Das Verzaubern. Rebekah Lewis

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Das Verzaubern - Rebekah Lewis

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hat er das, ihn in einer privaten Sammlung behalten – dessen Standort war nie entdeckt worden.«

      »Wie haben Sie ihn also zufällig gefunden?«

      Ms. Scarlet stand aufrecht hin, ein arrogantes Kippen ihres Kinns ließ sie größer als gewöhnlich scheinen. »Ich habe einst seinen Zwilling besessen. Ich hatte ihn in einer Kammer in meinem Schloss hängen gehabt, weggeschlossen, so dass niemand ohne mein Wissen durch ihn eintrat.« Ein glasiger, ferner Blick erschien in ihren Augen. »Die Reben meiner roten Rosen erklommen die Turmmauern, kletterten in den Raum mit dem Spiegel. Sie verschlangen sich mit dem Rahmen, hielten ihn fest an der Wand. Hielten Wache.«

      Ah, das Schloss. April konnte nie sagen, ob Ms. Scarlet die Wahrheit sagte, dass sie früher in ihrem Leben in einem Schloss gelebt hatte, oder ob sie vielleicht nur aus einer wohlhabenden Familie kam und sie ihre Villa als solches bezeichneten. Sie war aus einem anderen Land, oder ihre Eltern waren es. Wahrscheinlich England, ihrem Akzent nach zu urteilen, aber April hatte niemals herumgeschnüffelt, denn Ms. Scarlets Vergangenheit schien sie irrational launenhaft werden zu lassen, wenn sie danach gefragt wurde. Dann kehrten ihre Gedanken zum Spiegel und der Vorstellung zurück, dass dieser wirklich einen Zwilling hatte. »Es gibt mehr als einen?« April erschauderte bei dem Gedanken.

      »Selbstverständlich gibt es mehr als einen! Pass auf. Er ist der Spiegel, du dummes Mädchen. Mit diesem Spiegel kann man ins Wunderland reisen.« Ihr Tonfall deutete an, dass nur ein Dummkopf das nicht erkennen würde.

      »Wunderland?« April prustete. »So wie sprechende Raupen und die Herzkönigin? Sie erwarten von mir, dass ich glaube, dass dieser Spiegel …«, April gestikulierte wild auf den unschönen Anblick, »… ein Eingang zu einer fiktionalen Welt ist?«

      Ms. Scarlet nahm den bemerkenswerten Farbton ihres eigenen Namens an, Scharlachrot. »Wie kommt es, dass Wilhelmina und ihr Faible für Enthauptungen diejenige ist, an die sich oft erinnert wird, doch ich nicht?« Sie nahm einen langen, tiefen Atemzug und legte eine Hand über das Spiegelglas. Vielleicht spielte die Beleuchtung Streiche, und vielleicht war es nicht die beste Entscheidung gewesen bis drei Uhr morgens wach zu bleiben, um ein Essay über Sturmhöhe zu schreiben, aber das Glas schien unter der Hand der Frau leicht zu wogen.

      Glaub die Fantasien nicht. April hatte in einem jungen Alter gelernt, dass die Realität gegenüber Magie und Märchen niemals nachgab. Es gibt nichts Derartiges wie das Wunderland. Ms. Scarlet war eine Spinnerin, nichts weiter. Möglicherweise war dies das Schicksal von jedem, der seine ganze Zeit umringt von alten Objekten verbrachte, so dass sie sich danach sehnte die Geschichten dahinter zu erfahren. Für einen solch beeindruckenden Spiegel war es nicht schwer sich vorzustellen, dass er der Eingang zu einer Fantasiewelt war. Unglücklicherweise geschahen Dinge wie diese nicht im realen Leben. April wandte sich in Richtung des Hinterzimmers, da sie bemerkte, dass sie noch nicht einmal ihre Tasche weggestellt und eingestempelt hatte, und stieß gegen einen Tisch, auf dem ein antik aussehendes Schachbrett lag. Die Figuren kippten um, manche verteilten sich auf dem Fußboden. Sie ging schnell herunter, um sie einzusammeln.

      »Ich kann dich dorthin schicken«, flüsterte Ms. Scarlet.

      Sie hielt an, spähte über ihre Schulter auf ihre Chefin, die nicht bemerkt hatte, dass April ein Chaos aus dem Schachspiel gemacht hatte, oder wenn sie das hatte – kümmerte es sie nicht. Ms. Scarlet streichelte über die verunstaltete Oberfläche des Spiegels. Das verzerrte Glas ließ es scheinen, als ob es bei der Berührung erbebte, aber das war höchst wahrscheinlich nur ihre wilde Fantasie. »Ich denke, nein danke.« Sie stellte das Schachbrett wieder richtig, richtete die roten und weißen Figuren aus und runzelte die Stirn. Ihr fehlte eine. April ging in die Hocke, um unter dem Tisch zu suchen, zu sehen, wohin sie gerollt war, aber der weiße König konnte nirgendwo gefunden werden. Sie tat es mit einem Achselzucken ab, wollte später danach suchen, stand auf und ging dann in das Hinterzimmer und Büro, stellte ihre Tasche in den kleinen Spind mit ihrem Namen darauf. Es gab keine Schlösser an der Tür, aber niemand kam jemals hier hinein und sie war die einzige Wochenendangestellte.

