Ich will nochmal!. Alfred Berghammer
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Blick zurück auf die Morgennebel in Frankreich.
Altstadt von Bayonne. Vom Atlantik in die Pyrenäen.
DIE ANREISE
Am 24. Oktober ging es los. Nur besonders gute Kenner meiner Person haben durchschaut, dass dieses Datum etwas mit Fußball zu tun hatte: Am Mittwoch, den 23. Oktober besuchte ich mit anderen Fußball-verrückten Familienmitgliedern das Champions League Gruppenspiel Salzburg gegen FC Napoli. Kurz überlegte ich, ob ich den für die Anreise notwendigen Zwischenstopp in Paris mit einer Übernachtung und entsprechendem Freizeitprogramm verbinden sollte. Aber allein eine Stadt zu besichtigen oder in diverse Lokale einzukehren ist nicht so meine Sache. Geteilte Freude ist für mich doppelte Freude, deshalb sollte Paris einer späteren Reise mit meiner Frau vorbehalten bleiben. Ich hatte aber zumindest vor, die zweistündige Pause zwischen Flug und Zug für ein stimmiges Mittagessen zu nützen. Wie naiv!
Am Donnerstagmorgen brachte mich Sissy zum Flughafen Salzburg, wo ich in das Flugzeug nach Frankfurt einstieg, um von dort noch am Vormittag nach Paris, Flughafen Charles de Gaulle, zu gelangen. Die Flüge liefen routiniert und pünktlich ab. Ich fragte mich nur, was die Leute alle vorhatten, die zwei Flugzeuge am Wochentag außerhalb der Reisesaison fast bis zum letzten Platz füllten.
War das etwa unsere Antwort auf die Klimaerwärmung? Ich unterdrückte das aufwallende Gefühl der „Flugscham“, denn Ende Oktober hat man keine Zeit zu verlieren, wenn man dem nahenden Winter entkommen möchte.
Um etwa dreiviertel zwölf war ich am Flughafen Charles de Gaulle in der Nähe von Paris gelandet. In rund eindreiviertel Stunden würde ein TGV, ein französischer Hochgeschwindigkeitszug, vom Bahnhof Paris Montparnasse nach Bayonne abfahren. Für diesen Zug hatte mir eine freundliche Dame vom Schalter der Deutschen Bahn in Salzburg einen Sitzplatz reserviert. Ohne Reservierung kann man nicht mit dem TGV fahren. Interessanterweise hatte man mich beim ÖBB-Schalter zu den deutschen Kollegen verwiesen, weil man diese Fahrt dort wesentlich billiger buchen konnte.
Aber wie sollte ich nun die rund 40 Kilometer vom Flughafen Charles de Gaulle zum Bahnhof Paris Montparnasse kommen? Das sicherste und schnellste wäre zweifellos ein Taxi gewesen. Aber 40 Kilometer und so viel Zeit! Ich schaute mich also nach einem Bus um. Siehe da, eine Linie fuhr direkt vom Flughafen über den Gare de Lyon zum Gare Montparnasse, Zeitbedarf rund eine Stunde. Genau den hatte ich gebraucht! Ich kaufte mir am Automaten eine Karte. Der Bus kam pünktlich und ich machte es mir auf einem Sitz in der Mitte gemütlich. Wir fuhren los, Autobahnen, Schnellstraßen, Abzweigungen und so weiter. Wegen des starken Verkehrs ging es teilweise nur sehr zäh voran. Ich konnte keine Busspuren entdecken, wo wir schnellere Fahrt gehabt hätten. Aber was soll’s, dachte ich, es ist ja noch genug Zeit! Nach etwa einer Stunde stieg meine Nervosität an wie die Temperatursäule an einem Hochsommertag. Gegen 13.15 Uhr erreichten wir den Gare de Lyon, die Station vor Gare Montparnasse. Während andere Busbenützer in aller Ruhe ausstiegen, ging ich zum Fahrer nach vorn und zeigte ihm meine Karte für den TGV. Ob sich das wohl ausginge? Er meinte, das wäre „dure“ (hart). Nun was hätte es bedeutet, wenn ich den TGV nicht erreiche: Ich hätte mir eine neue Reservierung besorgen müssen, für morgen oder übermorgen. Mein bereits gebuchtes und bezahltes Quartier in Saint-Jean-Pied-de-Port wäre verfallen. Ich hätte mir in Paris ein Hotelzimmer besorgen müssen, für wie viele Nächte? Das alles in einer Sprache, die ich nur „un peu“ (ein wenig) beherrsche. Schon zu Beginn der Reise so eine Komplikation hatte ich nicht erwartet.
