als wir demselben nahe gekommen waren.

      Wirklich hatten sie sich, als wir den Rand der Vertiefung erreichten, bereits erhoben und nach ihren Gewehren gegriffen. Ich that natürlich, als sei ich ebenso überrascht wie sie selbst, hier in der Einsamkeit der Wüste so plötzlich auf Menschen zu treffen, hielt es jedoch nicht für nötig, nach meiner Büchse zu langen.

      »Salam aaleïkum!« rief ich, mein Pferd anhaltend, zu ihnen hinab.

      »Aaleïkum,« antwortete der ältere von ihnen. »Wer seid ihr?«

      »Wir sind friedliche Reiter.«

      »Wo kommt ihr her?«

      »Von Westen.«

      »Und wo wollt ihr hin?«

      »Nach Seddada.«

      »Von welchem Stamme seid ihr?«

      Ich deutete auf Halef und antwortete:

      »Dieser hier stammt aus der Ebene Admar, und ich gehöre zu den Beni-Sachsa. Wer seid ihr?«

      »Wir sind von dem berühmten Stamme der Uëlad Hamalek.«

      »Die Uëlad Hamalek sind gute Reiter und tapfere Krieger. Wo kommt ihr her?«

      »Von Gafsa.«

      »Da habt ihr eine weite Reise hinter euch. Wohin wollt ihr?«

      

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