      »Denk darüber nach.« Die Worte schwebten in das Hinterzimmer. Offensichtlich würde die Frau diesen Unsinn nicht fallen lassen. Wie lange würde sie es beibehalten, wenn April niemals darauf hereinfiel? »Morgen, wenn du nicht wünschst zu gehen und es selbst zu sehen, werde ich den Spiegel zu meinem Apartment bringen und du wirst ihn niemals wieder sehen müssen.«

       Und auf Nimmerwiedersehen.

      Marchy rollte sich auf seinen Rücken und seufzte zufrieden, als die Frau bei ihm im Bett kicherte und sich das Haar aus ihren Augen strich. Er genoss immer einen Besuch in einem der Schlösser. Es war wahr, wenn er bei einer Frau liegend entdeckt werden würde, wäre er gezwungen zu heiraten, aber Diskretion war seine Spezialität. Er wusste auch, welche Frauen er um jeden Preis meiden sollte, und wählte seine Eroberungen mit Sorgfalt aus.

      »Das war exquisit, Harold«, sagte die Frau und seine gute Laune schwand. Er verachtete seinen Namen. Obwohl, um fair zu sein, er hatte ihren vollkommen vergessen. Sie lehnte sich nach oben, ließ ihr Gesicht in ihrer Hand ruhen und starrte ihn mit strahlenden bernsteinfarbenen Augen und einem Durcheinander goldener Wellen an.

      Er hatte sie nicht angewiesen seinen Spitznamen zu benutzen. Es war das Beste, wenn sie seinen formellen Namen benutzte, da es weitaus weniger intim war, trotz dem, was sie vor Momenten getan hatten. Er hatte ein volles Leben und brauchte kein Ehebündnis. Es war schlimm genug, dass der Hutmacher losgezogen ist und sich eine Braut gesucht hat, die immer auf deren Tee und Geplauder bestand. Marchy versuchte sich noch immer an ihre Anwesenheit zu akklimatisieren und musste nicht mit einer neuen Ergänzung umgehen, die mehr als ein Besucher wäre. Er hatte genug Stress.

      Eine Reihe aufgeregter Piepser brach die Stille und plötzlich kam eine kleine braune Haselmaus an der Seite des Betts nach oben geprescht, um auf seiner Brust zu ruhen, und piepste nur noch mehr. Seine Bettgefährtin kroch weg, quietschte, und Marchy seufzte einmal mehr, dieses Mal vor Erleichterung. Hawthorn war sein Haustier und seine Wache. Er war darauf trainiert jede unangenehme Unterhaltung oder Kuschel-Sitzung aufzulösen, um Marchy vor Entdeckung zu behüten, oder schlimmer – davor Bindungen zu formen.

      »Nun ja, Liebste, es scheint, dass wir Gefahr laufen erwischt zu werden.« Dem war nicht so. Hawthorn war diskreter, für den Fall, dass seine Anwesenheit eine Frau dazu brachte laut panisch zu werden. Dies war eine reine Routinerettung, er sei gesegnet.

      »Da ist eine Maus!«, schrie die Frau.

      Er seufzte noch einmal und tätschelte den Kopf der Haselmaus. »Hawthorn würde es vorziehen, wenn du deine Stimme gesenkt hieltest, wenn ich bitten darf.« Marchy setzte sich auf und die kleine Kreatur hüpfte auf den kurzen Bettpfosten hinter ihm und setzte sich, schaute zu, wie die Frau hastig ihr Kleid wieder anzog.

      Sie ging Momente später ohne auch nur eine Verabschiedung, und das war Marchy ganz recht. »Danke«, sagte er zur Haselmaus. Die Kreatur fiepte ihn an, als ob er sagen wollte, dass es das Mindeste war, das er tun konnte.

      Für den Fall, dass die Frau eine der entschlosseneren Art war, diejenigen, die dachten, dass sie ihn trotz ihrer Abneigung gegen Hawthorn in ein Ehebündnis zwingen konnten, zog Marchy sich rasch an und brachte das Bett in Ordnung. Er schöpfte die Haselmaus auf, setzte ihn in der Tasche seines Jacketts ab und warf einen Blick in den Spiegel, um mit seinen Fingern durch seine schulterlangen, dunklen, welligen Haare zu fahren, bevor er seinen Zylinder aufsetzte. Zwei lange Hasenohren ragten aus den Seiten des Huts heraus, welchen der Hutmacher auf eine Weise gestaltet hatte, dass er für diese nicht unbequem war. Sie hatten einen weichen braunen Farbton, ähnlich seiner Hautfarbe. Sie waren außerdem sein rettendes Element, dass

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