Meine Nervosität hatte sich deshalb in eine kleine Panik ausgewachsen. Ich sauste nach hinten zu meinem Sitz, schnappte meinen Rucksack und hastete zum Ausgang nach vor. Rufe von hinten! Ich hatte meine Regenjacke verloren. Also noch einmal zurück, Regenjacke holen. Außerhalb des Busses musterte ich den vorbeiflutenden Verkehr. In den Filmen muss man nur mal mit den Fingern schnippen (laut pfeifen kann ich nicht) und ein Taxi hält. Aber bald merkte ich, dass das aussichtlos war. Aber halt, hinter mir war ja der Bahnhof. Dort warteten geduldig zwei lange Reihen von Taxis. Ich eilte nach vorn – lange Schlange – und zeigte dem ersten Fahrer mein TGV-Ticket und fragte ihn, ob er das schaffen könne. Zu meiner großen Erleichterung meinte er, das sei nicht unmöglich. Also nichts wie hinein und los ging es.
Die große Gemeinheit war, dass viele mit Ampeln geregelte Kreuzungen und Fußgängerübergange folgten und diese generell auf Rot schalteten, sobald wir in deren Nähe kamen. Der Fahrer beachtete das Rotlicht sehr genau, aber sonst fuhr er wie bei einer Verfolgungsjagd in einem Thriller. Wenn möglich, jagte er die Geschwindigkeit bis 100 km/h hinauf. Zuletzt, kurz vor dem Gare Montparnasse gibt es für jede Richtung eine Fahrbahn. Unsere war mit einer wartenden Kolonne besetzt. Da nahm er einfach die für den Gegenverkehr vorgesehene und erzürnte damit den Fahrer eines entgegenkommenden Taxis. Fünf Minuten vor Abfahrt des TGV erreichten wir den Bahnhof. Ich war dem Taxifahrer unendlich dankbar – dafür, rechtzeitig und dennoch lebendig angekommen zu sein – und rundete den Fuhrlohn großzügig auf.
Am Bahnhof wuselten die Massen hin und her. Wo war der richtige Bahnsteig? Nach kurzer Orientierungsphase fand ich ihn. Aber halt, Kontrolle! Ohne Ticket kann man nicht auf den Bahnsteig. In welche Tasche meines Rucksacks hatte ich nur das Ticket gesteckt. Ein Griff … und die Sucherei ging los. Aber so viele Möglichkeiten gab es ja Gottseidank nicht, ich fand das Ticket, schnell in den Zug hinein – hurra, ich hatte es geschafft! Ich suchte mir den reservierten Sitz, ein wundervoller Fensterplatz in Fahrtrichtung an einem schönen Tisch, ließ mich nieder und der Zug rollte an.
Die Zugfahrt war herrlich entspannt, meine Nerven hatten sich nach der stressigen Anreise schnell wieder erholt. Und die quengelnden Kinder in unmittelbarer Nähe störten mich überhaupt nicht. Einige Dinge fielen mir aber auf: Es gab keine Fahrscheinkontrolle. Logisch: erstens war der Zug überfüllt und zweitens hatte es ja am Bahnsteig eine Kontrolle gegeben. Speisewagen gab es leider auch keinen, nur ein Buffet, wo man kleinere Snacks und Getränke beziehen konnte, aber nur mit Karte, Bargeld ist kein vorgesehenes Zahlungsmittel mehr. Wegen meiner Gluten-Sensitivität war die Auswahl sehr klein, so bestand mein Mittagessen diesmal aus Kartoffelchips, Schokolade und Wasser.
In Bayonne hatte ich eineinhalb Stunden Zeit bis zur Abfahrt des Regionalzuges, der mich endlich an den Ausgangspunkt meiner Pilgerreise bringen sollte. Ich schlenderte durch die Stadt in der Nähe des Atlantiks, deckte mich mit Proviant für den nächsten Tag ein und gönnte mir eine Erfrischung in einer kleinen Bar. In Ruhe bestieg ich den Regionalzug nach Saint-Jean-Pied-de-Port. Nicht viele wollten dorthin, aber einige hatten so wie ich große Rucksäcke mitgebracht. Endlich waren wir in Saint-Jean. Alles lag im Dunkeln, ein schon am frühen Abend verschlafenes Nest. Dank Google Maps auf meinem Handy fand ich leicht die Pension, wo ein Zimmer für mich reserviert war. Sonst wäre es in der dunklen Einsamkeit schwierig gewesen, denn auf den Straßen war niemand mehr zu sehen. Was hat man nur früher ohne Smartphone gemacht? Die Rezeption der Pension war noch besetzt. Ich bekam einen Code zu einem Schlüsselkasten, in dem mein Zimmerschlüssel verwahrt war. Das hörte sich einfach an, war es aber nicht. Ich versuchte alles Mögliche, aber konnte nicht entdecken, wo das Kästchen aufging. Zum Glück nahte die Hausherrin und alles war – gewusst wie – dann doch ganz einfach. Das Zimmer samt Bad hatte schon lang vergangene Zeiten gesehen, war aber sauber und auch sonst ganz in Ordnung.