Das Meer. Blai Bonet

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das Meer - Blai Bonet страница 3

Das Meer - Blai Bonet Iberisches Panorama

Скачать книгу

      Agustí Alcàntara, seine Frau (Carmen Onaindia) und Jordi Agustí kamen herein. Sie wischten das Blut auf. Armer Justo! Sie wickelten ihn in eine Decke. Sie legten ihn auf die Rollbare, die für die Todkranken bestimmt war, wenn sie ihren ersten schwindsüchtigen Tag hatten. Die Plötzlichkeit und die Routine dieses Spektakels, unvergesslich, der lange Flur mit den Heizkörpern, die Begonie, das grelle Licht der Neonlampen und ich – in der Mitte dieses Flurs stehend, der Bare hinterher schauend, die sich leise entfernte. Und die übermenschliche Qual, als ich ihn nicht mehr sah und noch die Räder hörte, solche großen Reifen wie von Fahrrädern, sie waren schlecht gefettet («jetzt fährt er durch den Flur am Speisesaal, jetzt am Aushang mit dem Menü von morgen vorbei, hinaus, bis zur Leichenhalle, die neben den Beeten mit den Ranunkeln liegt»).

      Am nächsten Tag ging ich in den Salon, um meiner Mutter einen Brief zu schreiben. Ein Bücherregal war auf den Schreibtisch montiert. Die Büglerinnen legten die Wäsche der Todkranken in die Regalböden, um sie später von dort einzusammeln. Solange ich mit dem Brief beschäftigt war, saß ich vor einem braunen, ausgeblichenen und viel zu gestärkten Hemd mit den Initialen J.P.A.

      Während ich mich vom Tisch erhob, glitt ich mit einer Hand in das Hemd – Wie mag es Justo gehen? – und hielt es eine Weile fest.

      „Hast du schon Haare auf der Brust?“

      „Einige.“

      „Ich auch.“

3 SCHWESTER FRANCISCA LUNA

      Der Plätter des Bügeleisens auf dem quadratischen Tisch glänzt. Mein elektrisches Bügeleisen ist in die Jahre gekommen. Das Kabel ist ausgefranst. Es müsste ersetzt werden. Der Verwalter muss sich um all diese Dinge kümmern, wie zum Beispiel um die Heizungskessel.

      Der Bezirksdirektor der Sanitat wird niemals an all das denken. Einmal im Monat kommt er hergefahren, in seinem Cadillac. Nicht einmal jeden Monat. Wenn der Bezirksdirektor kommt, zeigen sie ihm die Beete mit den Zinnien, mit den Rosen, die seltsam klingende Namen haben, den neuen Apparat für die Sektion von Adhäsionen. Alles, was einen schönen Schein hat. Alles, was weder an Schmerz noch an Blut erinnert.

      Wenn sich der Bezirksdirektor ankündigt, schmeckt die Milch für die Kranken nach wirklicher Milch. Ist der Bezirksdirektor nicht angekündigt, wird die Milch für die Kranken und die für die unteren Angestellten – für Julià Puigserver, für Jordi Agustí und für Agustí Alcàntara – im selben Kessel abgekocht, in dem nachts die Sardinen frittiert werden. Die Milch, die für sie bestimmt ist, hat mehr Fisch- als Direktorengeschmack.

      Alle Überkleider, die wir zu Gesicht bekommen, sind weiß, löchrig und verschlissen. Den ganzen Tag lang weiße Kleidung, wie jene, die Schwester Teresa Crous und ich auf dem Tisch vor uns haben. Seit einer Stunde beugen wir uns über den Tisch, eine Hand am Bügeleisen, die andere an der Wäsche, und reden kein Wort. Seit einer Stunde beugen wir uns über den Tisch. Nach einer Stunde des Schweigens sage ich:

      „Seit einem Jahr ist Andreu Ramallo hier. In diesem ganzen Jahr hat er nicht mehr als zwei Hemden getragen. Die zwei Hemden von diesem Andreu Ramallo sind ein Elend. Seine Familie kommt ihn nicht besuchen. Anfangs besuchte ihn Don Eugeni Morell, der Geschäftsmann, und fuhr mit ihm in den Pinienwald. Später schloss sich Andreu Ramallo an den Besuchstagen im Klosett ein, weil er den Geschäftsmann aus seinem Dorf nicht mehr sehen wollte. Don Eugeni kam nicht mehr. Andreu Ramallo ist ein Verlassener, ein Junge, den es schmerzt, ein Gesicht wie ein Messer zu haben.“

      Die Uhr – ticktack, ticktack – zieht die Stille im Bügelzimmer in die Länge. Ohne den Blick zu heben, stippt Teresa Crous die Finger in den Teller mit Wasser, der in der Mitte des Tisches steht. Sie befeuchtet die Wäsche. Ohne den Blick zu heben. Das Bügeleisen gleitet über die Ärmel des Hemdes und über der Wäsche stößt ein weißer Dampf empor, abrupt, wie das Schnauben der Pferde, im Winter, wenn der Tag anbricht.

      Das Schweigen erzeugt einen fahlen Geschmack im Mund, als kaute ich hartes Brot. Ich sage:

      „Die Tage vergehen und keine von uns bemerkt die Zeit. Zwei Jahre sind wir schon hier. Wir sind am selben Tag angekommen, mit demselben Zug. Ein Zug voll von singenden Soldaten.“

      Die Wasserschale ist gelb. Mit ein paar schwungvollen grünen Pinselstrichen. Die Glasur der Schale ist gerissen.

      „Teresa, du hattest die Hände auf den Knien gefaltet. Und hattest den Blick gesenkt, ich sah, wie sich deine Lippen bewegten, leise, wie die Lippen der Priester, wenn sie die Monstranz vor sich hertragen, bei den Dorfprozessionen.“

      In einem steinernen Topf in der Ecke öffnet sich eine wohlriechende Malvenblüte.

      „Als schautest du in dich hinein, als hättest du zuvor in dein Herz gesehen, hörte ich dich sagen: «Der Gedanke, dass das Zimmer, in dem ich leben werde, eine Zelle ist, lässt mich erschaudern.» Die Soldaten sangen Märsche und Kriegslieder, mit heiserer Stimme vom vielen Wein. Nach einigen Kriegsliedern hast du gesagt: «Für uns ist die Auferstehung des Fleisches eine entschiedene Sache, etwas Baldiges. Wir sind bloß Werkzeuge des Gebets. Das Leben unseres Fleisches da draußen ist jenen gewidmet, die nicht beten können. Unsere Buße ist nichts anderes, als mit dem Leib zu beten.» Danach hast du gelächelt. Als schämtest du dich, so voll des Mutes zu sein.“

      Das Licht dringt gedämpft durch die geschlossene Fensterklappe und umschmeichelt die Wände, wo die Reinlichkeit wie leuchtender Kalk pulsiert.

      „In den ersten Tagen gingen wir abends, nachdem die Arbeit im Krankenpavillon beendet war zurück in unseren Trakt, wie wir es heute tun werden. Du erinnerst dich an solche Dinge. Still schlüpften wir aus den Schürzen und weißen Roben, als ein Chor nahmen wir in unserem Herzen wieder die Natürlichkeit des Gebets an. Du sagtest: «Siehst du, nicht das Beten gibt Kraft, es ist die Kraft selbst.» Später, als wir das Abendessen beendet hatten und uns ausruhten, begannst du die Unterhaltung, mit solch warmer Stimme, so einzigartig, wie sie eine von uns immer nach dem Gebet hat. Du sagtest: «Wir müssen im Gebet vor Gott zur völligen Vergessenheit unserer selbst gelangen. Ich würde behaupten, dass diese Vergessenheit die perfekte Demut ist.»“

      Teresa Crous hat schmale Lippen. Ihr Gesicht ist starr und gleicht einem gelben Stein. In ihrem schweigsamen Innern weint sie bitterlich.

      „Die Oberin sprach zu mir, in ihrer Stimme, die von Alter und Verständnis zeugt, in jener bescheidenen Gewissheit, die Frauen besitzen, die vom Land kommen: «Sie müssen lange einkehren, Schwester Teresa, ich sage lange, weil ich täglich meine, denn für uns, die wir in ein Regelwerk eingeschlossen sind, ist die Beherrschung wichtiger als das Auflodern. Wir sind nicht hierhergekommen, um etwas zu tun, wir sind hergekommen, um geformt zu werden. So wie der Krug vom Töpfer geformt wird. Perfekt zu sein ist für uns nahezu unerreichbar. Die abgeschlossenen Klöster, die sich der Aufgabe verschrieben haben, die Einsamkeit des Menschen in der Einsamkeit einer Zelle zu besiegen, folgen einem ganz einfachen Weg der Perfektion: Das eigene Ich zu zerstören und über das Gebet in das Herz und die Arterien des mystischen Körpers der Kirche zu konvertieren. Nach dieser Pflicht kommt auf uns eine neue Aufgabe zu, unsere einzige Aufgabe: Im Namen Christi zu dienen. Aber niemals werden wir in seinem Namen Speisen und Getränke vollkommen genug austeilen, wenn wir nicht zuvor jene tiefe Demut angenommen haben, einfache Werkzeuge zu sein, die Speisen und Getränke austeilen. Wenn ihr nach dieser extremen Demut trachtet, werdet ihr niemals schwanken, schwanken werden lediglich eure Taten.» Du warst sprachlos, ohne menschliche Regung, in dich gekehrt, wie du immer bist, wenn du sagst, dass du das Holz für die Gemeinde zerkleinern willst und man dich des Gehorsams Willen zum Altar schickt, um die Lilien zu tauschen.“

      Die

Скачать книгу